Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Entlang von Jagst und Kocher, Baden-Württemberg
Die Jagst ist ein 189 km langer Nebenfluß des Neckars in Baden-Württemberg. Die Quelle befindet sich bei Walxheim in einer Höhe von 519 m ü. NN. Bei Bad Friedrichshall-Jagstfeld liegt die Mündung in 144 m ü. NN. Das Einzugsgebiet beträgt 1.830 km². (Quelle Wikipedia)
Unterhalb von Crailsheim erreicht der Fluß, der am Rand der Schwäbischen Alb entsprungen ist, bei der Heldenmühle den Muschelkalk der Hohenloher Ebene und beginnt sofort zu mäandrieren. Auf einer Strecke von 8 km Luftlinie braucht der Fluß das Doppelte an Strecke, so intensive Schleifen macht er.
Fast gleichlaufend zur Jagst fließt etwas südlicher der Kocher. Bei Jagsthausen kommen sich die beiden Flüssen bis auf 1,6 km nah, dann vergrößert sich der Abstand wieder etwas mehr. Sowohl über- als auch unterirdisch konkurrieren sie ums Wasser, wobei der etwas tiefer liegende Kocher etwas "erfolgreicher" ist.
Etwa 20 Meter über dem Muschelkalk liegt in der Schichtenfolge der Gesteine, hier des Keupers, der Gipskeuper. Er zieht sich als schmales Band durch das Land. Sehr viele oberflächennahe Karsterscheinungen kommen darin vor. Sehr schön kann man ihn am Reusenberg bei Crailsheim sehen. Kleine und größere Mulden und Senken bestimmen die Landschaft. Sickerwasser laugt den Gipskeuper unterirdisch aus, der Boden gibt nach und neue Einsenkungen entstehen. Schlamm dichtet den Untergrund ab und neue Tümpel und Lachen entstehen. Bereits 1937 wurde es unter Naturschutz gestellt.
Baumhöhle |
In der Nähe von Kirchberg an der Jagst liegt Lobenhausen. 500 m vom Ortsrand Richtung Kirchberg ist eine Klinge, an deren oberem Rand ein aufgelassener Steinbruch ist. Er ist inzwischen wieder mit dichtem Fichtenwald zugewachsen. Folgt man der Felswand, dann stößt man auf den sehr niedirgen flachen Eingang zur Weilersholzhöhle. Auf allen Vieren kriechend folgt man dem manchmal wohl ein Bächlein führenden Gänglein in südwestlicher Richtung. Nach 6 m knickt die Strecke ab und zieht nach Süden. Das Bächlein verschwindet in einem kleinen Schacht, auf dessen Grund man etwas Müll liegen sieht. Danach wird es noch niedriger und man muß bäuchlings in dem fast zuschwemmten Gang weiterrampfen. Nach gut 30 m knickt der Gang noch einmal ab und führt zum zweiten Eingang, der aber verlegt ist - mit Müll. Insgesamt wurden 112 m vermessen.
Nach Mulfingen führt der Ettebach aus der Hohenloher Ebene der Jagst sein Wasser zu. Er fließt durch Zaisenhausen, das eine beachtenswerte und deshalb in der Karte eingetragene Lourdesgrotte am Ortsrand hat. 1893 errichtete der Lehrer Vögele die Lourdesgrotte aus angeblich zum Dank dafür, dass während einer langen Dürreperiode die Wasserversorgung in Zaisenhausen nicht zusammenbrach. Sie wurde zum 100jährigen Jubiläum renoviert und ist heute eine Station auf dem "Pfad der Stille" in der Region. Insgesamt 13 Lourdesgrotten soll es zwischen Berlichingen und Zaisenhausen geben.
Eine Baumhöhle |
Der höhlenkundliche Höhepunkt einer Reise
entlang der Jagst ist sicherlich bei der St. Wendelinskapelle bei
Dörzbach erreicht. Schon von der Bundesstraße19 aus ist der
Kalktuffelsen zu sehen. Im Sommer soll die Jagst einen so
niedrigen Wasserstand haben, daß man hindurchwaten kann, um
hinzukommen. Ansonsten muß man dem Weg auf der linken Jagstseite
entweder von Hohebach oder Dörzbach zu Fuß oder mit dem Rad
folgen, ehe man den Festplatz von St. Wendel oberhalb der Kapelle
erreicht. Ein Fußweg führt rechts hinab, im Frühjahr durch
eine große Fläche voller Bärlauch.
Die erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1478, wo
erwähnt wird, daß die Kapelle im Besitz der Herren von
Bachenstein sei. Funde aus der Marderhöhle zeigen, daß der
Platz schon viel früher bekannt und genutzt worden ist. Sie
weisen schon auf die späte Hallstattzeit. In der Kapelle ist ein
kleines romanisches Fenster, ein Triumphbogen stammt aus dem
Jahre 1520, ein Chorpfeiler von 1511. Später wohnte ein Klausner
in den Höhlen. Ein Mesnerhaus wurde neben der Kapelle errichtet.
Am 20. Oktober fand jeweils eine Wallfahrt zum St. Wendel-Altar
statt. St. Wendelin ist der Schutzpatron der Schäfer.
