Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Burghöhle Wolfsegg
Es gibt unglaublich viele Art und Weisen, wie sich "Höhle" erleben läßt. Eine recht seltsame und eine, die mir noch nie vorher begegnet ist, ist eine Höhle nur durch ein "Museum" zu erleben. Man kommt zwar am Eingang vorbei, aber der ist unauffällig und außerdem verschlossen, und es ist verboten, die Höhle zu betreten. Dafür bekommt man einen sehr guten und selten umfassenden Einblick durch das "Höhlenmuseum" in den Kellergewölben der Burg.
Die Rede ist gerade vom den Burg Wolfsegg und seiner Höhle. Sie liegt nördlich von Regensburg, wenige Kilometer östlich des Naabtals, auf dem Weg nach Kallmünz.
Keine Beschreibung der Höhle vergißt, das hohe
Alter der Burg zu erwähnen. 1357 starb Wolf von Schönleiten und
vererbte sie seinen Nachkommen. Daß gerade hier eine Burg gebaut
worden ist, war wohl kein Zufall, denn man hatte dort etwas, was
ansonsten eine Rarität war in dieser Gegend - Wasser. Um da
ranzukommen, mußte man zwar viele Meter in die Tiefe der
Schachthöhle, die im Innern des Burggeländes lag, an Leitern
klettern und das kostbare Naß mit Eimern hochbringen, aber
besser dies als gar nichts. Sonst hätte man es von der kilometer
entfernt gelegenen Naab heraufholen müssen.
1886 bekam die Gemeinde die allmählich verfallende Burg von den
Oberndorfern, dem letzten Adelsgeschlecht, das sie besaß,
geschenkt. Man verwendete sie als Unterkunft für arme Familien,
was wohl auch nur hieß, daß man nicht viel investierte. 1933
kam sie in die Hände eines richtigen Burgenenthusiasten, Georg
Rauchenberger, der unter großen finanziellen Opfern den Erhalt
sicherte. 1973 wurde sie an ein "Kuratorium"
weitergeben, das sich den Erhalt und die Pflege der Burg zum Ziel
gesetzt hat. Danach flossen wohl auch ansehnliche staatliche
Fördergelder, so daß man heute eine Burg in einem
ausgezeichneten Zustand vor sich hat, die man zu den
Öffnungszeiten unkompliziert besichtigen kann, auch allein, wenn
man will, und das zu einem moderaten Preis, 3 DM für Erwachsene.
Besonders medienwirksam und damit den Bekanntheitsgrad schnell erhöhend, war die Geschichte von der "weißen Frau von Wolfsegg". Ein richtiges weibliches Schloßgespenst! Um 1463 soll dort Klara, die Ex-Gemahlin von Ulrich von Laaber, von ihrem Gatten ermordet worden sein, weil sie das Ränkespiel ihres Gatten, der sie verkuppeln wollte, um ein Hammerwerk zu ergattern, nicht mehr mitmachen wollte. Seither geistere sie herum und es gibt, zumindest laut Zeitungsberichten einige Ortsansässige, die schon etwas von ihr vernommen haben wollen. Ein Gewährsmann für solche Erscheinungen war Rauchenberger, der 1952 angab, sie "als astralisches Leuchten durch die dämmerigen Räume der Burg" gesehen zu haben.
Hier kann man nun die Höhle ins Spiel bringen. Gibt es an diesem Ort ungewöhnliche Vorkommnisse, die Menschen dazu veranlassen, zu Erklärungen zu greifen, die alle "rationalen" Erklärungsversuche übersteigen? Tatsächlich wird erzählt, daß der Burgturm gelegentlich gebebt habe und um einen Meter schwankte. Der Berg habe "fürchterlich gerumpelt". Es sei so schlimm gewesen, daß der Pfarrer die Glocken haben läuten lassen, damit das Unwesen ein Ende nehme. Franz Stangl, ein Maurer aus dem Ort, der im Hungerturm der Burg aufgewachsen ist, berichtet: "Alle haben wir im Zimmer auf der Burg zusammengesessen und gebetet, daß der Berg nicht einstürzt und uns alle mitreißt." Seine Erklärung: "Der ganze Spuk kommt aus den Höhlen, die dauernd einstürzen. Davor habe ich Angst, nicht vor den Geistern." Das wäre wieder eine ganz rationale Erklärung für "unerklärliche Erscheinungen". Kann man Belege dafür in der Höhle finden?
