Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Burghöhle inDietfurt, Schwäbische Alb, D


6 km westlich von Sigmaringen im Donautal sieht man beim Ort Dietfurt" einen Burgturm auf einem Kalkklotz thronen. In ihm ist eine kurze, aber höchst bemerkenswerte Höhle, die "Burghöhle Dietfurt" mit der Katasternummer 7920/49. Die nüchternen Angaben aus dem Höhlenplan von Ralph Müller vom Mai 1975 dazu sind: Höhe des Eingangs 600 m, Gesamtlänge 110 m, Koordinaten R 10 460 H 26 690, Gestein Tithon it L, Vermessung durch die Arbeitsgemeinschaft Höhle und Karst Stuttgart, und weitere Angaben.

Die Höhle ist ausgezeichnetes Beispiel dafür, daß eine "Höhle" mindestens ein "Geotop", die "Biotop" und ein, bislang noch wenig so bezeichnetes, "Psychotop" ist.

Wighart von Koenigswald hat eine sehr gute Beschreibung der Höhle als "Geotop" veröffentlicht: "Zur geologischen Situation der Burghöhle Dietfurt bei Sigmaringen". In einem "Härtling", der einen letzten Überrest eines "Schwammriffstotzens" aus der Jurazeit darstellt, ist diese Höhle noch übrig geblieben. Sie ist nur ein letzter Rest eines einst sicherlich viel größeren Höhlensystems, das es hier einmal gegeben hat. "Diese Höhle wurde augenscheinlich von fließendem Wasser entlang einer Kluft ausgewaschen." (Koenigswald, S. 35). Die Verkarstung setzte hier bereits in der Kreidezeit ein, setzte sich im Tertiär fort, und stoppte im Miozän, als die Höhle vom Molassemeer geflutet wurde. Solche Phasen gab es später immer wieder in den Eiszeiten, mal lag sie über, mal unter dem Wasserspiegel. Dann lagerten sich neue Sedimente ab, dann wurden sie wieder ausgeräumt. Eine 6 m hohes Sedimentprofil in einem Seitengang der Höhle spiegelt die höchst wechselvolle geologische Entwicklungsgeschichte der Höhle. Mit dem klaren Auge des Fachmanns erkennt er auch, daß wir bislang nur einen kleinen Teil der gesamten Höhle kennen, denn "man befindet sich unter der Decke einer sedimentverfüllten, wesentlich größeren Halle", der Gesamtausmaße wir noch nicht abschätzen könnten. "Aber gerade diese Verfüllung macht den wissenschaftlichen Wert der Burghöhle aus."

Da die Höhle auch ein "Biotop" ist, das ist im Augenblick entscheidend für ihre Zugänglichkeit. Durch die staatlich verfügten Beschränkungen des Höhlenzugangs während der Winterzeit zum Schutz der Fledermäuse, die es auch in dieser Höhle gibt, ist einfach die Hälfte des Jahres kein legaler Zugang möglich.

Besonders spannend ist ihre Eigenschaft als "Psychotop". Inzwischen weiß man ja durch die Ausgrabungen, daß die Menschen wohl seit Anbeginn dort gesiedelt haben. Es ist ja keineswegs alles schon ausgegraben, so daß die Aussage, daß schon der Mensch des Magalénien und Spätpaläolithikums und Mesozoikums dort schon gelebt hat, allenfalls als momentaner Kenntnisstand gelten kann. Mit einem Felsdach über dem Kopf läßt sich so mancher Regenschauer von sich abhalten, schafft man es vielleicht besser durch den Winter zu kommen oder man hat im Sommer Schatten, um der Hitze zu trotzen. Damit hat man einen Raum, in dem man sich eher wohlfühlen kann, unter harten Bedingungen als draußen. Allerdings ist der Daueraufenthalt in einer Höhle in unsern Breiten wohl nie sehr angenehm gewesen, verglichen mit unseren Lebensverhältnissen. In einer Fundschicht, die dem Azilien zugeordnet wird, fand man den Rest eines Menschenschädels mit mehreren Schnittspuren. Sie wurden als Spuren einer Skalpierung gedeutet.

Auch in den Perioden nach der Steinzeit wurde die Höhle immer wieder aufgesucht, was die Funde des Neolithikums, der Bronzezeit, der Urnenfelderkultur, der Hallstatt- und Latènezeit sowie der Römerzeit beweisen. In den mesolithischen Schichten fand man 40 fossile Schnecken, die aus Gegenden stammen, die 100 bzw. 200 km entfernt sind, und deren Auftauchen hier man mit einem Begräbniskult in Zusammenhang bringt. Das Skelett dazu hat man allerdings nicht gefunden. Aus einer viel späteren Zeit, der der Urnenfelderkultur, hat man ein mit Steinplatten abgedecktes Grab eines Jünglings ausgegraben. Aus dieser Zeitperiode stammt auch ein Kreisornament im Bereich einer ehemaligen Feuerstelle, das wohl unter Zuhilfenahme eines Zirkel geschaffen worden war. Es wurde inzwischen in einer aufwendigen Auktion aus der Höhle entfernt und lagert im Archäologischen Landesmuseum in Stuttgart.

Eine Höhlensage dreht sich um einen legendären Schatz, der in Höhle verborgen sein soll. Wie es heißt, hat nach dem 2. Weltkrieg ein französischer "Höhlenforscher" nach dem Schatz gegraben und nach dem sagenhaften "Goldenen Kegelspiegel" gesucht. Zurück blieb eine große Grube, 1m breit, 4 m lang und 5 m tief. Vermutlich hat er es nicht gefunden. Mitglieder der Bergwacht Sigmaringen fanden 1970 in der Grube später Scherben, die sie an die staatlichen Stellen weiterleiteten. Die leiteten eine "Notbergung" der Höhlenfundstelle ein und es erfolgten nun erstmals ernsthafte wissenschaftliche Grabungen durch das Staatl. Amt für Denkmalpflege, die bis 1988 dauerten. Dann wurde sie wieder eingestellt, weil die deutsche Einigung eine Prioritätenverschiebung in der Dringlichkeit mit sich brachte.

