Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Oberkochen, Landschaft und Höhlen um, Schwäbische Alb


Kocherursprung


"Oberkochen", wie soll man diese Stadt mit fast 8.000 Einwohnern im Ostalbkreis auf der Schwäbischen Alb charakterisieren? Schaut man sich die verschiedenen Webseiten im Internet zum durch, dann unterbleibt das normalerweise. Man gibt man zum Beispiel an, daß sich die "Stadt" auf "496 m ü. NN" befinde, daß sie die Postleitzahl 73447 habe, "in und über den Tälern des Kochers und des hier in ihn mündenden Langertsbaches" liege, "zwischen Albuch im Westen und Norden und Härtsfeld im Osten" usw. Die älteste urkundliche Erwähnung stamme aus dem Jahre 1335. Dann steht da auch, daß es eine "Stadt" Oberkochen nach den amtlichen Vorschriften eigentlich gar nicht geben konnte, denn da waren mindestens 10.000 Einwohner vorgeschrieben. Von 3.000 war man bis 1961 auf 8.000 gewachsen, aber das lag halt immer noch unter der Grenze. Auf Geheiß der "amerikanischen Besatzungsmacht" hatte man den Konzern Carl Zeiss dort angesiedelt, und auf Prognosen, daß sie deshalb die 10.000er-Grenze übersteigen würde, baute dann die Stadterhebung auf. Nachtrag: Die Einwohnerzahl ist wieder unter 8.000 gefallen.

Die Höhlenforscher haben die systematische Erfassung der Höhlen- und Karsterscheinungen der Schwäbischen Alb auf Kartenblättern aufgebaut. Im Falle von Oberkochen trägt die Gegend die Nummer 7226, legt man den Maßstab 1: 25.000 zugrunde. Es gibt inzwischen mehrere Veröffentlichungen darüber. Von den mehr als 50 erfaßten Höhlen sind die Mehrzahl Kleinhöhlen, also unter 50 m lang.

Eine davon liegt wohl oberhalb des neuen Betriebsgeländes der Zeiss-Werke und heißt Griebigensteinhöhle. In der Frühzeit des Internets gab eines Seite von Martin Freudenmann über Höhlen auf der Ostalb. Auf ihr war eine Wegbeschreibung und ein Bild vom Höhleneingang zu sehen. Mit ihr machten wir uns im Mai 2013 auf, sie auch einmal anzuschauen. Immerhin soll sie 52 m lang sein. Eine Sage erzählt davon, daß von ihr ein geheimer Gang zu der nahen Burg auf dem "Pulverberg" geführt habe. Die Ortsbevölkerung muß sich immer wieder dorthin geflüchtet haben, u.a. 1848 aus Furcht vor den Franzosen, die "ihr Hab und Gut" dorthin gebracht hätten. Wir suchten jedenfalls, ausgerüstet mit einem Kartenausdruck, die Höhle und - fanden sie nicht. Wir liefen und liefen und liefen, aber nirgends war z.B. der "Jägerstand" noch zu sehen, von wo es angeblich nicht mehr weit zum Höhleneingang sein sollte. Auf dem Rückweg befragten wir dann ein paar Einheimische, die vor vielen Jahren schon einmal dort gewesen waren. Sie wiesen uns ganz wo anders viel, viel tiefer, als wo wir gesuchten hatten. Es bleibt spannend.

 
     
 
     
   
     
 
     
 
     
 
     
 

Die bedeutendste Karsterscheinung ist sicherlich die "Schwarze" Kocherquelle. Sie liegt südlich des Ortes und ist gut durch einen Parkplatz und einen kurzen Wanderweg erschlossen. Die durchschnittliche Schüttung beträgt 680l/Sek. Minimal sind es 50 l/Sek., maximal 4.000 l/Sek. Sie entspringt aus dem Hangschutt und den "Bankkalken des Weißjura Beta".

