Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Auszug aus: Eine Kontaktgeschichte des Menschen mit der Eiskapelle
2018
"Ich rate dringend davon ab die Höhle selbst zu betreten. Bitte bewahren Sie unbedingt einen Sicherheitsabstand vom Eingangsportal, da es hier durch herabstürzendes Eis bereits Tote gegeben hat." https://www.geocaching.com/geocache/GC1VEQ1_die-eiskapelle
"Shine on you crazy diamond" Pink Floyd, Delicate Sound of Thunder
"..die merkwürdigste Naturschönheit vielleicht der ganzen Welt.." Kyselak
Seit wann gibt es die "Eiskapelle" überhaupt? Sieht man sich alte Landkarten des Berchtesgadener Landes an, so findet man keinen Hinweis darauf. Gab es sich dann gar nicht oder wurde sie einfach nicht beachtet?
Die erste literarische Spur, die ich bislang finden konnte,
war einmal der Bericht von Alexander von Humboldt aus dem Jahre 1797, als er zusammen
mit dem damals schon sehr angesehenen Leopold von Buch dorthin wanderte. Danach
setzte eine richtige Welle von Beschreibungen der Besuche ein, die schon
verblüfft. Es muß sich um eines der Toptouristenziele zu Beginn des 19.
Jahrhunderts im Salzburger Raum gehandelt haben. Inzwischen habe ich auch
schon frühere gefunden.....
wer kennt den Anfang?
Neben der sprachlichen Darstellung der Begegnung mit der Eiskapelle ist ihre bildliche ein wesentlicher Betrachtungsgegenstand. Vor der Erfindung der Photographie waren die Zeichnung, der Stich, das Gemälde die wesentlichen Medien.
"Höhlenforscher" haben sich lange kaum dafür interessiert. Ein bemerkenswerter Beleg für diese These ist der Band 2 der Salzburger Höhlenbücher, erschienen 1977. Da ist das unterirdische Objekt zwar angeführt, hat aber noch keine Katasternummer. So mancher geht zwar hin und besichtigt sie, aber da der "Höhlenbegriff" noch sehr karst- und kalklastig ist, ignoriert man diese sinch ständig ändernde, keine Konstanz und Dauerhaftigkeit aufweisende Naturerscheinung.
Das ändert sich erst 1984. Plötzlich ist die Eiskapelle in den allen Medien nach einem Unglück mit Todesfolge. Ich gehe 2 Monate danach alleine zur Höhle, berichte im VHM darüber auf dem Vereinsabend, ein Artikel von mir erscheint im SCHLAZ, zu viert brechen wir einen Monat später zu einer Vermessungstour in die Höhle auf, Reinhard Wagner zeichnet den einen Plan. Das ist zwar nicht der erste, aber was heißt in so einem Falle schon "erster"? Neben der Vermessern zieht es die Photographen zu dieser Höhle. Carsten Peter setzte einen Markstein, als er in GEO einige Bilder publizieren ließ, die prachtvoll, aber auch schon wieder übertrieben sind. Warum muß nur, um Himmels willen, unbedingt ein Eiskletterer die Wände hoch? Das Motiv ist klassisch und so haben sich schon viele Höhlenphotographen hier getummelt und Hervorragendes produziert.
Das Internet ist inzwischen voll von Bildern und kleinen Filmchen.
Hier ein paar Ausschnitte aus einer größeren Arbeit, die gerade entsteht. Die Coronabeschränkungen sind dafür sehr geeigent. Reisen nach Innen und in die Vergangenheit..... auch die sind möglich, aber die in die Zukunft, die Ferne und raus aus dem Digitalen, die sind das, was ich wirklich will....
1795 | Roeder,
Reisen durch das südliche Deutschland "Unermüdete Naturforscher pflegen von hier aus einen etwa 3 Viertelstunden entfernten Gletscher des Watzmanns zu besuchen. Man steigt am Fuße dieses Berges zu einer Kapelle hinan, welche älter als das Stift Berchtesgaden, das im Jahre 1108 erbauet worden ist, also über 7 Jahrhunderte alt seyn soll, wobey sich eine überaus helle Quelle befindet; und klimmt dann weiter empor, bis man den eine Viertelstunde langen, und etwas 250 Schritte breiten Gletscher erreichet, unter dessen von Eissäulen geformtes natürliches Gewölbe man hineingehen kann." |
1797 | Besuch der Eiskapelle durch Alexander von Humboldt
am 28. November
in Begleitung von Leopold von Buch (Bolles 52:
"Vollzeitwissenschaftler waren meistens wohlhabende Excentriker.
