Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Edelbachquellhöhle
in Eichstätt / Fränkische Alb / D
28. Februar 2009 - der Edelbach
stürzt aus dem Felsenloch / Foto Reinhard Wagner
In der Edelbachquellhöhle / 12. Dezember 1982
/ R.Wagner im Bild, Franz Lindenmayr an der Kamera
(veröffentlicht in: im REICH der DUNKELHEIT, EDITION ARCHAEA,
Gelsenkirchen/Schwelm 1996)
Am 1. November 1998 begann auf einmal wieder der Edelbach zu laufen - eine recht bekannte Naturerscheinung im Oberen Altmühltal. Fast 3 Jahre lang war dieses Ereignis ausgeblieben, das letzte Mal war es im April 1995 zu sehen gewesen. Dr. Reinhard Wagner, Höhlenforscher aus Ingolstadt, Partner und Freund auf unzähligen Höhlentouren in den letzten 20 Jahren, rief mich während der Woche an und teilte mir seine Absicht mit, am Samstag, den 21.11., wieder einmal nach St. Walburg zu fahren und zu versuchen, in die Höhle, aus der der Edelbach kommt, hineinzukommen. Er war freundlicherweise von einer Klosterschwester aus dem Nonnenkloster, auf dessen Gelände der Höhleneingang liegt, angerufen worden. Eine Vortour während der Woche zeigte, daß ein kräftiger Bach dem Portal, bald 8 m über dem Quellteich, entquoll. Das würde eine nasse Angelegenheit mit sehr ungewissem Ausgang werden.
Ich sagte zu und war am Samstag gegen 8 Uhr früh bei Reinhard in Ingolstadt. Außer Reinhard und mir wollte auch noch Alexander, sehr höhlentauglicher Sohn von Reinhard, mit. Gabi, die Frau von Reinhard, kam auch mit und nahm auf Video den schon sehr spektakulären Zugang zur Höhle auf. Später kam noch Peter Thiemer, Vorstand der Ingolstädter Höhlenfreunde, und noch ein weiteres Vereinsmitglied dazu.
Reinhard fragte an der Pforte des Nonnenklosters nach, ob wir hereinkommen dürften, und bekam freundlicherweise die Erlaubnis. Die Parkschranke hob sich, und wir konnten sogar bis vor das Hauptgebäude mit dem Auto fahren. Nun war nur noch eine Tür zu öffnen, ein kurzer Gang zu durchqueren und noch 10 m nach links in einem Durchgang zu machen - dann standen wir schon vor dem beeindruckenden Naturschauspiel. Mit lautem Getöse stürzte ein kräftiger Bach die glatte Felswand aus dem schlitzförmigen Eingang herab. Der gemauerte Quellteich war bis zum Rand gefüllt und ein breiter Bach floß daraus in den Kanal, der das Wasser zur Altmühl hinabführt.
Eine freundliche Schwester erschien und war uns behilflich. In einem Raum, dessen eine Seite eine natürlich Felswand bildet, konnten wir uns gleich neben der Grube, in der frischer Kalk angerührt wird, umziehen. Die Schwester begleitete uns auch hinauf in die Gartenanlagen des Klosters, wo in einem alten Holzgebäude eine lange ausziehbare Aluleiter lag, die der Schlüssel zum ganzen Unternehmen wurde. Wegen der Länge war es gar nicht einfach, sie über die vielen Treppen und durch die vielen Durchgänge des Klosters auch tatsächlich bis zum Quelltopf zu bringen. Aber es gelang.