2014

Im Frühjahr 2013 geriet diese Quelle auf einmal in den Fokus der Lokalpresse. Es wurden Informationen veröffentlicht, daß Höhlenforscher versuchen würden, eventuell vorhandene Hohlräume hinter der Quelle aufzuschließen. Ganz aussichtslos erscheint dieses Unterfangen nicht zu sein, weil geologische Überlegungen dazu wirklich Anlaß geben. Wir dürfen gespannt sein.

Eine weitere wichtige Höhlen im Umkreis von Oberkochen ist das Wollenloch, eine Schachthöhle, "tief und unheimlich" (Birlinger), die bis auf -54 m hinabreicht. Sie ist 4,5 km von Oberkochen entfernt im Wollenberg gegen das Tiefe Tal. Hinweise auf die Höhle gibt es (2014) im Gelände kaum (außer einem verwitterndern Holzschild kurz vor der Höhle haben nichts gesehen). In allen Karten ist sie eingetragen, viele Webseiten enthalten gar die Koordinaten und ein Geocache liegt auch irgendwo herum.

Ursprünglich hieß der Berg nicht Wollenberg, wobei die Wolle erst namensgebend wurde, als die Schafzucht wichtiger wurde und im Gebüsch die Schafwolle hängengeblieben war. Ursprünglich hieß er "Hoalaberg", was zeigt, daß den Höhlen dort größeres Gewicht zukam.

Mangels eigenem Augenschein wurde das Unheimliche, das von solchen scheinbar bodenlosen Löchern ausging, mythisch gefaßt und Geschichten und Sagen davon erzählt. Bei Birlinger heißt so: "In der Gegend von Königsbronn und Unterkochen soll ein Kessel sein, angefüllt mit Wasser, das "Wollenloch" geheißen. Wenn man da etwas hineinwirft, so kommt es weit davon zu einem Quellloch (modernste Rechtschreibung! Lange Jahre hindurch ließ man dieses dritte "l" heraus, ehe es wieder eingeführt wurde) wieder heraus. So fand einmal ein Mädchen im Wollenloch den Tod; sein Pantoffel kam bald zu jener Öffnung heraus." - Ein interessanter Text, der einige Fragen aufwirft. "So"? Warum hielt sie sich beim Wollenloch auf? War sie alleine? Beging sie Selbstmord? Wurde sie gewaltsam hinabgestoßen? Wenn ja, von wem? Wer sie sofort tot? Wurde sie geborgen? Die selbe Geschichte, ein wenig anders erzählt, nimmt Bezug auf einen "Schäfer am Wollenberg". Der habe seine Frau im Streit erschlagen und in den Schacht geworfen. Die Pantoffeln fand man in der Ziegelbachquelle wieder. Als man die Verbindung zwischen Quelle und Schacht mit Tierblut und Spreu nachgewiesen hätte, sei der Schäfer geflüchtet.

Wann der erste Mensch in den 17 m weiten Eingangstrichter  und den daran sich anschließenden tiefen Schacht hinabgestiegen ist, ist nicht überliefert. In einer der ersten Überlieferungen bei SCHÜBLER 1824 heißt es: "Das Wollenloch ist schwer zugänglich, indem man sich an Seilen hinablassen muß, es soll schönen stänglichen Kalkspat enthalten." In einer Oberamtsbeschreibung von 1854 ist ein Rost aus Ästen, Holz und Steinen erwähnt, der das Befahren unmöglich machen sollte. Die erste dokumentierte Befahrung geschah am 25. Juni 1898, wobei der Rost in 15 Tiefe hing und ganz zum Absturz gebracht wurde, wobei, so der Originaltext", "den nun im Loch frei Hängenden für einen Moment Hören und Sehen verging". Einen Monat später besuchte E. Fraas die Höhle und erstellte ein schriftliches Gutachten mit Planskizze. So ein großer offener Schacht im Gelände scheint die Leute immer beunruhigt haben und es wurde dauernd versucht, ihn unzugänglich zu machen. Als 1930 Schreiber die Höhle befuhr, mußte er erst volle 3 Stunden hart arbeiten, um ein etwa 1 Quadratmeter großes Loch freizubekommen, durch das er absteigen konnte. Seine Meßschnur zeigte am Ende eine Tiefe von 53,5 m.

