Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Höhle bei Irsee

Eine unbekannte Höhle zu finden - der Traum jeden Höhlenforschers. Und wenn das auch noch in einem Biergarten passiert, ein frisch gezapftes Irseer Bier vor einem im Glas - kann man sich noch mehr wünschen?

Besonders stark ist dieses Erlebnis, wenn es einen unvorbereitet trifft. Mir passierte das im 10. Mai 2015 vor der Brauereigaststätte in Irsee. Ich war zum x-ten Male dort, um ein Seminar mitzumachen und hatte noch Zeit bis zum Anfang der Veranstaltung. Das herrliche Nachmittagswetter lud einfach dazu ein, sich noch hinauszusetzen und den frisches Gerstensaft zu genießen. Ich nahm die Speise- und Getränkekarte in die Hand und mein Blick blieb an einem Bild auf der Rückseite der Karte hängen: "Diese Felsenhöhlen mit Quelle nahe Irsee waren vermutlich Ursprung des Klosters." "Felsenhöhlen" - gleich im Plural - hier bei Irsee? Ich fragte gleich die Kellnerin, ob sie aus der Gegend stamme. Sie antwortete mit einem "Ja" und gleich schickte ich die nächste Frage hinterher: "Kennen Sie die Höhlen?" Diesmal kam wieder ein "Ja", aber das sei schon sehr lange her, daß die dort gewesen sei. "Richtung Eiberg" hieß es. Stunden später fuhr ich mit dem Auto dorthin, vorbei am Oggenrieder Weiher, der eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, wegen einer überall in den Medien gewesenen Krokodilgeschichte. Die Kirche St. Nikolaus war mein Ziel, aber da niemand im Haus nebenan war, kam ich nicht viel weiter. Unterhalb der Kirche ist ja eine ganz kleine Geländestufe, ziemlich verwildert, dann ein kleiner Weiher, dann ein Bach ohne Brücke, auf der anderen Seite steigt im Wald das Gelände wieder an. Verheißungsvoll sah das alles nicht aus.

Zuhause verständigte ich Willi Adelung aus Kempten von meinem Fund und der recherchierte gleich intensiv nach diesen Objekten. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten. Vollkommen überraschenderweise fand er in dem 1881 erschienenen Buch "Geschichte des Allgäus" von Josef Rottenkolber sogar eine Abbildung der Höhlen! Sie ist damit eine der frühesten Darstellungen einer Höhle aus den Bayerischen Alpen überhaupt! Im Begleittext dazu wird auf die Gründungsgeschichte des Klosters Irsee eingegangen, die mit einem Einsiedler, der sich am Eiberg niedergelassen hatte, begann. Einer Sage nach sei unter der Regierungszeit Friedrichs I. ein gewisser Heinrich "in die Wildniß, die rings um die Burg Ursin sich ausbreitete gekommen, und ließ sich in einer Felshöhle zu Eiberg mitten im Waldesdickicht nieder." (Rottenkolber 381). Der Text legt nahe, daß es sich bei der "Felshöhle" um etwas handelt, das bewohnbare Größe hat. Rottenkolber teilt auch noch mit, daß "man noch weiß diese erste Wohnung des Einsiedlers daselbst zu zeigen". Später habe er dort eine Klause und eine Kapelle zu Ehren des hl. Nikolaus gebaut. Noch andere Einsiedler kamen zu ihm und schlossen sich ihm an, ein Konrad und ein Priester Meingoz, der "eine Anzahl Schüler und viel Geld mitbrachte". 1182 sei diesem Einsiedlerbunde vom Markgraf der ganze Wald geschenkt worden. Immer mehr Einsiedler seien gekommen, der Plan, ein Kloster aufzubauen, entstand. In dem sumpfigen Gelände, wo man sich vorher aufhielt, also dort, wo auch die Höhle war, ging das schlecht, so zog man um und wechselte auf die verlassene Stammburg Ursin.

Aus: Rottenkolber, Baumann, Nr. 180 "Felshöhle zu Eiberg bei Irsee".

Willi fuhr später mit Dieter Hein nach Eiberg und recherchierte vor Ort. Er traf auch auf den Bauern, der zugab, daß er die Höhle kennen würde, auf die Frage, ob er sie ihnen zeigen würde, allerdings nicht positiv antwortete. So zogen Willi und Dieter unverrichteter Weise wieder ab.

Am 29. April 2016 war es dann soweit. Wieder war ich in Irsee, besuchte ein Seminar über Atheismus, und hatte hinterher viel Zeit, um das "Irseer-Höhlen-Projekt" zu einem Ende zu führen. Willi war auch eigens angereist und so zogen wir los. Irgendwo mußte das Objekt doch liegen! Bei der Nikolauskapelle ging ich erst noch einmal hinunter bis zum Bach, aber hier war auch beim besten Willen nichts Verdächtiges auszumachen. Diesmal war ein jüngerer Bauer auf dem Hof, der uns auch gleich die Kapelle aufsperrte. Ich schnitt im Gespräch an, daß wir auf die alte Abbildung einer Höhle gestoßen seien, und es dauerte nicht lange, bis wir erfuhren, wonach wir gesucht hatten. Es gab tatsächlich ein kleines Höhlenobjekt. Es lag auf der anderen Bachseite im Talhang, nur schwer sichtbar, "auf Privatgrund". Wir bekamen noch gezeigt, wo es sich ungefähr befand, dann brachen wir wieder auf. 

Zu sehen war eigentlich überhaupt nichts. Unten Wiesen, vom Eibach durchflossen, ein Wald bedeckt den Hang, oben ein neugebauter Großhof. Irgendwo waren Pfadspuren, die nach nirgendwo führten. Irgendeine auffällige Felspartie im oberen Teil des Hangs war nirgends auszumachen. Wir waren schon am Aufgeben, da blieb der Blick an einem größeren Felsgebilde im unteren Teil des Hangs hängen. Hinter einem Holzschupfen, war da nicht ein kleines schwarzes Loch zu sehen? Tatsächlich, da war es. Mehrere ganz kleine Felsöffnungen klafften da im Konglomerat, die größte davon war gerade so tief, wo ich lang war, wenn ich mich hineinlegte, 1,80 m. Drinnen ein wenig Schotter, Erde, Laub, sonst nichts. Selbst als Einsiedlerklause wenig geeignet. Seitlich tritt etwas Wasser aus einer Quelle aus, immerhin das spricht für den Platz. Speleläologisch ist der Ort unbedeutend, aber stellt ein wichtiges Stück Lokalgeschichte dar. 

		Foto Willi Adelung

Literatur:

Links:

Markt Irsee im Ostallgäu – Bayerisch Schwaben
Markt Irsee - Geschichte
Digitale Bibliothek - Münchener Digitalisierungszentrum
Nr. 180 Felshöhle zu Eiberg bei Irsee (382) , aus: Rottenkolber, Josef: Baumann, Franz Ludwig:Geschichte des Allgäus, Von der ältesten Zeit bis zur Zeit der schwäbischen Herzöge (1268) ( 1881) - Digitalisiertes Buch aus dem urheberrechtsfreien Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek München [Deutschland] 2007-2015 Bildähnlichkeitssuche
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Landschaft und Höhlen in den Bayerischen Alpen