Der Zugang zur Höhle ist derzeit nicht einfach.
Am Weg zur Burg sieht man den gemauerten Abgang zum Eingang und
ein Taferl, daß keine Zugang wegen des Fledermausschutzes
möglich ist. Geht man die Treppe runter, dann winkelt gleich
nach rechts der Gang ab und eine Gittertüre versperrt den Weg.
Ein horizontaler Gang ist einzusehen. Soviel Schutz hat man der
Höhle früher nicht angedeihen lassen. Sie war früher nicht nur
Wasserquelle, sondern auch Müllplatz. Für die späteren
Archäologen ist so ein Ort dann ein richtiges Highlight. Was
haben sie da nicht alles herausgeholt! Vom Schädel eines
fünfjährigen Kindes bis zum mittelalterlichen Zapfhahn! Von der
Mitte des 19. Jahrhunderts stammen die ersten Berichte, daß in
der Höhle unterhalb der Burg Funde gemacht wurden. 1911 hatte
man angefangen, sie als Schauhöhle zu führen, was wohl auch
einige Jahre hindurch beibehalten wurde. Dann verkam das Ganze
und die Höhle wurde zur Müllgrube und Latrine. Die Häuser am
Burgberg hatten keine Kanalisation, sondern leiteten ihren Dreck
direkt in die Höhle. Im Gemeinderat sollen die bezeichnenden
Worte gefallen sein: "Mia kenna unsern Dreck net
saufn!"
Alle Versuche, da etwas zu ändern, waren vergebens. 1952/53
erforschte der Regensburger Höhlenforscher und Fernsehjournalist
Fritz Stegerer die Höhle und drehte einen Film darüber, der im
Fernsehen gesendet wurde. Auf einmal bekam Stegerer einen Termin
beim Landrat und innerhalb kurzer Zeit passierte tatsächlich
etwas. Der "alte, übelriechende Unrat" wurde nun
eimerweise wieder hausgeräumt, 25 m³. 1983 setzte eine neue
Phase der Erforschung ein, wurde archäologische und geologische
Untersuchungen vorgenommen. Die Ergebnisse sind heute in dem
"Höhlenmuseum zu besichtigen, das selten vollständig die
Ergebnisse zeigt. Vom Höhlenplan bis zum 3-D-Modell der Höhle,
von Tafeln über die Erforschungs- und Nutzungsgeschichte der
Höhle, von guten Farbphotos und einem Video bis zu den
Originalfunden. Da konnte offenbar aus dem Vollen geschöpft
werden und es waren genügend finanzielle Mittel da, um das alles
zu finanzieren.
Normalerweise ist die Höhle unter der Burg der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Ein versperrtes Gitter verwehrt den Zugang. An einigen Tagen im Jahr, nämlich wenn eigene Veranstaltungen für Kinder stattfinden, dann ist auch der erste horizontlae Raum offen und man kann wenigstens die erste Etage sehen. Sogar ein paar kleine verrußte und beschädigte Tropfsteine sind da. Geschlossen ist das große Klappgitter in der Mitte des Raums, das den Zugang in den 15-m-tiefen Schacht vermittelt. Da in den unteren Räumen elektrisches Licht zur Verfügung steht, ist sogar ein kühner Blick in die Tiefe möglich.
Ab und zu ist auch ein Gesamtbesuch der Höhle möglich. Dazu muß man sich an die Burgverwaltung wenden und ihnen das eigene Vorhaben darlegen. Wenn sie einverstanden sind, dann wird ein Termin vereinbart und man muß eine Haftungsausschlußerklärung für die Befahrung unterschreiben. Dann nimmt sich einer aus der Gruppe der Burg- und Höhlenbetreuer Zeit und kommt mit einem durch die Räume. Es lohnt sich. Ein Spaltenlabyrinth tut sich vor einem auf, das auf über 600 m Gesamtganglänge vermessen ist. Der Gesamthöhenunterschied ist ca. 40 m. An einigen Stellen tun sich die Spalten zu ganzen Hallen auf, die einen immer wieder staunen machen, wie eine so großräumige Höhle in einen so kleinen Burgfelsen überhaupt paßt. Dabei nimmt sie nur die eine Hälfte des Felsens ein, in den anderen Teil konnte man bis heute noch nicht tiefer eindringen.
