Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Grotte de Méailles, Alpes-de-Haute-Provence, F
Im Jahre 1634 begegnete Nicolas Claude Fabri de
Peiresc beim Dorf Peyresq in den französischen Alpen einem Arzt
namens Malian. Er ist auf der Suche nach einer Höhle im Hang des
Grand Coyer, aus der häufig kalte Luft streichen soll. Sobald
die Sonne untergehe, beginne der Luftstrom und höre bei
Sonnenaufgang wieder auf. Was ist die Ursache für diese
Erscheinung? Wo liegt die Quelle für diese Bewegung? In so
manchen anderen Höhlen in der Region hatte man auch schon dieses
Phänomen beobachtet: im Trou du Vent (Brantes, Vaucluse), im
Trou de Ponthias (Nyoms, Drôme), l'abîme de Cruis
(Alpes-de-Haute-Provence). Auch ein Dichter hatte sich schon dem
Thema gewidmet, Joachim du Bellay (1549-1553).
Wo liegt diese Höhle? Jean-Yves Bigot hatte sich auf die Suche
gemacht, aber nichts anderes als ein Loch von maximal 20 m Länge
gefunden, das Schafen als Unterstand diente. Könnte es sein,
daß die gesuchte Höhle nicht in der Nähe des Dorfes liegt,
sondern auf der anderen Seite des Vallée de la Vaire, auf
gleicher Höhe, in den gleichen geologischen Strukturen? Dann
wäre es die "Grotte du Cul de Boeuf" (auf deutsch,
etwas uncharmant: Rinderarschloch). Die erste schriftliche
Erwähnung von ihr stammt aus dem Jahre 1835, aber wie Funde aus
der Höhlenumgebung zeigen, war sie bereits in der Steinzeit den
Menschen bekannt.
Heute wird sie auch mit dem Namen "Grotte de Méailles"
bezeichnet und ist über das gleichnamige Dorf gut erreichbar. Es
gilt aber erst einmal das Dorf zu erreichen, das hoch über dem
Tal hart an der Abbruchkante thront. Eine sehr kurvige einspurige
Straße führt von der Hauptstraße von Annot zum Col de la Colle
St. Michel erst in den Talgrund, quert eine Eisenbahnlinie und
dann steil nach oben. Hier möchte ich keinen Gegenverkehr
erleben! Keine Ausweichmöglichkeiten auf langer Strecke. Man
muß den Ort durchqueren, wobei man aufpassen sollte! Mitten im
Ort ist ein großes altes Gebäude, vielleicht war das mal das
Rathaus. Links und rechts vom Eingang wittern da zwei ansehnliche
Stalagmiten vor sich hin. Das schmale Sträßlein führt weiter
an der Oberseite der Felswände entlang. Dann steht da ein
richtiges Markierungsschild mit "Grotte de Méailles"
drauf und dort muß man sein Gefährt zurücklassen. Nun geht es
gut 2,5 km zu Fuß durch die aussichtsreiche Landschaft voller
Kleingehölz. Steinmännchen weisen meist den Weg oder
Farbmarkierungen. Schließlich ist die Oberseite der Kalkplatte
erreicht, auf der man bestimmt 200 Höhenmeter allmählich empor
gestiegen ist. Ein Steiglein führt auf der anderen Seite durch
die Felswände und dann geht es entlang des Wandfußes auf einem
Weg weiter. Auch wenn es weit ist und einen der Mut, ob man
wirklich auf dem richtigen Pfad ist, leicht verlassen könnte, es
gilt Durchhaltswillen und Kondition zu haben. Felsdächer tauchen
auf und an der Innenseite eines davon tun sich tatsächlich die
Eingänge in die Höhle auf.
Einen Schlaz muß man nicht
mitnehmen, weil die Räume groß genug sind, daß man immer
aufrecht vorwärts kommt. Es geht ständig abwärts bis auf - 106
m (Gesamthöhenunterschied 131m). Ganz unten gibt es ein
Wasserbecken, den "lac des Fées". Die 650 m lange
Höhle ist an der Kontaktgrenze zweier Kalkarten (Calcaire
Lutétien - Marno-calcaires du Crétace) ausgebildet, die
gleichmäßig nach Süden einfallen. Wegen ihrer Bekanntheit wird
sie wohl oft aufgesucht und der Sinterschmuck sieht entsprechend
aus. Was aber zu groß und nur schwer erreichbar ist, das kann
noch bewundert werden.
Bei AUDRA gibt es bezüglich der Geologie eine ganz andere Erklärung für die
Geologie: Es handle sich um eine der wenigen Höhlen Frankreichs, die an der
Kontaktzone von Konglomeratgestein und Mergel ausgebildet sei! (AUDRA S. 85)
In der Nähe von Méailles gibt es noch mehr
Höhlen, u.a. die grotte du Trou de Madame, 350 m lang, und den trou
Miette mit 250 m.
Der Trou de Madame ist eine der wenigen Höhlen Frankreichs, der an der
Kontaktzone Konglomerat/Mergel ausgebildet ist.
Literatur:
Audra, Philippe | LES CAVITÈS PARAKASTIQUES DES GRÈS ET DES CONGLOMERÈRATS, in: Audra, Philippe, responable d'èdition (2010): Grottes & Karsts de France, KARSTOLOGIA 19 |
Bigot, Jean-Yves | Quelques énigmes des Alpes du Sud, Spelunca 97, S. 16ff. |
Courbon, Paul | Atlas des Gouffres de Provence et des Alpes de Lumière, 1975 und 1980 |
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