Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen im Wutachgebiet, Baden-Württemberg, D


"..wie ich dann bei einer Abzweigung im Wald den Bus verließ und zur Schattenmühle hinunterstieg, wie ich dort die Brücke überquerte, unter welcher die Wutach floß, und wie ich mich dann in diese Schlucht hineinwagte, die Wutachschlucht, über den schneebedeckten Fußpfad, den an diesem Tag noch niemand betreten hatte außer Hasen und Rehen, und wie ich dem Pfad folgte, der anfänglich von der Vormittagssonne beschienen war, unter einem fast frühlingshaften Tropfen von den Bäumen, wie ich dann aber über eine Brücke, vor der ein alleinstehender Holzpfeiler und Strömungsteiler im Wasser zeigte, daß dieser friedlich plätschernde Fluß auch andere Auftritte haben konnte und zu seinem Namen nicht aus Zufall gekommen war..." (Franz Hohler, 52 Wanderungen, S. 190)

"Der Mensch braucht wohl zuweilen die Begegnung mit dieser gewaltigen, gewalttätigen Wildnis, - eine Welt ohne Ziel und Zweck, ohne Güte und Erbarmen, - einer Welt, in der es auch ohne den Menschen geht und in der er sich zutiefst fremd fühlt, - einer Welt, die ihn in seinem Stolz demütigt und in den Senkel stellt." (Hockenjos, S. 54)


Die Wutachschlucht wird vom gleichnamigen Flüßchen zwischen den Orten Kappel-Gutachbrücke und Grimmelshofen an der Ostseite des Schwarzwalds durchflossen. 35 km ist sie ca. lang und heute ein sehr beliebtes Wandergebiet. Bis zu 170 m ist sie in die umliegende Landschaft eingeschnitten. Die ältesten berührten Gesteine gehören dem Schwarzwälder kristallinen Grundgebirge an. Auf diesem Grundgebirge lagert das Deckgebirge. Die ältesten Schichten davon sind der Buntsandstein. Darüber folgt der Mittlere Muschelkalk, der in den eindrucksvollsten Teilen der Schlucht mit seinen steilen Felswänden und schroffen Türmen vorherrscht.

In diesen Kalkvorkommen finden sich auch einige Höhlen, die oft schon lange bekannt sind. So konnten aus dem Reiselfinger Höhlensystem Reste eines Gefäßes aus der Urnenfelder-Kultur geborgen werden. Im Eingangsbereich der Reichämer Höhle findet sich eine Inschrift mit der Jahreszahl 1843 und viele andere. Vom "Münzloch" heißt es in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1885 bereits: "Der Name soll angeblich auf den Umstand zurückzuführen sein, daß einmal eine Falschmünzerbande dort ihr Unwesen getrieben hat. In Kriegsnöten soll wiederholt diese Höhle ...den Bewohnern von Reiselfingen und anderer benachbarter Dörfer zur Zufluchtsstätte gedient haben."

Am 10. Januar 1954 passierte in der Umgebung von Reiselfingen etwas Außergewöhnliches, wenn auch nicht unbedingt Singuläres. Plötzlich öffnete sich ín einem Flurstück namens Roßhag die Erde und ein damals 70 m tiefer und 20 m weiter Schacht tat sich auf. Er ist auch heute noch besuchbar. Eine Tafel an der Straße macht darauf aufmerksam. Heute ist er nur noch weniger als 30 m tief, aber immer noch sehr eindrucksvoll.
Auf der "Winterhalde" verschwanden am 18. März 1957 zwei Gartenhäuschen in einem 26 m tiefen Krater von 20 m Durchmesser.

Eine alte Luftaufnahme des frisch eingebrochenen
Erdlochs von der Informationstafel am Höhleneingang
Die Landschaft am Weg


In der Wutachschlucht

Kleine Naturbrücke am Weg

- mit einem Holzpflock, der das Ganze

stützen soll

Längste Höhle des Gebiets ist das "Reiselfinger Höhlensystem" mit 612 m Gesamtganglänge. Weitere Höhlen sind auf allen Wanderkarten eingetragen, das Münzloch, die Eisbärenhöhle...

Über das Internet hat mich folgende Nachricht erreicht:

"auf der Suche nach einer bestimmten Höhle bin ich auf ihre Seite
gestoßen. Als Kind machte ich Urlaub an der Wutach. Auf einer
Wanderung kamen wir an einer kleinen Höhle vorbei direkt an der Wutach
oder einem Nebenfluss (Gauchach?). Die Höhle hatte ein kleines Loch
als Einstieg das etwa 80 cm im Durchmesser Betrug. Nach dem Einstig
ham man in eien kleien Raum mit einer schmalen Felsnase wohinter ein
zweiter Raum lag. Der Boden war hier abschüssig. Das ganze lag an der
Mündung eines kleinen Bachlaufs dessen Bett fast ausschließlich aus
Tuff/Kalkstein bestand. Die Höhle selbst war sehr trocken und
ebenfalls aus Tuff/Kalkstein. Ich vermute sie im Tal der Gauchach oder
nahe Ihrer Mündung in die Wutach weil es dort sehr viel
Muschelkalkablagerungen gibt.
Haben Sie vieleicht eine Ahnung wo diese höhle sein könnte?"

