Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen am/im Hohen Göll/Bayerische Seite, insbesondere Alpeltal


Blick aus dem Kehlsteinhaus aufs Alpeltal, Mai 2009 / Teewassrschacht


"Dieser riesige Berg ragt 7812 Par. Fuß über den Spiegel des Meeres empor, und thürmt sich, mit seiner Oberfläche fast ganz dem österreichischen Staate gehörend, als gewaltige Grenzscheide im Osten des Landgerichtes Berchtesgaden auf. Jahrhunderte lang hielten seine kahlen Stoßwände auch kühne Gemsensteiger von dem Frevel zurück, seine Firste zu berühren; bis es endlich im Jahre 1801 dem verwegenen Bergsteiger H. Stanig gelang, von der Berchtesgadener-Seite aus die höchste Kuppe des Göhl wirklich zu erklimmen." Cammerer, Naturwunder 63

"Kein Freund der Natur, und besonders nicht der Geologe, versäume es, kommt er dem Berge nahe, dahin zu wollen und seine gewaltigen Höhen hinan zu klimmen..." Cammerer, Naturwunder 63


Hoher Göll / Österreichische Seite

Teewasserschacht


Wer von Salzburg auf der Feste südwärts schaut, der sieht ihn sofort, den zerfurchten Kamm des Göllmassivs mit dem 2.522 m Gipfel, rechts vom Salzachtal liegend. Er ist eine Art "Vorposten vor der Kette der Kalkhochalpen" (SHB, S. 351).

Vermutlich waren einheimische Jäger die ersten, die auf dem Gipfel standen, nachweislich war ein Slowene, Valentin Stanic, am 4. September 1800 auf dem Gipfel des Bergkamms, über den die deutsch-österreichisches Grenze verläuft.

Der Gebirgskörper des Hohen Göll hat eine Grundfläche von ca. 25 km". Zwei größere Störungen, die West-Ost verlaufen, trennen den Göll von der Umgebung ab. In ihnen haben sich das Bluntautal im Süden und das Weißenbachtal im Norden gebildet. Die steilen Riffkalkmauern des Kuchler Kammes wirken einfach abweisend. Nach Westen zu ins Berchtesgadener Land hinein gibt es weichere Sockelgesteine, so daß dort nicht gleich der harte Eindruck des unvermittelt aus der Tallandschaft aufsteigenden Hochgebirges" entsteht.

Zwei Schutzhütten gibt es. Im Norden ist das das Purtschellerhaus, von dem aus man auf dem "Salzburger Steig" über die Schuster-Route und den Kamin, die mehrere ausgesetzte Stellen haben, in ca. 2,5 Stunden zum Gipfel des Gölls gelangt. Südwestlich des Gölls liegen Schneibsteinhaus bzw. Carl-von-Stahl-Haus. Auch von dort aus läßt sich der Göllgipfel erreichen, wenn man über das Jägerkreuz und das Hohe Brett (2.340 m) und den Großen Archenkopf (2.391 m) einem Pfad folgt, wobei man immerhin mit 4,5 Stunden Zeit rechnen darf.

Zum Gipfel führt noch ein "interessanter Klettersteig" auf dem Manndlgrat vom Kehlsteinhaus aus, das leicht mit dem Bus vom Tal aus erreichbar ist, und der weite lange Weg auf dem Alpeltalsteig von Vorderbrand durch die Umgänge bis ganz hinauf. Im Winter ist dieser Weg eine viel begangene Skitour.

Speläologisch gesehen war der Göll lange Zeit ziemlich wenig nur beachtet worden. Die Ausnahme war die Quellhöhle des Schwarzbaches, die auf 580 m Seehöhe liegt und immer schon bekannt war. In ihr treten beinahe die gesamten Wässer des Gebiets wieder zu Tage. Die Schüttungsschwankungen sind gewaltig. Im Winter können es in kleinen Nebenaustritten gerade mal 30 l/s sein, aber bei Hochwasser, da konnten es schon mal 17 m³/s, gemessen von einem Schreibpegel am 8. September 1978, sein.
Lange Zeit wurde auch verbreitet, daß hier Wasser aus dem Königssee wieder zum Vorschein komme. Ursache war das Phänomen des "Kuchler Loches", wo im Königssee das Wasser zu verschwinden schien. Und wenn das so war, trat es wieder an die Oberfläche. Es gibt inzwischen eine These, wie etwas besser den geologisch-hydrologischen Verhältnissen entsprechen könnte, an der noch gearbeitet wird.

