Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Sirgensteinhöhle
"..die kleine Höhle mit dem Loch in der Decke, durch das man in den Himmel schauen konnte..." Conard, Venus 136
Wer auf der B 492 von Blaubeuren in Richtung Schelkingen fährt, der kann leicht die Stelle verpassen, von der aus diese sehr geschichtsträchtige Höhle leicht erreichbar ist. Ein Parkplatz befindet sich rechterhand der Straße. Bei einer Hütte beginnt ein schmaler Steig, der momentan (2020) gerade geschottert und mit Trittstufen versehen wird. Ein verfallendes graues Schild weist auf die Höhle hin. Es gilt 35 Meter hinaufzusteigen bis zum Fuße des 45 m hohen Massenkalkfelsens, auf dem sogar die Reste einer mittelalterlichen Burg stehen.
Rechts vom Weg passiert man bereits eine kleine Höhle, den Sirgensteinkeller mit 2 Eingängen, von denen einer über in den Stein gehauene Stufen erreicht werden kann. Innen ist eine Felskammer von gut 5 Metern Länge, 2,5 m Breite und maximal 2 m Höhe.
Noch ein paar Meter weiter und man steht vor dem Eingangsportal von klassisch schöner Proportion. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es vollkommen unterschiedliche Angaben über dessen Proportion. "circa 3,5 m hoch, 5,4 m breit" heißt es da, ganz professionell. "12 m breit und 5 m hoch" an anderer Stelle. Am besten ist es, man geht selber hin und macht eine eigene Schätzung. Links oberhalb befindet sich eine weitere, nicht zu übersehende Öffnung.
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Für die Archäologen war besonders der Platz vor dem Portal und
der Eingangsbereich von Bedeutung. Hier wurde 1906 von R. R. Schmidt gegraben
und Spuren des Menschen gefunden, die bis in frühesten Perioden menschlichen
Aufenthalts in unseren Zonen zurückreichen, das Mousterien, das Aurignacien und
das Magdelénien. Darauf waren dann auch Kulturschichten, die aus
späteren Perioden stammten.
Lange Zeit hindurch hatten die "Wissenschaftler", früher hießen sie
eher "Naturforscher", die sich mit der Frühzeit der Menschheit
beschäftigt hatten, immer gesagt und geschrieben, daß es so etwas gar nicht
gegeben habe. Man suchte die Erklärungen für die "Vergangenheit" in
der Bibel, aber die war nur wenig "differenziert". Da gab es die
Erschaffung von Adam und Eva, wenig später die "Sintflut", die man
lateinisiert als das "Diluvium" bezeichnete ("..ein einziges,
strapapziöses, 40 Tage währendes Ereignis", Bolles 50), und dann kann der ganze
"Rest". Dann tauchten da auf einmal Ideen auf, daß es einmal eine
"Eiszeit" gegeben haben könnte, eine Idee, die anfangs von den
etablierten Autoritäten erst ignoriert, später auch ausgelacht und am Ende
akzeptiert wurde. "Eiszeit" -
lächerlich. Venetz ("...zur phantastischen Schule gehörig", Bolles
32), Forbes, Agassziz, Charpentier, Schimper, Lyell... Und heute ist alles scheinbar selbstverständlich, ist das Quartär
eine etablierter Begriff.