Da standen wir sechs nun - drei davon im Neoprenanzug. Peter hatte die Temperaturen gemessen. 2° Außentemperatur, 9,5° Wassertemperatur. Die Leiter wurde ausgezogen auf die volle Länge und damit vollkommen unhandlich und sperrig. Wie sollten wir die nur hinüber an die Felswand bringen? Es bedurfte mehrerer Anläufe, bis das endlich geschafft war. Reinhard und Alexander hatten schon erste Vollbänder und kurze Schwimmszenen hinter sich, ehe das Ding da drüben lehnte. Reinhard hatte sie etwas seitlich vom Wasserfall aufgestellt, weil wir nur damit einigermaßen erträglich hochkommen konnten. Um die Leiter vor dem Umkippen zu sichern, mußte eine Verankerung oben gebohrt werden. Reinhard nahm sein Geburtstagsgeschenk zum 50ten mit nach oben - eine Akkubohrmaschine. Mit der war schnell ein Spit gesetzt und das obere Ende der Leiter angebunden. Nun galt es von der Leiter in die Höhle zu kommen. Ein kühner Schritt nach rechts auf ein wasserüberschüttetes Felsband, ein paar Griffe nach oben und schon verschwand Reinhard im Portal. Es ging weiter, kein Siphon versperrte uns den Weiterweg. Reinhard kam zurück und bohrt noch zwei Verankerungen, so daß später auch Alexander und ich sicher nach oben gelangen konnten.
Der Weg da hinauf hatte es aber schon in sich. Der Quellteich war stellenweise so tief, daß auch ich nicht mehr stehen konnte und kurzzeitig sogar schwimmen mußte. Zur Leiter zog ich mich richtig hin und versuchte hochzukommen. Es war, als ob von oben ständig Badewannen voller Wasser heruntergegossen wurden. Ab einer gewissen Höhe wurde es besser. Das Wasser spritzte dann seitlich an einem vorbei. Am oberen Ende der Leiter konnte man sich an einer Schlinge sichern, den Schritt nach rechts tun und, nur leicht bedrängt vom Wasser, den letzten Meter bis hinein in die Höhle wagen. Ein hoher Spaltengang nahm uns da auf. Der Boden war vollständig vom Bachlauf bedeckt. Es war richtig warm hier drinnen, so daß gleich meine Brille hoffnungslos beschlug. Als ich wieder ein bißchen etwas sehen konnte, schaute ich voraus. Ob es gleich wieder aus sein würde? Ein munteres, klares Bächlein kann mir entgegen geschoßen. Ich watete hinein. Das Wasser wurde immer tiefer, bauchtief letztendlich. Aus 2 Meter Höhe kam ein doppelter Wasserfall aus der Hauptfortsetzung. Ich stemmte mich langsam hoch, was wegen der fehlenden Tritte ein bißchen mühsam war. Oben war eine kleine Kammer, deren Boden ein See bedeckte. Nach rechts ging es weiter. Von dort schoß mir der Bach entgegen. Wieder eine kleine Felsstufe hinauf, dann war das Wasser für einige Zeit verschwunden. Die gerade Körpergröße aufweisende Röhre führte nach oben in eine kleine Halle mit vielen kleinen wackligen Blöcken am Boden. Da gab es auch das größte Sinterobjekt der Höhle zu sehen, eine 20 cm große, völlig unauffällige Wandform. Ein kleiner Schmetterling zappelte herum. Überall war das Getöse des Wassers zu hören. Nach links schien es noch weiterzugehen. Wie ein Hund mußte ich über bröseliges Blockwerk, das gelegentlich bei der kleinsten Berührung gleich runterkam, kriechen und gleich darauf nach rechts in einem 5 m langen Felsschlauch wieder hinunter zum Wasser. Hier war "Sense". Sowohl tagauswärts als auch bergwärts schloß das Wasser die Felsengänge bis zur Decke ab.
Ich kroch und wand mich wieder zurück, wartete auf Reinhard und Alexander, half dann bei der Videofilmerei und machte am Ende selber noch ein paar Fotos. Vielleicht werden einige davon etwas, dann gibt es bald hier im Internet etwas davon zu sehen. Gegen 1 Uhr waren wir wieder "wohlbehalten" draußen, patschnaß, ein bißerl frierend, aber doch glücklich über den Erfolg. Wie hat H.C.Blumenberg den Höhlenforscher charakterisiert: "Höhlenforscher sind Menschen mit einem Mangel an Selbstschonung". Da hat er schon recht. Aber um so schöner empfindet man es hinterher wieder, sauber und trocken, z.B. vor dem Bildschirm, zu sitzen und einen Bericht über die hinter einem liegenden "Abenteuer" zu verfassen.
