Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Speläologisches bei Ammerthal
Vermutlich die E 61 Westliche Bauernberghöhle
Wenn heute Menschen an "Höhlen" denken, dann haben sie Erwartungen. Kein Wunder, denn exzellente Dokumentationen für das Fernsehen haben uns informiert. Früher einmal war es zum Beispiel die Eisriesenwelt in Östereich, später Mulu auf Borneo, dann Son-Doong in Vietnam - da haben sich Maßstäbe geformt.
Der Alltag sieht ganz anders aus. Pars pro toto für meine These
seien hier die Höhlen im Ammerthal auf der Fränkischen Alb angeführt.
Landschaftlich gibt es da nichts mehr zu verbessern. Im Hintergrund des
Fußballplatzes sieht man schon die geschichteten Kalkfelsen. Drauf stehen
gleich zwei Kirchen und einige schmucke Häuser, so ein Panorama hat man nicht
alle Tage.
Ein Schotterweg führt hinein in das breite Tal, Wiesen und einige Felder bilden
den Talboden, seitlich steigen die bewaldeten Hänge etwa 50 m an beiden Seiten
an. Wer will, der kann ein paar Hundert Meter bis zum Klettergebiet bei den
Roten Felsen fahren. Von Höhlen sieht man gar nichts.
Sie verstecken sich in den Talhängen und in einem Seitental des Bauernberges. Kennen tut sie fast niemand, und das muß sich auch nicht ändern, denn zu entdecken gibt es praktisch nichts. Oder doch?
Ich war jedenfalls Anfang Juni 2019, anläßlich der Forschungstage 2019 der FHKF, einmal alleine unterwegs und suchte einfach die Kleinobjekte auf, die, wenn es hoch kommt, gerade einmal 5 m Gesamtganglänge haben. Renate Illmann hatte vor einigen Jahren schon einiges gefunden, photographiert und einen Plan gezeichnet. Ein Objekt gab es da noch, das war noch nicht für würdig befunden worden, in den erlauchten Kreis der Katasterobjekte aufgenommen zu werden, und das suchte ich nun. Vielleicht verdiente es ja doch eine Rangerhöhung.
So streifte ich die Hänge hinauf und hinab, mal mit Felsen, mal ohne. Hinein in ein Seitentälchen und wieder hinaus, hinauf auf die Hochfläche und wieder hinunter. Der Leser kann aus meiner umständlichen Beschreibung sicher entnehmen, daß ich nichts irgendwie nach Höhle Aussehendes oder wenigstens Riechendes gefunden hatte. Also noch eine Runde, hinauf und ....beim Heruntersteigen war da auf einmal etwas. Eine Spalte, 5 m geradeaus in den Berg gehend. Ich hatte das "V-Objekt" gefunden! "V"- steht, für den Nichteingeweihten, für "Vorkataster". Da kommen all die "Höhlenkrüppel" hinein, die zu kurz sind, zum Beispiel "4,50 m lange Objekte", die Höhlen, von denen zwar schon lange erzählt wird, aber die noch keiner je gesehen hat, die Objekte aus Sage und Volkserzähltung und noch vieles mehr.
Ich machte ein paar Photos, um den Stand der Dinge festzuhalten, wobei das gar nicht so einfach war, weil dauernd irgendwelche Ästchen und Zweige vor der Linse zu unerwünschten Weichzeichnereffekten führten. Ich mußte sie leider wegbiegen, im Konfliktfall auch abbrechen.
Eine Besonderheit der "Forschungstage" war, daß es
zwar ziemlich genaue Unterlagen gab, aber daß gründlich unterschieden wurde,
zwischen sog. "Referenzobjekten", die als vollkommen erforscht und
dokumentiert deklariert wurden, und den "Forschungsobjekten". Da
fehlte immer einfach noch etwas, die Eingangskoordinaten, der Plan, die
Beschreibung oder was auch immer. Ich finde es immer sehr spannend und wichtig,
mir auch immer die anzuschauen, sofern es möglich ist, was schon länger
bekannt ist, denn dann bekommt man ein viel besseres Bild von den Höhlen einer
bestimmten Region, und kann dann das, was man gefunden hat, viel viel besser einordnen.
Mancher denunziert das als sog. "Doppelarbeit", ich habe schon öfters
die Produktivität einer solchen Vorgehensweise erlebt.