Der bedeutendste deutsche Geologe war der vermögende Leopold von
Buch, der seine Expeditionen zu entlegenen Orten mit seinen privaten
finazierllen Mittel bestritt.") "Die Oeffnung war 60 Fuß hoch und 80 Fuss breit, ein dämmerndes Licht erhellte das Innere; tropfen und stromweis kamen Bäche von der hohen Decke herab, aus kleine Oeffnungen im milchweissen, grossmuschligen, durchscheinenden Opalähnlichen eise. Große Stück durch die Wärme von oben abgelöst, bedeckten den Boden...Diese Eishöhle liegt zwar an der Südseite des Berges, aber zwischen den hohen Mauern so eingeengt, dass bis dahin nur wenige zerstörende Sonnenstrahlen auf kurze Zeit eindringen können....um so merkwürdiger daher die Erhaltung jenen Eises auf nicht mehr als 2000 Fuss Meereshöhe." |
1801 | Erwähnung der Höhle in dem Buch von Christian Wilhelm Ritter
"Beschreibung der größten und merkwürdigsten Hölen der Erde" |
1804 | Besuch durch den Naturforscher und Arzt Joseph August
Schultes |
1807 | Sartori versuchte die Höhle zu besuchen und hinterließ einige schriftliche Spuren von der Tour. (Naturschönheiten IV) |
1819 | Erste Vermessungsaufnahmen der bayerischen
Gletscher für den Topographischen Atlas von Bayern, auf dem
Positionsblatt St. Bartholomae ist die Eiskapelle zu sehen (allerdings
ohne Höheninformation) |
1820 | Thurwieser, Karl: "Im Jahre 1820 bestieg er 15mal den Gaisberg, – während seines Lebens 480mal – den Untersberg und den Hohenstaufen je 3mal, den Schafberg, das Sonntaghorn, den Watzmann, die Eiscapelle, und verzeichnete auf allen diesen Punkten barometrische Beobachtungen und Höhenmessungen." |
1825 | Kyselank, Skizzen einer Fußreise |
1827 | Emma Förster,
Tochter Jean Pauls, auf ihrer Reise |
1827 | Scholz, Anfangsgründe der Physik |
1837 | A. Eisenberger, Der uneigennützige
und sichere Wegweiser für Reisende in Berchtesgaden.. |
1838 | Trollope, Frances Milton - Wien und die
Oesterreicher, sammt Reisebildern aus Schwaben, Baiern, Tyrol und
Salzburg, Aus dem Englischen von Johann Sporschil, 3 Bände in einem
Band, Leipzig, Georg Wigand |
1838 | Meyer, Josef et. al (1838): Meyer's
Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und
Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde : ein
belehrendes Bilderwerk für alle Stände : in monatlichen
Lieferungen jede geziert mit drey bis vier Stahlstichen der
berühmtesten Künstler / 6. Band, Hildburghausen |
1843 | Petzold, Alexander, Beiträge zur
Geognosie von Tyrol ...... |
Quelle: Bayernatlas, Positionsblätter 1:25000 (um 1860 | |
1865 |
Trautwein, Wegweiser |
1891 | Besuch durch E. Fugger, ausführliche Beschreibung |
ca. 1932 | Aufnahme in das "Höhlenverzeichnis der Bayerischen Alpen" von Helmuth Cramer unter den Ergänzungen mit der Bezeichnung "Be. 52 Eiskapelle am Königssee" |
1935 | Erwähnung der Höhle im "Verzeichnis der Höhlen auf Blatt St. Bartholomä 1:25000 nach A. Fischer" in Lebling, Geologische Verhältnisse 38 |
1959 | Photogrammetrische Aufnahme der Höhle durch R. Finsterwalder |
um 1960 | Sommerliche Skirennen auf der Eiskapelle |
1984 | 10. September: Ein Schüler einer Hauptschulklasse aus Bruckmühlbach bei Kaiserslautern stirbt, weil die Eisbrücke am Eingang plötzlich zusammenstürzt. Drei weitere Schüler werden schwer verletzt. |