Man hat zwar auch Funde aus dem Mittelalter gemacht, aber welche Bedeutung sie im Rahmen der Burganlage wirklich hatte, das läßt sich nicht mehr ausmachen. Keller, Lagerraum, Kerker, letzte Fluchtmöglichkeit - vieles ist denkbar.

Anthropospeläologisch herausragend ist die Zeit ab 1929 bis ca. 1939. 1929 wurde unterhalb der Burg und damit auch der Höhle ein Holzbau von den Mitgliedern des "Neutemplerordens" für ihre Treffen errichtet. Spiritus rector war ein Mann, der als Joseph Adolph Lanz das Licht der Welt erblickt hatte, aber im Laufe seiner höchst sprunghaften Lebensgeschichte auf einmal "Joseph Lanz von Liebenfels" geworden war, zum selbst ernannten Adeligen. In seinen "OSTARA"-Heften, die für Adolf Hitler eine wichtige Lektüre waren, in der Zeit als er seine Grundüberzeugungen gewann (man höre nur die wunderbare Wiedergabe der entsprechenden Passagen aus MEIN KAMPF durch Helmut Qualtinger an!), da vertrat er stark antisemitische, rassistische und frauenfeindliche Überzeugungen. Als Hitler an die Macht kam, da wurden sie sofort verboten.
Von Österreich ausgehend verbreitete sich dieser Männerbund, dessen einzige süddeutsche Niederlassung, das "Erzpriorat Staufen", in Dietfurt war. Wer mehr über die komplexen Verhältnisse und die vielen Auffädelungen erfahren möchte, der kann das: Walther Paape bietet Führungen unter walther.paape@t-online beim Stichwort "Führung Dietfurt" an. Man bekommt dann einen Termin und kam dann in der inzwischen zur Unterkunft der Bergwacht Sigmaringen umgebauten Holzhütte einem Vortrag darüber beiwohnen. Anschließend wandert man dann den steilen Burgberg hoch, das Tor in der künstlichen Steinmauer öffnet sich, man kann hinein in die Höhle. Mittendrin ist dann der zentrale Kultraum.

Was sich hier wohl alles abgespielt hat? Was wurde hier alles getan, gesprochen, gesungen? Ja, gesungen. Der Müller von der Mühle an der Donau, Herr Diesch, erinnerte sich später, auf Nachfrage, noch an die Versammlungen. Man sei meistens an Ostern und Pfingsten in die Höhle gezogen. "Beim Eintreffen des "Reichsgrafen" wurde auf dem Bergfried eine Fahne gehißt. Um die "Festlichkeiten" musikalisch zu untermalen, habe man ein Harmonium in die Höhle getragen. Zentral im Kultraum ist der Leuchter, der heute wieder in einem Nachbau an der Decke hängt. Darunter ist ein rekonstruiertes Gestell aus Gestein. Eine Steinplatte, heute zerbrochen, liegt da am Boden. Eine Art "Altar" ist auch da, in der Deckplatte mit einer schalenförmigen Vertiefung.

Angeblich haben sich da richtige "Messen" abgespielt. Nach welcher Liturgie? Hat man da unchristliches Christentum gespielt? Oder was? Es gibt von Lanz ein Buch, das seine "Liturgie" enthält. Muß man alles lesen, was mal geschrieben wurde? Was für eine Art von "Geheimlehre" soll es denn enthalten, die die Menschen, die sie hören, wohl über alle anderen, die nicht davon hören, höher heben soll? Daran muß man erst einmal glauben - und damit sind wir mitten im ewigen Gezänk der "Religionen", die doch angeblich den an den "richtigen Glauben" glaubenden ewige Vorteile versprechen.

Wer glaubt, daß das alles nur noch Vergangenheit ist, der soll einmal auf der Webseite "Deutsche Kirche" nachschauen. Da wird noch heute für die Ariosophie geworben und ein Satz wie der folgende verbreitet:

"Ihr seid des Grales Streiter,
die Tilger niedrer Brut,
und Fraujas Wegbereiter,
des Tempels treue Hut!"

Man berichtet außerdem vom Bau eines neuen Tempelraums 2011 irgendwo anders in Deutschland, wieder unter der Erde in einem Gewölbekeller.

 

 

 

Literatur:

Albers, Wolfgang Auf der Suche nach dem Heiligen Gral, FAZ Nr. 39, 15. Februar 2018, Seite R6
Daim, Wilfried Der Mann, der Hitler die Ideen gab, Böhlau-Verlag, 2. erweiterte Auflage, Graz-Wien 1985
Gietz, Franz Josef Spätes Jungpaläolithikum und Mesolithikum in der Burghöhle Dietfurt an der oberen Donau (= Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg; 60). Konrad Theiss-Verlag, Stuttgart 2001
Müller, Ralph Zur Lage, Beschreibung und Geschichte der Burghöhle, Seite 33
Mund, Rudolph Jörg Lanz von Liebenfels und der neue Templerorden, Spieth Verlag
Paape, Walther Drum haben wir ein Tempelhaus gegründet. Der Neutemplerorden des Lanz von Liebenfels und sein Erzpriorat Staufen in Dietfurt bei Sigmaringen, Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2007
Paape, Walther Im Wahn des Auserwähltseins, Gmeiner Verlag, Meßkirch
von Koenigswald, Wighart Zur geologischen Situation der Burghöhle Dietfurt bei Sigmaringen, Seite 35

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