Wie daneben ich gelegen hatte, das habe ich erst viel später
herausgefunden, als ich die Unterlagen auf der Hütte noch einmal konsultiert
habe. "Meine Höhle", die war nämlich gar nicht die, die ich gesucht
hatte, sondern offenbar ein neues Objekt! Die andere, die V1608, den
Bisamloh-Wandfenstergang, habe ich noch gar nicht zu
Gesicht bekommen!
Renates kurzen Felsduchgang habe ich dann doch gefunden, im Kataster als "E0042a Bisamlohhöhle bei Hermannsberg" erfaßt. Er ist ja, wenn man dem Fuß der Felsen zu folgen versucht, gar nicht zu übersehen. "Dem Fuß der Felsen folgen", das ist aber gar nicht einfach, denn die Natur erobert sich ihre Flächen radikal auch wieder zurück, wenn einige Zeit keiner da hinkommt. So mancher Zweig und manches Ästchen mußten da "geopfert" werden, ehe ich dort ankam. Man geht rein und am anderen Ende auch gleich wieder raus. Licht braucht man für diesen Durchgang nicht, aber hat man eines dabei, dann kann man nahe der Knickstelle in einen schmalen Felsengang leuchten, aus dem kalter Luftzug kommt. Leider scheint er gerade für Babies beschliefbar zu sein, aber der Luftzug! Das sind diese Stellen, wo das Herz jeden wahren Höhlenforschers zu kochen beginnt - oder? Über Grenzen hinausgehen...sie suchen und dann davorstehen oder besser oft knieen oder liegen ...nicht hineinkommen.... Wie war doch der Spruch: "Die Erfolgreichen im Leben sind die, die nach den Niederlagen immer wieder aufstehen, nach der nächsten Niederlage wieder aufstehen......."
Auf der anderen Talseite lagen noch drei
"Referenzhöhlen", also eigentlich solche, die nicht wirklich vorgesehen waren für
die Teilnehmer an den "Forschungstagen", denn da gab es ja angeblich
keinen wirklichen "Forschungsbedarf", weil da im "Kataster"
schon alle notwendigen Dinge vorhanden seien. Immerhin hatte ich eine
Einzeichnung in Form eines farbigen Quadrates in der Karte und ich mühte ich
trotzdem den Bauernberg hinan. Ganz praktisch zeigten sich die tatsächlichen
Unwägbarkeiten der angeblich so verläßlichen modernen Datensysteme zum
Beispiel daran, daß es da dauernd neue Wege gibt, die in der Karte nicht
eingezeigt waren, oder doch schon, vielleicht? Tatsächlich war das nicht der
Fall, da hatte jemand einiges neu dazu geschaffen und einen neuen Drahtzaun errichtet. Egal.
Da waren Felsen, ich lief an ihrem Fuß entlang, da ein Mauseloch, da eine
Minispalte, da??? Ich kletterte hinauf und hinunter und kam am Ende dann
tatsächlich an einer Höhle an. Die wird wohl öfters besucht, allerhand
Markierungsmüll lag herum, da war ich sicherlich nicht der Erste. Da war eine
ganze Gruppe von Löchern, auch untereinander verbunden und mit einer weiteren
Öffnung nach oben.
Als ich später die Unterlagen im Kataster anschaute, da konnte ich, Verzeihung,
eigentlich keine Übereinstimmung zwischen Geschriebenem und tatsächlich
Vorgefundenem feststellen. Vielleicht ist es ja wie bei der "Stillen
Post". Je mehr Stationen da eingeschaltet sind, um mehr multiplizieren sich
die Abweichungen.
Im Grund ist es ganz einfach. Immanuel Kant hat es mit einer Klarheit beschrieben, die nicht zu überbieten ist. Sapere aude. Für Nichtlateiner. "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen." Vertraue nur dem, was du selber gesehen hast, gemacht hast - so unzulänglich das auch immer sein mag, es ist in vielen Fällen noch immer um Längen besser, als das, was andere hervorgebracht haben. Aber auch hier gilt: Keine Regel ohne Ausnahme.
Von den anderen zwei Höhlen, die dort auch noch sein sollen, habe ich nichts mitbekommen. Muß ich auch nicht. Die kleine Tour durchs Ammerthal war Erlebnis genug.
Literatur:
Links:
http://geodaten.bayern.de/denkmal_static_data/externe_denkmalliste/pdf/denkmalliste_merge_371111.pdf
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