Ich weiß es, noch, nicht....

Im Juni 2015 war ich einmal wieder in der Wutachschlucht, diesmal zusammen mit Willi Adelung. Das Ziel war das Münzloch. Der Name ist ja auf allen Karten eingetragen, so daß man schon einmal eine grobe Orientierung hat, wo man es suchen kann. Wir versuchten es zuerst einmal von oben her und folgten dem Waldpfad vom Sportplatz von Reiselfingen her. Dann trafen wir auf ein älteres Paar, das offenbar auf dem Rückweg vom Schwammerlsuchen war. Der Mann schien sich auszukennen und empfahl uns, umzukehren und dem hinunter ins Wutachtal zu folgen. Von dort würde eine Fahrspur weiter führen bis zu einem Fußpfad. Irgendwann würde sich der Weg verzweigen, aber die Stelle sei nur schwer zu finden. Von dort ginge es zum Eingang.
Wir taten also wie geheißen und stiegen dem Pfad, der an einer Stelle durch beeindruckende Felsformationen im dünn geschichteten Kalk führte, bis ganz nach unten. Tatsächlich war da ein geschottertes Fahrsträßlein etwas oberhalb der Wutach. Irgendwann kam dann ein Wendeplatz, und von da aus war es vorbei mit dem bequemen Gehen. Da war dann nur noch eine Pfadspur, und die ist auch schon am Vergehen. Man scheint die Gegend verwildern zu lassen, kreuz und quer lagen die großen Baumstämme über dem Weg. Es verlangte schon einige Portionen Extrageschicklichkeit, um da noch vorwärts zu kommen. Wenn das noch eine kurze Zeit andauert, dann haben wir auch da wieder richtigen "Urwald".
Dann kam tatsächlich eine Verzweigung, wobei der nach oben führende Zweig noch ein wenig rutschiger und "haudiger" war, wie die andere Pfadspur. Tatsächlich, auf einmal war da ein Loch in einer Felswand zu sehen, aber nicht dort war dann der Eingang in das Münzloch. Zu übersehen war er nicht, da ein häßliches Tor dem Höhleneingang verpaßt worden ist. Mich beschleicht immer eine Gefängnisstimmung, wenn ich so etwas anschauen muß. Was für ein Verhältnis hat die "Menschheit" inzwischen zur "Natur" aufgebaut, daß sie so etwas nötig hat? Da ist schon so eine "Ader der Natur" (Goethe) zugänglich und gleich wird sie wieder halbjährig zugemacht.
Das Münzloch gehört zu den bedeutendsten Höhlen der Wutachschlucht. Ihre Gesamtganglänge wird mit ca. 100 m angegeben. Charakteristisch ist ihre Großräumigkeit im Eingangsbereich, der über eine sehr rutschige Lehmhalde erreicht wird. Im Krieg diente dieser Raum der Bevölkerung der Umgebung als willkommenes Versteck, was angesichts der kalten und feuchten Verhältnisse sicherlich keine reine Freude gewesen ist.

 
     
 
     
 
     
 
     
   

...wird fortgesetzt

 


Literatur:

Hockenjos, Fritz

Die Wutachschlucht, Rosgarten Verlag, Konstanz 1964

Hohler, Franz

52 Wanderungen, Luchterhand, München 2005

Hoydem, A.

Zum Stand der Höhlenforschung im Wutachgebiet, Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland, Nr. 26, Stuttgart 1983, S. 13ff.
Hoydem, Andreas Verkarstung und Speläologie im Wutachgebiet, Laichinger Höhlenfreund 18 (2), Laichingen 1983, S. 65 - 70
Huth, Thomas Relikte der Eiszeit - Feldberg und Wutachschlucht im Schwarzwald, in: Look, Ernst-Rüdiger, Feldmann, Ludger, Faszination Geologie - Die bedeutendsten Geotope Deutschlands, Stuttgart 2006
Rathgeber, Thomas Hohlformen im Gipskarst von Südwestdeutschland - ihre Bedeutung für Höhlenkunde und Quartärpaläontologie, Laichinger Höhlenfreund, 42. Jahrgang, S. 5-20, Laichingen 2007
Schurhammer, Hermann Naturschutz - Das Wutachtal bedroht! Badische Heimat 34. Jahrgang 1954, Heft 2, S. 132ff.
Wengel, Tassilo Das große Buch der Weitwanderwege, Bruckmann-Verlag, München 2012

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