1984 | 3. November: Alleingang durch Franz Lindenmayr, Erkundungs- und Phototour |
1984 | 22. Dezember: Vermessung durch Heidinger, Schuster, Lindenmayr, Plan Reinhard Wagner |
Eine intensive Periode der Forschung, Vermessung und der photographischen Dokumentation beginnt.... | |
1989 | Carsten Peter veröffentlicht in GEO einen Artikel mit dem Titel "Die Kapelle im Eis" |
Andreas Wolf unternimmt seither jährlich eine Neuvermessung der Eiskapelle | |
1990 | Gesamtlänge der Höhle 650 m |
1993 | Gesamtlänge der Höhle 340 m |
1996 | Aufnahme in das Höhlenkataster unter der Nummer 1334/5 |
2008 | Exkursionstour 3.8.2008 für die Bayrische Akademie der Wissenschaften, Kommission für Glaziologie. Bemerkung Andreas Wolf: "Unzählige Besucher wagten sich auf das Eisfeld, bzw. in die Höhle ohne hinreichende Ausrüstung", Länge 220 m |
2009 | Erster Earthcache bei der Höhle https://www.geocaching.com/geocache/GC1VEQ1_die-eiskapelle |
2009 | Vermessungstour, starke Nebelbildung, Länge 200 m |
2010 | Jubiläumstour des Vereins zum Schutz der Bergwelt e.V. zur Eiskapelle |
2010 | Vermessungtour, Hauptganglänge 140 m, 3 Seitengänge |
2011 | Eiskapelle wird als 100. Objekt in die Liste der wichtigsten Geotope Bayerns aufgenommen, Söder enthüllt Schautafel dazu |
2013 | Wieder eine Solofototour von Franz Lindenmayr |
2018 | Fototour Phiippe Crochet und Annie Guiraud |
2018 | Fototour Kevin Downey und Franz Lindenmayr |
2020 |
Liebe
Mitglieder, Liebe
Höhlenfreunde,
am
24.10.2020 geht es wieder als Tagestour zur
Eiskapelle. Sie befindet sich am Königssee im Nationalpark
Berchtesgaden.
Teilnehmen
kann jeder Interessierte auf eigener Verantwortung.
Ansprechpartner
und Organisator: Andreas Wolf
Nähere
Informationen und Einladung zur Tour mit Schifffahrt und Ausrüstung
etc. könnt Ihr aus der PDF-Datei entnehmen.
Verzeiht
wegen dem Schreibfehler in der PDF, es soll natürlich 2020 heißen.
Wünsche
ein gutes Gelingen mit einem herzlichen Glück tief
Peter"
"Liebe
Mitglieder und Höhlenfreunde, Einladung zur und Absage der jährlichen Höhlentour des Vereins für Höhlenkunde in München zur Vermessung der Eiskapelle wegen CORONA |
Andere Art und Weisen, das Erlebnis und eventuelle Erkenntnise festzuhalten und weiterzugeben, gibt es noch viel mehr. Mir ist bislang kein musikalisches Werk bekannt, das sich mit der Eiskapelle auseinandersetzen würde. Dafür um so mehr Bildwerke. Der Bogen reicht vom Ölgemälde über die vielen Lithographien bis zu den Postkarten und der Photographien.
Eine reiche Quelle dafür sind inzwischen die Angebote der Kunsthändler und der Postkartenanbieter.
Eine erste Aufzählung:
1831 | "Eiskapelle" von Friedrich Gauermann, Öl auf Papier, gelegt auf Leinwand |
Der Typ von Höhle, um den es bei der Eiskapelle geht, ist schon lange bekannt. Immanuel Kant beschreibt ihn schon 1803 in seiner "Physischen Gegraphie": "Von dergleichen hohen Bergen ergiesst sich das Wasser. Es gefriert aber bereits, indem es herabfliesst. Hieraus entstehen die Eistafeln oder Eismäntel. Unter ihnen befindet sich ein beständiges Wasser, aus dem oft die grössten Flüsse, z.E. namentlich der Rhein, ihr Entstehen enthalten. Dergleichen Eismäntel haben öfters eine Dicke von 20 Fuss, und innerhalb ihrer befinden sich grosse Höhlen, in denen es ungemein finster ist." (S. 254).
