Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen im Massif von Parmelan, F


Wer in der bekannten Reiseführerserie "Der Grüne Reiseführer", hinter der MICHELIN steht, den Band "Französische Alpen" in die Hand nimmt und darin das Stichwort "Parmelan" sucht, der wird enttäuscht werden. Es findet sich nicht darin. Offenbar haben die Verfasser des Buches dieses Massiv nördlich des Lac d'Annecy nicht für so bedeutsam gehalten, daß man es in das Buch aufnehmen wollte.

E.A. Martel, der Vater der französischen Speläologie schrieb dagegen in seinem Klassiker "La France Ignorée", der schon 1902 geschrieben wurde, allerdings bis 1930 auf seine Veröffentlichung warten mußte: "Der Parmelan ist nicht nur eines der schönsten Karrenfelder mit wunderbarer Aussicht auf den Mont Blanc, er bildet auch ein gewaltiges, vollständiges unterirdisches Rätsel." Er war nicht der erste Mensch, dem Höhlen auf dem Plateau bekannt waren. Mindestens seit dem 19. Jahrhundert wurde das Eis auch einigen Höhlen herausgeholt und von den Gastronomen im Tal zur Kühlung und zur Herstellung bestimmter Produkte bezogen.

Der Parmelan ist jetzt schon viel mehr enträtselt, aber "rätselfrei" wird er wohl nie werden. Er gehört zu zum Voralpenmassiv der Bornes nordöstlich von Annecy und ungefähr 35 km südlich von Genf im Departement Haute-Savoie. Das bis hinauf zum 1.856 m hohen Tete de Parmelan reichende Kalkmassiv umfaßt eine Fläche von ca. 20 qkm zwischen den Tälern des Filière und des Fier. Zwei große Kalkschichten lagern aufeinander, eine 300 m dicke Schicht aus dem Urgonien auf einer Lage Hauterivien. Diese Schichten sind verformt zu drei sog. Synklinalen, in denen sich die Oberflächenwässer in der Tiefe wie in Dachrinnen sammeln und später bei den großen Karstquellen wieder austreten. Unter der etwa 6 auf 6 km messenen Oberfläche hat man inzwischen zwei ganz große Systeme erforscht, den Réseau de la Diau und das système du Bunant, und weitere kilometerlange Höhlen erforscht. Ein richtiger französischer Höhlenkäse ist da.

"La Diau" heißt in der Ortssprache einfach "Quelle" und deutet darauf, daß die Eingangsumgebung immer schon bekannt gewesen ist, liegt sie doch am Aufstiegsweg zum Pertuis. Martel hat die Höhle zwar in seinem Werk erwähnt, aber ein Hochwasser hat ihn offenbar an einer Befahrung gehindert. 1932 begann Robert de Joly mit der Erforschung und dringt bis zu einem Siphon vor, der seinen Namen nun trägt. Die Forscher schaffen es immer tiefer vorzudringen, schließlich schaffen es erstmals 1976 Forscher der SGCAF eine Verbindung mit einer Schachthöhle, der Tanne Du Bel Espoir auf dem Plateau herzustellen. Damit ein Durchgang von rund 4 km Länge und einem Höhenunterschied von 613 m möglich. Inzwischen wurden weitere Verbindungen mit anderen Schachthöhlen gefunden, der Tanne des Trois Betas, der tanne du Tordu und der tanne des Météores und so weiter. Im Jahre 2010 wurde die Gesamtganglänge mit über 45 km und einem Gesamthöhenunterschied von 720 m angegeben. Gleich daneben liegt das nächste System, das von Bunant. Noch gibt es keine befahrbare Verbindung mit der Diau, aber wer vermöchte nicht zu sagen, ob sie nicht doch existiert? 19 Eingänge gibt es inzwischen (2010), eine Gesamtganglänge hat die Höhle von 40 km und einen Gesamthöhenunterschied von 350 m.

Obwohl das Parmelanmassiv nach drei Seiten ziemlich abweisend durch seine lotrechten Felswände aussieht, ist es ganz leicht, den Gipfel und das gleich daneben liegende "Refuge du Parmelan" zu erreichen. Der einfachste Weg führt eine Forststraße zu einem Fleck namens l'Anglettaz. Von dort geht es auf einem gut gepflegten felsigen Weg in gut einer Stunde durch eine faszinierende Karstlandschaft und man braucht nicht einmal 400 Höhenmeter zurücklegen. Von Villaz führt ebenfalls eine Forststraße an der Nordseite hinauf bis zu einem Parkplatz. Von dort sind es dann auf einem mit einem gelben Pfeil gekennzeichneten Weg hinauf auf das Plateau. Wer dem kurzen steilen Pfad über le grand montoir folgen will, für den sind es weniger als 2 Stunden, aber es gibt auch einen weniger ausgesetzten Weg über le petit montoir, der ein wenig länger dauert. Ein dritter Weg, für den 3 Stunden einzurechnen sind, und der einen Höheunterschied von 800 m aufweist, der beginnt bei Le Blonnère.

Man macht eigens Werbung dafür, doch auf der Hütte zu übernachten, was sicherlich ein großartiges Erlebnis sein kann, weil es ideale Bedingungen für das Erleben von Sonnenunter und -aufgängen dort gibt. Ansonsten ist eine Besteigung des Parmelan eine leichte Tagestour.

   
   
 

Diau

Am 24. Mai 1980 in einem Cafe unterhalb des Parmelanmassivs


Panoramaphoto Bernd Kliebhan


Literatur:

Michaux, Alphone, Niedner, Francis Traversee de la Diau (Haute Savoie) Tanne des Trois Betas - la Diau, REGARDS 5-1989, p 15ff.
Lalou, Jean-Claude LE RESEAU SOUTERRAIN DE LA RIVIERE DE BUNANT; MASSIF DU PARMELAN; HAUTE-SAVOIE; Actes du 7è Congres national de Speleologie, SSS Schwyz, 24-26 septembre 1982, S. 345ff.
Beerli, P. Traversée Tanne Bel Espoir - Diau, Le Trou Nr. 45
Masson, Michel Le karst du Parmelan: relations fracturation-karstification, Karstologia 5-1985, S. 3
Sommer, U., Rouiller, Ph. La Diau, Reflektor S. 5ff.
Michelin Der Grüne Reiseführer FRANZÖSISCHE ALPEN, 1. Auflage 2006
Masson, Guy Massif du Parmelan, Haute-Savoie - Les reseaux de la Diau et de Bunant, KARSTOLOGIA Mémoires, n° 19  2010, Responsable d'édition Philippe Audra

Links:

Tête du Parmelan (1832m)- Altituderando
Tête du Parmelan depuis l'Anglettaz (1832m)
Grotte Glacière du Parmelan | TV Mountain - La télévision de la montagne - Vidéos Alpinisme, Freeride, Escalade, Base jump...
Tête du Parmelan : Au départ de l'Anglettaz, retour par la grotte de l'Enfer :: itinéraire / topo - Camptocamp.org
La grotte de La Diau
La grotte de la Diau
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Landschaft und Höhlen in den Französischen Alpen


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