Die Höhle hatte zwei bekannte Funktionen für
die Burg. Zum einen diente sie als Wasserholplatz. Die Burg
verfügt über eine Regenwasserzisterne, aber wenn die erschöpft
war, dann gab es außer der Höhle keine weitere Möglichkeit, an
das unverzichtbare Naß zu kommen. Vermutlich hat man die
Wasserholer an Seilen in die Tiefe gelassen, damit sie am Grund
der Halle in die kleinen Räume kriechen konnten, wo es das
Wasser gab. Natürlich ist nicht auszuschließen, daß es dort
vielleicht auch schon Leiterkonstruktionen gab, aber davon ist
nichts mehr erhalten geblieben. Genau in der Nähe der
Wasserstelle hat man den Verschlußhahn eines Fasses gefunden,
der vor vielen Jahren dort eingesetzt worden war.
Wohl nachdem das Wasserholen nicht mehr zu wichtig war, hat man
die Höhle in einen Müllplatz verwendet. Entsprechend sah und
sieht es am Grunde des Schachts auch aus. Mit den Jahrhunderten
verschiebt sich dann die Perspektive. Aus Abfall kann wieder
wertvolles Fundgut für die Archäologen werden.
Blick durch die Gitterstäbe in die Tiefe | |
Sinter im Eingangsraum |
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Stand da auch in einer Nische - dient wohl der Kinderunterhaltung |
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Barfuß in der Höhle |
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Literatur:
Bierl, Peter | Bayerische Mysterien, KAUFDOWN Urlaub in Bayern, 2024, S. 26 |
Böckl, Manfred, Ferstl, Peter | Gespensterplätze und Sagenorte in der Oberpfalz, Südost Verlag (1997) |
Gamber, Klaus | Zur mittelalterlichen Geschichte Regensburgs und der Oberpfalz, 1968 |
Görlitz, Y. | Wolfsegghöhle, DER SCHLAZ 109 - 2006, S. 50 |
Hilpert, Brigitte | Spurenlesen in der Vergangenheit - die Burghöhle Wolfsegg als Treffpunkt für Mensch, Höhlenlöwe und Co., Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher 1-2023, S. 9-23 |
Knorr-Anders, Esther | ...und Klara geistert - Burg Wolfgsegg in der Oberpfalz zeigt nicht nur die Romatik mittelalterlichen Lebens, Die Zeit Nr. 41 - 6. Oktober 1989 |
Koller, Karoly | Die weiße Nacht des Jura - Streifzüge durch die unterirdische Oberpfalz, in: Ettl, Grill, Oberpfalz, Viechtach 1995, S. 26ff. |
Koller, Karoly | Streifzüge durch die unterirdische Oberpfalz, Gut Schluf 36-1996, S. 22ff. |
Lützenkirchen, Willy | Titel des Artikels ???, ADAC-Motorwelt Jahr??? |
Motyka, Gustl | Burg und Dorf Wolfsegg : Ritter /Untertan /Weisse Frau, Laßleben Verlag, Michael, Taschenbuch |
ohne Verfasserangabe | Tropfsteinhöhle gerettert - Naturhistorische Kostbarkeit der Oberpfalz verwüstet, die Woche, Regensburg, 21.7.1983, S. 11 |
ohne Verfasserangabe | Ponholz-Höhle, in: Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V, hrsg. von (2024): Tagungsband zur 62. Jahrestagung des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. vom 23. bis zum 26. Mai 2024 in Dietfurt an der Altmühl, Abhandlungen zur Karst- und Höhlenkunde, S. 55 |
Schenkel, Andreas | Die Burghöhle von Wolfsegg; in: Acta Albertina Ratisponsia, Bd. 45, 1988, 129-159 |
Selch, Gerald | Bizarre Schönheit in einer lichtlosen Welt, Augsburger Volkszeitung 8. April 1989 |
Sieghardt, August | Oberpfalz, Verlag Glock und Ltz, Nürnberg 1958 |
Link:
http://www.br-online.de/land-und-leute/thema/sagenhaft_01/service.xml
http://www.wolfsegg.de/burg.htm
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