Im 17. Jahrhundert zog die ledige Jugend von Hohebach am
Palmsonntag zur Kapelle, um dort Passionslieder zu singen. Das
soll nicht nur friedlich abgegangen sein, weil es zu
Streitigkeiten mit der Dorfjugend von Dörzbach kam. So stellte
man diesen Brauch wieder ab. Angeblich wurde die Kapelle von
einem Schäfer gestiftet, der hier einen Schatz gefunden habe.
Acht kleinere Höhlen (6624/1) werden von Illich in der 78 m breiten und durchschnittlich 18 m hohen Steilwand des Kalktuffklotzes beschrieben. Die längste davon ist die13 m lange Marderhöhle, die am leichtesten mittels Seilsicherung von oben her erreichbar wäre. Sie wurde 1936 kurz nach der Entdeckung vom Oberlehrer Wallrauch aus Dörzbach ausgeräumt, unprofessionell. Reste von wenigstens zwanzig menschlichen Skeletten will man gefunden haben, Fingerringe aus Bronze, Eisenmesser, Bernsteinperlen, Bronzefibeln, eine keltische Silbermünze usw.. Die Funde liegen zum Teil im Keckenburgmuseum in Schwäbisch Hall. Daneben gibt es noch die "Einsiedlerkapelle", die "Einsiedlerklause", die "Nische", "Kleinhöhlen", die "Grabkammer", die "Untere Nische" und die "Obere Nische". Die ist heutzutage kaum erreichbar, es sei denn, man bringt eine Leiter mit, die man an die Wand anlehnen könnte, um den Überhang überwinden zu können. 6 m breit ist sie, 2 m hoch und führt 4 m tief in den Berg. Die einstmals vorhanden gewesenen Stalaktiten sind alle abgeschlagen. Sie ist wahrscheinlich das "Pritschen-Bebelesloch", das unter diesem Namen von Rosenmüller und Tillesius im Jahre 1805 in ihrer Abhandlung über Höhlen als einzige, zusammen mit der Erdamannshöhle bei Hasel, aus ganz Südwestdeutschland erwähnt werden. An anderer Stelle wird eine "Peitschen-Babele" genannt, die die Anführerin einer Räuberbande gewesen sein soll und ihre Wohnung in der Höhle gehabt habe.
Bei Diebach auf der Hochfläche zwischen Jagst und Kocher liegt ein kleines Wäldchen mit einer prachtvollen hohlen Eiche. In ihr eine Marienfigur untergebracht. Ein Schildchen fordert dazu auf, keine brennenden Kerzen in den Hohlraum zu stellen. Offenbar hat man Angst, daß etwas sich entzünden könnte und der alte Baum niederbrennt.
Literatur:
Zander, Jürgen | Zum Problem der ehemaligen Jagst-Versickerung bei Crailsheim, Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland, Nr.2, Stuttgart November 1973, S. 2ff. |
Karl, Edwin | Ponorhöhlen in Hohenlohe am Beispiel der Vogelsberger Ponorhöhle, Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland, Nr.37, Stuttgart Oktober 1994, S. 30-32 |
Rathgeber, Thomas | Karstkundliche Exkursion in Nordost-Hohenlohe und Taubergrund mit weiteren natur- und landeskundlichen Besonderheiten, Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland, Nr.37, Stuttgart Oktober 1994, S. 37-55 |
Bartmann, Christoph | Es flattert die Wäsche, lüftet das Federbett - Deutsche Landschaften(28): Hohenlohe, Süddeutsche Zeitung LITERATUR Samstag/Sonntag, 18./19. Oktober 2003, Seite VII |
Schlauch, Rudolf | Hohenlohe Franken, Glock und Lutz, Nürnberg 1964 |
Hagdorn, Hans, SImon, Theo | Geologie und Landschaft des Hohenloher Landes, Thorbecke, Sigmaringen 1985 |
Simon, Theo | Schwebende Schichtgrundwasser-Stockwerke und schichtgebundene Verkarstung im Oberen Muschelkalk von Nordost-Württemberg, Laichinger Höhlenfreund 22 (2) 105-114, Laichingen 1987 |
Simon, Theo, mit Beiträgen von.. | Geologische Karte von Baden-Württemberg 1:25000, Erläuterungen zum Blatt 6625 Schrozberg-West, 1. Auflage, Freiburg i. Br. 2003 |
Matter, Hans | St. Wendel am Stein - ein neues Naturschutzgebiet im Jagsttal. Blätter des Schwäbischen Albvereins 86 H. 4, p 116-117, Stuttgart 1980 |
Illich, Heinz | Sankt Wendelin Höhlen bei Dörnbach/Jagst (8824/01; Muschelkalkgebiet 2), S. 7ff. |
Fischer, F. | Höhle b. St. Wendel zum Stein nahe Dörzbach. in: Führer vor- und frühgeschichtlicher Denkmale 24, Mainz 1973 |
Rosenmüller, J.C., Tillesius | Beschreibung merkwürdiger Höhlen. Ein Beitrag zur physikalischen Geschichte der Erde. Band 2. Leipzig |
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