Wir möchten uns ausdrücklich bei der Äbtissin des Klosters und all den anderen Klosterschwestern von St. Walburg bedanken, die uns geholfen haben, dem Geheimnis des Edelbachs nachspüren zu können.
Zuletzt ein Zitat aus einer sehr frühen Veröffentlichung über den Edelbach: "Der merkwürdigste dieser periodischen Wasserstürze aber ist der sogenannte Edelbach in der Stadt Eichstätt. In einer Bergeintiefung hinter dem Kloster St. Walburg, welche in einem Manuscripte des Mittelalters das "Edelinsthal" genannt wird, stürzt zur Zeit, wenn der Schnee auf den Bergen schmilzt oder nach längeren Regengüssen, aus dem Innern des Berges von beträchtlicher Höhe herab ein großartiger Wasserfall mit donnerähnlichem Getöse. Sein Gewässer läuft durch einen gewölbten Gang unter den Gebäuden und dem Hofe des Klosters grollend in die Tiefe und zur Altmühl. Zur Zeit, als hier noch kein Gebäude stand, mag dieser Wasserfall in dem Urzustande der Wildheit einen majestätischen Anblick gewährt haben. Die Bewohner Eichstätts sind nicht damit zufrieden, den Zufluß dieser Cascade jenen Höhlen und Kammern zuzuschreiben, von welchen oben die Rede war, sondern sie stellen sich einen See vor, welcher sich im Bauche des Berges weit ausbreite und dem Edelbache seinen Überfluß abgebe. Sie denken sich sogar, durch diesen See eine Verbindung des Edelbaches mit dem Weißelbache bei Titting, welcher drei Stunden von Eichstätt entfernt fließt. Manches Mütterchen betet mit Bangen, Gott und die heilige Walburga möge das Bersten des Berges verhüten und die Stadt vor dem Untergange bewahren. Viele Leute in der Stadt erzählen treuherzig, es werde von Seite des Klosters alle Jahre ein Fläschchen Walpurgisöl und ein goldener Ring in den Schlund des Wasserfalls geworfen, um durch dieses Opfer die Gnade des Himmels zu gewinnen und das Verderben abzuwenden." Kugler, Karl, S.31)
Literatur zur Edelbachquellhöhle:
Kugler, Karl | Die Altmühlalp, Ingolstadt 1868 |
Spöcker, R.G. | Der Edelbach zu Eichstätt, Fränkische Heimat, Monatsblätter für fränkische Natur und Kultur, Jahrgang 1926, Heft 7 |
Lindenmayr, Franz | Höhlenabenteuer im Nonnenkloster, DER SCHLAZ, Heft 37, Juni 1982, S. 7ff. |
Timer, Peter | Die Edelbachhöhle in Eichstätt, in: Sammelblatt 94 - 2001, herausgegeben vom Historischen Verein Eichstätt, Eichstätt 2001, S. 81ff. |
Trappe, Dr. Martin | Der Edelbach im Kloster St. Walburg/Eichstätt, Ingolstädter Höhlenfreunde, Jubiläumsheft zum 25-jährigen Vereinsjubiläum, Ingolstadt 2006, S. 111ff |
Trappe, Dr. Martin, Wagner, Reinhard, Miedaner, Helmut | Die Edelbach-Quellhöhle (K 12) im Kloster St. Walburg in Eichstätt, in: Karst und Höhle 2008-2010 Südliche Frankenalb - Region Altmühl- und Donautal, München 2010 |
Am 21.11.1998 war das Höhlenende auf Spöckers Plan genau auch unser Befahrungsende
Photos vom 21. November 1998 / Im Bild Reinhard und Alexander Wagner, Photo Lindenmayr
Der Zugang zur Höhle
28. Februar 2009 Der Edelbach voll aktiv Fotos Reinhard Wagner |
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Links:
https://www.abtei-st-walburg.de/startseite/
Eichstätt, Landschaft und Höhlen in und um
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