An den Eingang schließt ein tunnelartiger, nach 9 m
abknickender Gang an. In der Eingangszone ziehen zwei Schlote in die
Höhe, die sich in 7 m Höhe vereinigen und dann noch zum Teil
außenwandparallel weiter noch oben führen, ohne daß sie jedoch wieder an die
Oberfläche hinausführen würden. Der Tunnel verläuft auf 15 m Länge leicht
ansteigend mit einem annähernden Kastenprofil von 5-6 m Breite und 3 bis 1,5 m
Höhe bis in eine Halle mit zwei Deckenlöchern, aus denen tagsüber genügend
Licht hereinkommt, daß man im Grunde ohne eigenes Licht den größten Teil der
Höhle besuchen könnte. "Im Grunde" - denn wenn man Pech hat, so wie
es mir einmal passiert ist, dann geschieht einem vielleicht auch das, was ich
erlebt habe:
"Es ist bestimmt schon 25 Jahre her,
daß ich diesen Durchgang gemacht habe, erinnern tue ich mich
auch heute noch daran. Was nämlich so gänzlich einfach
erscheint, das war von einem ziemlich dramatischen Ereignis
begleitet. Die Höhlendecke ist nicht sehr hoch, weshalb jeder
Besucher sich ziemlich bücken oder in die Knie begeben muß, um
vorwärts zu kommen. Ich tat dies, aber plötzlich gab es einen
ziemlich groben, dumpfen Schlag. Die Höhlendecke machte nämlich
einen unvorhersehbaren Sprung nach unten, so daß meine Stirn
ziemlich unvermittelt prall gegen den Fels prallte. Man muß
selber so etwas mitgemacht haben, ehe man auch nur annähernd
verstehen kann, was ein Mensch da mitmacht. Ich sah mindestens 1000 Sterne vor
den Augen funkeln, ich war benommen, mit einem Schlag für Momente "aus dem
Verkehr gezogen". Für ein paar Minuten setzte ich mich erst mal hin und
sortierte mich wieder neu."
Ab der Halle schwenkt der Gang erst nach links und dann gleich wieder in Nordrichtung. Kurz darauf ist der Endversturz erreicht. Hier wurde natürlich auch schon versucht, weiterzukommen, aber bislang vergebens. Der Grundtypus der Höhle spricht für eine Flußhöhle, sodaß es eigentlich bedeutend weitergehen sollte. Wer weiß schon, was die Zukunft bringen wird?
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Wie die Ausgrabungen gezeigt haben, war die Höhle von Anbeginn schon dem Menschen bekannt gewesen und er hat sie genutzt für seine Zwecke, z.B. als Lebensraum oder wenigstens temporären Aufenthaltsraum.
Schon sehr früh taucht sie auch schon in der Literatur auf. Die älteste Erwähnung ist bei Fabri 1458.
Sie gehört inzwischen zu den 6 Höhlen der Schwäbischen Alb, die zum Weltkulturerbe erhoben worden sind - und jeder kann reingehen! Keine Absperrgitter, keine pädagogisierenden Zwangsführungen, sondern ein einfaches Höhlenbegehungserlebnis.
Literatur:
Binder, Hans, Jantschke, Herbert (2003): Höhlenführer Schwäbische Alb, 7. Auflage, Leinfelden-Echterdingen, 2003
Bolles, Edmund Blair (1999): Eiszeit - Wie ein Professor, ein Politiker und ein Dichter das ewige Eis entdeckten, ARGON, Berlin
Conard, Nicholas J., Wertheimer Jürgen (2010): Die Venus aus dem Eis - Wie vor 40000 Jahren unsere Kultur entstand, Knaus, München
Fabri, F. (um 1458): (Beschreibung der Sirgensteinhöhle, zitiert nach Binder 1963 bzw. Albrecht 1980), in: Striebel, Thomas, 1996
Schmitt, R. (1910): Der Sirgenstein und die diluvialen Kulturstätten Württembergs, Schweizerbart, Stuttgart
Striebel, Thomas (1996): Höhlen im Gebiet der Stadt Blaubeuren, Das Jahresheft 1995 der Arge Grabenstetten, Ausgabe zum VDHK-Jahrestreffen 1996 in Blaubeuren, Grabenstetten 1996, 150-171
Links:
https://www.tourismus-bw.de/Media/Attraktionen/Sirgensteinhoehle
https://www.urmu.de/de/Forschung-Archaeologie/Fundstellen/Sirgenstein-(Blaubeuren)
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