Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen am Boßler, Schwäbische Alb


Do you have a body? Don't sit on the porch!
Go out and walk in the rain!
............................................................Kabir


Als ich nach unserer Tour zum Boßler (oder Bossler? In der Karte steht die erste Version, auf der Webseite des "Bosslerhauses" die zweite) Mitte Januar 2010 auf den Anfang eines Gedichts von Kabir, einem bedeutenden indischen Mystiker und Dichter, stieß, da traf das den Nagel genau auf den Kopf. Go out and walk in the rain. Anfangs regnete es noch nicht, dafür aber später ganz ordentlich. Wir, das waren zwei Leute aus München, zwei aus Kempten und eine Dame aus Häringen. Von ihr hatte ich sehr freundliches Email bekommen bezüglich meiner Webseite. Sie erwähnte darin auch eine Kazmaierhöhle im Boßler, in der sie auch mal Interesse hätte.

Warum sie nicht mal aufsuchen, anschauen, fotographieren? Schnell war eine Tour organisiert und an einem Sonntagvormittag trafen wir uns um 10 Uhr auf dem Autobahnparkplatz bei Merklingen. Gemeinsam ging es von dort weiter. Eine weiße Schneedecke verzauberte die Landschaft. Vorausgegangen waren einige Recherchen, besonders von Seiten unserer "Dame aus Häringen". In all meinen vielen Unterlagen stand kein einziger Hinweis auf die Höhle. Aber wer stolzer Besitzer der 3. Auflage Höhlenführers Schwäbische Alb von Hans Binder ist, der verfügt über alle notwendigen Informationen.

Demnach handelt es sich um eine auf 51 m Länge vermessene Höhle, die im wesentlichen aus drei hangparallelen Spalten besteht. Solche Spalten haben den Charakter, den Engländer mit "If you have seen one, you have seen them all" beschreiben können. Man muß nicht jede davon gesehen haben, um es milde auszudrücken. Und wenn sie auch noch eng und mühsam zu durchqueren sind, dann reicht es oft, daß man den Eingang und den vielleicht vorhandenen Ausgang anschaut und den Rest der Phantasie überläßt.

So ungefähr haben wir es dann auch gemacht. Von Härigen auf etwa 500 m Seehöhe ging es auf einem Serpentinen weg hinauf auf die Hochfläche, deren höchster Punkt mit 806 m bei der "Bürg" erreicht war. Dort zweigt vom Hauptweg zum Boßlerhaus nach links ein Weg entlang der Hangkante ab. Folgt man ihm, dann kommt man direkt am oberen Eingang der Höhle vorbei. Der ist unübersehbar, denn eine spaltenförmige Vertiefung liegt direkt neben dem Weg. Wer mag, kann hinuntersteigen und den schlufförmigen Eingang anschauen. Wer hineinwill, der sollte sich wohl besser "beschlazen" und sich seelisch auf einige Mühsal einrichten. Mir genügte ein Blick in die Öffnung, die wohl gerade so groß war, daß ich mich noch hineinzwingen hätte können. Warme Luft strich heraus, die immerhin so stark war, daß sie die Deckenwurzeln im Eingang hin und her bewegte.

Wenn so eine Situation vorliegt, dann gibt es oft einen weiteren Eingang. Den wollte ich auch sehen. Unsere "Dame aus Häringen" kannte ihn schon von einem früheren Besuch, aber diesmal schien sie ihn nicht mehr finden zu können. So ist das halt mit den "Höhlen". Mal findet man sie und manchmal auch nicht. Aber gerade das macht ja auch einen Teil ihres "spannenden Charakters" aus. Wenn einmal jeder vollkommen Unbedarfte mit Hilfe seines GPS jedes noch so versteckte Loch in der Landschaft finden wird, dann hat er zwar vielleicht das Loch gefunden, aber der Reiz ist verloren gegangen. Denn der bestand ja gerade darin, daß man gerade auch mal keinen Erfolg haben könnte. Ist der "garantiert", dann ist die Freude des eigenen Findens weg, die ja das eigentlich Wichtige an der ganzen Aktion ist (das haben wir früher schon beim Ostereiersuchen gelernt!) - zumindest in einer Situation, die keine anderen, viel aufregenderen Randbedingungen mehr zuläßt. Einmal in einer Gegend herumzuschauen, wo früher schon viele herumgesucht haben, noch keine Höhle gefunden haben, und dann, da, plötzlich, ein "neues Loch"! Manchmal ist das Anfangs nur haselnußgroß, der Eingang! Und nachdem man es geöffnet hat, dann zeigt sich darunter die "Riesenhöhle"! Wo liegt die nächste?

Steht man da und sucht, was man nicht sehen kann, dann gilt es "die Landschaft zu lesen", landscape reading. Zum Lesen gehört eine Sprache, gehören Grammatik, Satzbau, Wörter. Normal gesprochen. Aber es gehört noch mehr dazu. Es gibt einen schriftlichen und einen gehörten Weg. Auch der spielt hier eine Rolle.

Jedenfalls stand ich auf einmal vor einer Felswand, in der ein Loch klaffte. Menschengemacht. Ich kletterte hoch, schaute mich um. Eine grüne Flasche lag am Boden. Ein kleiner Raum, menschengestalltet, ein kurzer Stollen, der zu einer Naturhöhle führte, nach links und rechts weiterführend. Ich hatte zwar das Material dabei, hineinzukriechen, aber Lust hatte ich nicht, wirklich. Außer mir hatte keiner sein Höhlenzeug dabei.
Irgendwann sah ich auch die anderen langsam auftauchen. Alle kamen her, kletterten hinein, sahen sich um, machten ein paar Fotos und verließen dann wieder dieses aus anthropospeläologischer Sicht schon sehr erstaunliche Menschnaturgebilde.

Energie war noch da, wir folgten den Spuren im Schnee, vorbei an dem Denkmal für die verunglückten Flieger, schließlich rutschten wir auf eisigen Platten hin in das Boßlerhaus. Dieses Naturfreundhaus wird ja wohl gerne aufgesucht, offenbar besonders gerne von Familien. So passiert auch heute halt noch die Hinführung zur "Natur".

"Do you have a body? Don't sit on the porch!
Go out and walk in the rain!"

"Erbswurstsuppe mit Würstl" gab es als Essen - das gilt es festzuhalten. 2010 ist der Speiseplan offenbar nicht weitergediehen als 1950. Wir haben es gegessen.

Das Wetter wurde immer schlechter. Der Rückweg nach Häringen war "hard", sulziger Schnee, rutschig, mehr als nur "windig". Da war zu spüren, daß der "Wind" eine Weltkraft ist. Inzwischen ja auch schon viele Turbinen antreibend, uns vielleicht vor den Kräften des "Atoms" (und den zweifelhaften Vertretern dieser heute so eingesetzten "Kraft" bewahrend) und seinen unseeligen unterirdischen Folgen (Asse-Gorleben) bewahrend (zweimal bewahrend!).

   
   
 
 

Literatur:

Binder, Hans Höhlenführer Schwäbische Alb, 3. Auflage,
Jantschke, Herbert & Luz, Hans Martin Höhlen im Kartenblatt 7323 Weilheim, Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland, Nr. 29, S. 26-33, Stuttgart 1985

Links:

http://www.naturfreunde-gp.de/default/Bosslerhaus.htm

Landschaft und Höhlen der Schwäbischen Alb

 


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