Wenige Höhlen waren in dem ziemlich unzugänglichen Gebirgsstock gefunden worden. Bis 1960 zählt der Kataster gerade mal 20 Höhlen auf, darunter u.a. die Polypenhöhle im Alpeltalgebiet und die Schliefbodenhöhle auf Bayerischem Gebiet. Am Ende des Scharnitzkehlalm-Endstals gab es immer wieder eine "Eiskapelle", ähnlich der am Fuß des Watzmanns 

Keiner hat sich lange um das Gebiet gekümmert. Erst viel später wurde dann deren wahres Potential erkannt.

Im Jahre 1972 sollte ein Deutsch-Französisches Jugendforschungslager im Berchtesgadener Land stattfinden und der Verein für Höhlenkunde in München wollte es ausrichten. Das war noch eine Zeit, als man wohlwollende persönliche Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen nicht für selbstverständlich gehalten hat! Kein Wunder war das ja, nach den tiefen Wunden, die der 2. Weltkrieg auf allen Seiten geschlagen hatte, nicht. Ein paar Münchner waren mal an der Ardèche im Süden Frankreichs mit dabei gewesen, Klaus Vater und Jochen Straupe, haben z.B. den Aven Rochas dabei besucht. 
Nun waren wir dran. Eine Vortour im Herbst 1971 ergab, daß wir Münchner das Berchtesgadener Land in speläologischer Sicht praktisch noch gar nicht kannten. Wir besuchten gerade mal die Malerwinkelhöhle und das Schwarzbachloch.

Letztendlich fand dann vom 8. bis 16. August 1972 tatsächlich ein "Internationales Höhlenforscherjugendlager" im Schnitzhof bei Markt Schellenberg statt, wobei 4 Münchener dabei waren (Lefranc, Müller, Spieler, Triller) bei insgesamt fast 40 jungen Teilnehmern. Es passierte forschungsmäßig etwas Entscheidendes. Es fand eine Karstwanderung in das noch vollkommen "jungfräuliche" Gebiet der Umgänge statt. Auf einmal waren da viele Schachtöffnungen und "verdächtige" Karsterscheinungen, die einen Zugang in die Innenräume des Gölls verhießen. Und Toni Müller war auch dabei. Der hatte ausgerechnet an diesem Tag Geburtstag. Deshalb bekam eine Höhle den Namen "Geburtstagsschacht", der dann für viele Jahre tiefste Höhle Deutschlands war.

Erst im August 1979 wurde weiter gemacht. Dolfi Triller ergriff die Initiative und organisierte eine Forschungswoche. Insgesamt waren 10 Teilnehmer dabei. Am 5. August 1979 erfolgte der erste Abstieg in den Geburtstagsschacht bis zur 1. Stufe in 32 m Tiefe. Und es ging weiter hinunter. Das Titelblatt des SCHLAZES Heft 29 aus dem Jahre 1979 zierte bereits ein Plan der Höhle von Christian Deubner, der bereits bis - 200 m reichte und mit 3 großen Fragezeichen auf unbekannte Fortsetzungen hinwies.

Die Geschichte der höhlenkundlichen Erforschung der "Umgänge" wird immer noch geschrieben. Keiner war und ist bei allen Unternehmungen dabei gewesen. Jeder hat seinen persönlichen Blick darauf. Da hat es Euphorie und halbe Katastrophen gegeben, Gottseidank nur "halbe". Lebensverläufe wurden neu graviert, auch durch dramatische Unfälle.

Die Protagonisten der 70er Jahre haben sich zurückgezogen, aber Junge sind nachgekommen. Seit 1988 haben fast jährlich Forschungslager stattgefunden, wobei die Teilnehmer keineswegs nur aus München kamen, sondern auch aus Köln oder Bielefeld. Die mühen sich heute im "Tabellenführer" oder "Helmhänger" ab, Höhlen mit Namen, mit denen erst einmal eine "Höhle" nicht ableitbar ist.  Als großer einschränkender Faktor haben sich die engen Verhältnisse in einigen dieser Höhlen herausgestellt. Selektive Engstellen zuhauf und oft Meßzuglängen von 1 m und weniger. Das spricht Bände.