Literatur:
Geschichte von Berchtesgaden / 3,1: Berchtesgaden im Königreich und Freistaat Bayern von 18' bis zur Gegenwart; Teil 1, Kirche - Kunst - Kultur - Alpinismus - Sport - Vereinswesen, Plenk-Verlag, Berchtesgaden 1999 | |
Bayerisches Landesamt für Umwelt | Hundert Meisterwerke - Die schönsten Geotope Bayerns, Augsburg 2011 |
Beck, Hugo | Alexander von Humboldt - Amerikanische Reise 1799-1804, Wiesbaden, 6. Auflage 2004 |
Bolles, Edmund Blair | Eiszeit, Argon, Berlin 2000 |
Bruckbräu, Friedrich Wilhelm | Das nützlichste und wohlfeilste Taschenbuch für Reisende au fder München-Rosenheim-Salzburger- und München-Augsburg-Lindauer-Eisenbahn und deren Umgebungen, Jaquet 1851 |
Buch, Leopold von | Geognostische Beobachtungen auf Reisen, 1802, I, S. 211 |
Bühler, Adolf | Berchtesgaden und seiner Umgebung, Reichenhall 1870 |
Burghardt, Joachim | Vergessene Pfade um den Königssee, Bruckmann-Verlag, München 2009 |
Cammerer, Anselm Andreas Caspar | Naturwunder, Orts- und Länder-Merkwürdigkeiten des Königreiches Bayern für Vaterlandsfreunde, sowie für kunst- und naturliebende Reisende, Kempten 1832 |
Cramer, Helmuth | Ein frühes Höhlenverzeichnis der Bayerischen Alpen (ca. 1932), Der
Schlaz 52-1987, S. 50 |
Eisenberger, A. | Der uneigennützige und sichere Wegweiser für Reisende in Berchtesgaden, Wallner-Verlag, Berchtesgaden 1837 |
Flügel, Helmut W. | Leopold von Buchs Tagebuch, Briefe und Publikation über seine Wanderung durch das Salzkammergut, JAHRBUCH DER GEOLOGISCHEN BUNDESANSTALT Heft 3+4 Jb. Geol. B.-A. Band 150 S. 431441 Wien, Dezember 2010 |
Förster, Brix | Das Leben Emma Försters, der Tochter Jean Pauls, in Ihren Briefen,
Nachdruck der Ausgabe von 1889, Hansebooks 2016 |
Fugger, E. | Eishöhlen und Windröhren II, Jahresbericht der k.k. Ober-Realschule in Salzburg, Salzburg 1892, 71-134 |
Greger, Walter, Leutner, Norbert | Friedrich Simony als Karst- und Höhlenforscher - zum 100ten. Geburtstag, Die Höhle 4/1996, S. 1ff. |
Gümbel, C.W. | Geognostische Beschreibung des bayerischen Alpengebirges und seines Vorlandes, hrsg. v. k. bayerischen Staatsministerium der Finanzen, Gotha 1861 |
Klappacher, Walter | Salzburger Höhlenbuch, Band 2, Landesverein für Höhlenkunde in Salzburg, Salzburg 1977 |
Klappacher, Walter | Salzburger Höhlenbuch Band 6, Salzburg 1996 |
Kyselak, Joseph | Skizzen einer Fußreise durch Oesterreich, Steiermark, Kärnthen, Salzburg, Berchtesgaden, Tirol und Baiern nach Wien, nebst eine romantisch pittoresken Darstellung mehrerer Ritterburgen und ihrer Volkssagen, Gebirgsgegenden und Eisglätschern auf dieser Wanderung, unternommen im Jahre 1825 von Josef Kyselak, 1. Theil 1829, zweiter Theil 1829 |
Lebling, Clemens | Geologische Verhältnisse des Gebirges um den Königssee, München 1935 |
Lindenmayr, Franz | Die Eiskapelle - Ein Speleokleinod in den Bayerischen Alpen, Der Schlaz Nr. 45, 1985,S. 26-28 |
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Meyer, Josef et. al | Meyer's Universum, oder Abbildung und
Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur
und Kunst auf der ganzen Erde : ein belehrendes Bilderwerk für
alle Stände : in monatlichen Lieferungen jede geziert mit drey
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Trautwein, Theodor | Wegweiser durch Südbaiern, Nordtirol und die angrenzenden Theile von Salzburg, 1865 |
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WOLF, A. | Die Eiskapelle am Königssee. In: Karst und Höhle. Band Berchtesgaden 2005: 140-149. München. |
WOLF, A. | Die Eiskapelle am Königssee ein schmelzendes Naturwunder? 23 Jahre Höhlenforschung im Gletschereis des Nationalpark Berchtesgaden. In: Untertage Alpin 2007: 86-88. |
Wolf, A. | Die Eiskapelle, DER SCHLAZ 117-2011, S. 91ff. |
Zeller, M., Schöner, H. | Berchtesgadener Alpen. Ein Führer für Täler, Hütten und Berge, München 1966 |
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