Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Geologische Orgeln im Unterallgäu
zwischen Kempten und Memmingen


"Geologische Orgeln" sind "runde glattwandige röhrenförmige Gebilde, die bis zu 14 m hoch und mit Verwitterungslehm gefüllt sind." Als Entstehungsursache wird die "Lösungsverwitterung des aus Kalk und Dolomitgerölls bestehenden Nagelfluh aus der Günzeiszeit" angegeben. > Liste der Geotope im Landkreis Unterallgäu. 

Solche Orgeln findet man in größerer Anzahl in dem Gebiet, das von den Fachgeologen als die "Iller-Lech-Schotterplatten" bezeichnet werden, und die zwischen Kempten und Memmingen liegen. Im sog. "Pleistozän" wurde die Landschaft von Schmelzwässern aus den Alpen und der Erosion geformt. Es entstanden annähernd S-N verlaufende Täler und dazwischen liegende langgestreckte, flache Geländerücken, die sog. "Riedln". 

Sehr bekannt sind die Geologischen Orgeln bei Bossarts am Kneippwanderweg zwischen Ottobeuren und Bad Grönenbach.. Auf einer Strecke von rund 500 m sind mehrere Aufschlüsse vorhanden. Die Orgeln sind bis zu 10 m hoch.
https://www.outdooractive.com/de/geotop/allgaeu/die-geologischen-orgeln-bei-bossarts/1707744/ / https://www.geocaching.com/geocache/GC2Q8BE_geologische-orgeln-bei-bossarts?guid=eb21e496-1b3d-425b-a812-d4eac2ae731e

Am Weg zu den Orgeln

Es handelt sich bei den geologischen Orgeln um keine Seltenheiten. Im Grunde reicht es ja auch, ein Beispiel dafür zu sehen, denn die anderen schauen auch nicht viel anders aus. Sie befinden sich halt an anderen Orten.

Zwei seien hier noch erwähnt:

1) In einem ehemaligen Steinbruch oberhalb von Untersteinbühl finden sich mehrere dieser Objekte, zum Teil in herabgebrochenen großen Felsen, womit die Röhren nicht mehr immer senkrecht stehen, sondern nun schräg liegen.

     
     

2) Nordwestlich von Zell am Ostrand des "Grönenbacher Feldes" liegt das "Schwabele". Hier ist eine Wallanlage aus frühgeschichtlicher Zeit, die inzwischen als Bodendenkmal unter staatlichen Schutz gestellt ist. An einer Seite der Anlage, die in ein Tal hinunterführt, öffnen sich in der Flanke mehrere Löcher im Boden - kleine geologische Orgeln. 

Diesen Naturerscheinungen wurde vom Entdecker der Anlage, Herr Pargmann, und ein Herr Krempl aus Obergünzburg haben die These aufgestellt, es könnte sich hier um eine Kultstätte gehandelt haben. Erwähnt wurde ein Kult der "Drei Heiligen Frauen bzw. Drei Jungfrauen", wobei die "geologischen Orgeln als Durchschlupt mit kultischer Symbolik genutzt worden sein könnten." Jedenfalls zitiert Lempert in seiner Doktorarbeit diesbezügliche mündliche Äußerungen von Herrn Krempl. 
Diese Idee scheint mir vollkommen aus der Luft gegriffen. Für einen typischen Durchschlupf spricht wirklich gar nichts. Zu sehen sind nur einige winzige horizontale Öffnungen, den Abstieg in die schachtartigen Orgeln unternimmt man am besten nur mit Seilhilfe. Ob überhaupt eine bekriechbare Verbindung möglich ist, ist sehr fraglich. Da ja angenommen wird, daß es sich um eine "frühgeschichtliche" Nutzung handelt, ist der Zustand heute nur wenig aussagekräftig für die Verhältnisse von Jahrtausenden von Jahren. 
Bedeutende Durchschlupfbräuche passierten an sehr prominenten Stellen, die viel besucht und deshalb auch sehr bekannt waren. Für die Lage am Schwabele spricht überhaupt nichts.


Sind die geologischen Orgeln etwas für "Höhlenforscher"? Sind sie überhaupt "Höhlen"? Wer von der klassischen Seite herkommt, der hat sicherlich Probleme. So mancher hat sein Leben lang nur Kalkhöhlen kennengelernt und denkt deshalb in  diesen ausgeschliffenen Gleisen. Daß es Gletscherhöhlen und Lavahöhlen gibt, das versteht mancher kaum, die manchmal nur eine ganz kurze Lebensdauer haben oder binnen Tagen entstanden sind, also vollkommen gegen die Idee der "Dauer" ziemlich verstoßen, mag in manches Hirn nur schwerlich. Und wie groß muß z.B. ein Hohlraum sein, bevor er in den "Kataster" aufgenommen wird? Dezisionistisch wurde mal entschieden, daß es mindestens 5 m sein müssen, die ein Höhlenobjekt dafür qualifizieren. Glücklicherweise gibt es da einige Kandidaten im fraglichen Gebiet, so daß einmal eine gründliche Aufarbeitung der Höhlenvorkommen ansteht.


 

> Lochsteine und Durchkriechbräuche


Literatur:

Gassama, Isabelle Das Klangspiel des Winds, Allgäuer Zeitung, 4.11.2021, S. 5
Künzel, Karolin 50 sagenhafte Naturdenkmale in Bayern, Steffen Verlag, Berlin 2019
Lempe, Bernhard Die geologischen Verhältnisse auf der GK 25 Blatt Nr. 8027 Memmingen unter besonderer Berücksichtigung der Verwitterungserscheinungen in pleistozänen Schmelzwasserschottern und deren Einfluss auf ihre bautechnischen Eigenschaften. Entwicklung einer Verwitterungsklassifizierung https://mediatum.ub.tum.de/doc/1096718/document.pdf

Links:

https://mediatum.ub.tum.de/doc/1096718/document.pdf

https://www.outdooractive.com/de/poi/allgaeu/die-geologischen-orgeln-bei-bossarts/1707744/

Höhlen in der Schwäbisch-Bayer. Hochebene


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