Ab 1949 formierte sich der Wollenlochclub, der WCO, "ein Verein von Idealisten", die diesen "Erdsog" (?) erforschen wollten. Ein Josef Paul Fischer war der Leiter einer kleinen Gruppe von Leuten, die "mit bescheidenen Mitteln aus Spenden und der eigenen Tasche" die Arbeit voranbringen wollten. Man hatte am Schachteingang eine kleine Bauhütte errichtet, die als Unterkunft und Geräteschuppen diente. Man ließ auch Touristen in einem Korb an die Tiefe und holte sie natürlich auch wieder herauf. Am 23. Oktober 1949 passierte aber ein tödlicher Unfall im Schacht, was zu der Devise führte, daß nun "Sicherheit am Wollenloch" die oberste Devise wurde .1953 schloß man sich der Touristenverein "Die Naturfreunde" an, um weitere Ressourcen zu erschließen. Eine neue Hütte wurde aufgestellt. An jedem Wochenende wurde gearbeitet, aber ein großer Erfolg stellte sich nicht ein. 1954 stellte man schließlich die Arbeiten ein. Heute übt allenfalls das THW noch an einigen Tagen im Jahr die Techniken der Schachtbefahrung dort.

Heute umschließt ein hoher Zaun das Gelände. Innerhalb des Zauns liegt das betonierte Fundament der Seilwinde, mit deren Hilfe man früher die Leute hinunterließt und wieder heraufholte. Außerhalb des Zauns liegt das Fundament der ehemaligen Hütte, die es längst schon nicht mehr gibt. Auf einem Schild wird der Besucher über die Tiefe falsch informiert, denn da steht 80 m als Tiefenangabe. Außerdem gibt es noch eine rustikale hölzerne Sitzbank. Ob sich jemals wieder jemand findet, der mit solcher Verve wie in der Vergangenheit nach den Geheimnissen in der Tiefe des Wollenlochs suchen wird? Da kommt was, bloß ob es uns Menschen jemals erreichbar sein wird?

Das "Tiefe Tal", 2014
     
   
     
   
 
   
   
     
Im Schacht - aufgenommen am 14. September 1980 anläßlich der Verbandstagung in Oberkochen

im Schacht Jürgen Becker und Klaus Cramer

In der Umgebung liegt noch ein weiterer kleiner Schacht, das "Kleine Wollenloch". Es ist nicht zu übersehen, da ein hoher Zaun außen herum führt und ein großes Naturschutzschild den Ort markiert. Weit geht es nicht hinunter. Ein paar Meter, dann steht man auf dem Grund des Schachts. Natürlich war man schon unten und hat eine Menge Knochen gefunden von Tieren, unter anderem von einem Pferd.

 

Literatur:

Arbeitsgemeinschaft Berg Stuttgart, Höhlen- und Heimatverein Laichingen, Höhlenforschungsgruppe Kirchheim & Höhleninteressengemeinschaft Oberkochen Die Höhlen des Kartenblattes 1:25 000 7226 Oberkochen (Ostalb), Laichinger Höhlenfreund 15 (2), Laichingen 1980
Binder, Hans Höhlenführer Schwäbische Alb, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart und Aalen 1977
Birlinger, Anton Volksthümliches aus Schwaben, Freiburg 1861
Huth, T., Junker, B. Geotouristische Karte Nationaler GeoPark Schwäbische Alb und Umgebung Erläuterungen, Freiburg i.B. 2003
Jantschke, Herbert Einige Höhlen im Kartenblatt 7226 Oberkochen, Mitteilungsheft der Höhlenforschungsgruppe Blaustein, Jg. 4 Nr. 1, Tuttlingen, 1981

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