Wo kann alles letztlich enden? Die Färbeversuche haben ergeben, daß das Wasser aus dem Alpeltal im Schwarzbachfall wieder zu Tage tritt. Das wäre eine Riesenstrecke und würde bedeuten, daß es ein riesiges Höhlensystem noch zu entdecken gäbe.

Das Wasser würde in einer Art Wasserrinne von West nach Ost fließen. Inzwischen ist von polnischen Höhlenforscher sehr fleißig auf der Kammlinie und darunter weitergeforscht worden. Eine der tiefsten Höhlen Österreichs wurde dabei gefunden, der 1.173 m tiefe Jubiläumsschacht mit 2,3 km Länge. Weitere große Höhlen wurden entdeckt, das Gutredsystem, die Kammerschartenhöhle.... Ein großes Puzzlespiel?

Seit vielen Jahren finden nun regelmäßig weitere Forschungstouren ins Alpeltal statt und immer mehr wird allmählich auch der Untergrund ausgeforscht. Beispiel dafür sei der "Tabellenführer", in dem man 2003 immerhin schon bis auf - 239 gekommen ist und eine Gesamtganglänge von 1.040 Metern erreicht hat. Damit ist er die dritte Höhle im Alpeltal, die ein Länge über 1 km erreicht hat - nach dem Geburtstagsschachut und dem Canyon-Polypenhöhlensystem.

Die Erforschung ist noch nicht zu Ende.....


Landschaft

In der Nähe des Eingangs zum "Eisstadel"
17. Juni 1983

- biwakiert haben wir in diesem kleinen Zelt
im Schnee

Naturbrücke in der Umgebung des Eingangs
zum Geburtstagsschacht
Eine Höhlenruinenlandschaft mit vielen
kleinen Durchgängen
 
Auf dem Weg zum Göllgipfel
 
 
 
 
 
 
  Der Göll und die Umgäng aus der Ferne
    Ein guter Ausgangspunkt für Touren
 ins Alpeltal - das Vorderbrand-Gasthaus 

Höhleneingänge

Biwakhöhlen
  So versteckt liegen dort manchmal die
Höhleneingänge - hier markiert durch einen
roten Rucksack
  Ein Klassiker:

der erste Einstieg in die "Canyonhöhle", die später mit der Polypenhöhle zum PolCa-System verbunden werden konnte

Peter Lammerer, 9. Oktober 1982

 
Geburtstagsschacht - viele Jahre hindurch Deutschlands tiefste Höhle

20. September 1980

  Schneepfropfenhöhle

19. September 1981

Höhlen

Eisstadel, 13. November 1982
   
17-Juni-Canyon

17. Juni 1983

  Latschenloch

5. Juli 1986

  Jean-Paul Concari,Umgängforschungsurgestein,
beim Abstieg in den ersten Schacht des
Geburtstagsschacht

 

Abendstimmung im Oktober 2019
2024
Ein Spaziergang bei der 
Scharnitzkehlalm

2009 Ein Besuch des Kehlsteinhauses und sehnsüchtige Blicke hinüber ins Alpeltal

   

 


 


Literatur:

Aigner, Andreas 1336-1986, Der Schlaz 50-1986, 34-40
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Cammerer, Anseln Andreas Caspar Naturwunder, Orts- und Länder-Merkwürdigkeiten des Königreiches Bayern für Vaterlandsfreunde, sowie für kunst- und naturliebende Reisende, Kempten 1832
Czoernig-Czernhausen, Ing, Walther von Die Eishöhlen des Landes Salzburg und seiner bayrischen Grenzgebirge, Sonderabdruck aus den Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, LXIV. Jahrg. 1924
Dittrich, A., Meszaros, S. Die Gollinger-Wasserfall-Höhle, DER SCHLAZ 99, 2003, S. 23ff.
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Gesamtredaktion Walter Klappacher und Harald Knapczyk
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Triller, Dolfi Forschungswoche "Hoher Göll", DER SCHLAZ 29, 1979, S. 3ff.
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Triller, Dolfi Canyonhöhle, DER SCHLAZ 50-1986, S. 46ff
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Wolf, Andreas Polypenhöhle im Pflugtal / Hoher Göll, DER SCHLAZ 59-1989, S. 17ff.
Zagler, Werner In den "Umgäng" am Hohen Göll - Bericht vom Forschungslager 2020, Der Schlaz 132, 2021, S. 20ff.
Zagler, Werner Forschungen in den Umgäng am Hohen Göll 2021, Der Schlaz 134-2022, S. 17ff.

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