Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Ein paar Höhlen in den Baronnies, Hautes Pyrenées, F
Die Baronnies sind ein Karstgebiet im Departement
Haut-Pyrénées mit einer Gesamtoberfläche von 200 km². Es
erstreckt sich zwischen den nach der Eiszeit entstandenen Tälern
der Neste im Osten und des Ardour im Westen. Im Süden wird es
durch den Weg zum Col d'Aspin abgegrenzt. 28 Gemeinden finden
sich darin und mehr als 320 Höhlen.
Geologisch gesehen wurde das Gestein, hauptsächlich bestehend
aus Schiefern und Kalken in der Kreidezeit abgelagert und im
Tertiär aufgefaltet. Der höchste Punkt ist mit dem Signal de
Bassia mit 1.921 m erreicht. Darunter breitet sich die hügelige
Landschaft weitflächig aus.
Die tiefste Höhle ist bis zu einem Siphon in 512 m Tiefe vom Spéléo Club des Baronnies erforscht worden, 1992 war das, und heißt gouffre du Bassia oder Coume Berre.
Das größte bekannte System dürfte das von Labastide und gouffre d'Esparros sein, die entstehungsmäßig zusammengehören, zwischen denen aber noch keine Verbindung gefunden wurde. Die sind beide als Schauhöhlen erschlossen und man kann sie, wenn man Glück hat, an einem Tage sehen. Wenn man Glück hat, denn selbstverständlich ist das nicht.
In die geologische Schatzkammer von d'Esparros dürfen pro Tag nur maximal 300 Personen. Wenn dann ein paar volle Reisebusse kommen, dann ist das Kontingent schnell erreicht. Deshalb wird empfehlen, im voraus schon zu buchen. Außerdem haben die Höhlen keineswegs das ganze Jahr offen. Vom 1. Juni bis zum 30. September gilt eine tägliche Öffnung für Esparros. Außerhalb dieser Zeit ist sie sehr oft nur zu. Die grotte de Labastide war wohl für einige Zeit vollkommen zu, aber nun scheint man auch hier wieder versuchen, sie touristisch zu entwickeln.
Als wir im Juni 2010 dort waren, da haben wir einiges erlebt. Der Erstbesuch bei der Esparros war insofern erfolgreich, daß wir nach einem anfänglichen Besuch am Vormittag einen Termin für den Nachmittag bekamen, alleine wir drei waren dann zusammen mit unserem Guide unterwegs. Das waren hervorragende Bedingungen, weil wir hier unendlich viel Ruhe Stille und Unaufgeregtheit erleben durften. Schon am Ende der Führung erlebten wir, daß schon wieder eine Gruppe da war, viele, laut, Durcheinander. So ein Besuch ist ein Geschenk. Ganz einfach und ohne erst die Erlaubnis vom Bürgermeister einholen zu müssen (so heißt es noch bei Minvielle, als man die Höhle "wild" befahren konnte oder noch "mußte", durch die ganzen Engstellen), staunen können über die riesigen Hohlräume, die sich Inneren dieser sehr unscheinbar aussehenden Hügel befinden. Da müssen vollkommen andere Verhältnisse geherrscht haben, als diese Höhlen entstanden sind. Auf einmal waren sie da, die Originale, die ich vorher nur aus den publizierten Bildern kannte, die wie eine zahnausgekleidete Stelle, die wie ein offener Mund aussieht, die Aragoniten auf den Tropfsteinen - ehrlich, das war eher sehr ernüchternd. Ok, das ist sehenswert, aber wirklich "entrückend" war das alles nicht. Sorry, aber was da zu sehen ist, das gibt es an anderen Stellen unserer Erdkruste auch und noch in der Komparativform. Es ist einfach so.
Alle Besucher bekommen am Ende noch ein großes Gittertor zu
Gesicht, den Zugang zur "Aragonitgalerie". Die ist
nicht geöffnet für die normalen Besucher. Wie und wer besonders
muß man wohl sein, um dahin zu "dürfen"? Das Thema
gibt es ja an tausend anderen unterirdischen Stellen dieser Erde
auch. Personale Kleinerhöhung über alle anderen, lebende, tote
und zukünftige Erdbewohner. Liefert jemand, der dahin
"durfte", dafür auch was und für wen? Oder ist das
alles nur eitle Pose?
Leider ist auch hier das Fotographieren noch verboten. Was soll
den das Auslösen eines digitalen Fotoapparates ohne Blitz an
negativen direkten Folgen für die Höhle haben? Man nützt ja
nur das Licht, das ohnehin durch die künstlichen Lichtquellen
erzeugt wird. Aber das Fotographieren hat natürlich Folgen.
Indirekte. Menschen verbinden sich visuell mit dem, was sie
aufnehmen. Und verbreiten das am Ende auch noch....
Eine private Firma zeichnet ständig Daten aus der Höhle auf und
liefert damit die wissenschaftlichen Grundlage für eventuell
notwendige Maßnahmen, um die Höhle zu schützen. Ein Blick
darauf ist unter: http://www.geconseil.com/mesures-analyses.php
möglich.
Erwähnenswert ist einfach noch das kleine Höhlenmuseum, das im ersten Stock des Schauhöhlengebäudes. Ein Film über die Gegend und die Höhle kann gezeigt werden, sicherlich auch nützlich, um die Wartezeiten zu verkürzen. Bemerkenswert sind die Schaustücke von Norbert Casteret.
Der Name Casteret ist aufs engste mit der Geschichte dieser
Höhle verbunden. Er war 1938 in der Höhle, zusammen mit seinem
Begleiter Germain Gattet, und sie waren die ersten, die noch
tiefer in die wohl seit 1913 bekannte Schachthöhle. Jedenfalls
findet man an der Wand dieser Jahreszahl zusammen mit den Namen
"Lemerre, Esquerré" und wohl der Ortsangabe
Paris". Da paßt nicht gut zu der Geschichte, daß eines
Tages Österreicher gekommen seien und als erste in den Schacht
am Grunde einer Doline eingestiegen seien. Es gibt noch eine
zweite, romatisch klingende Version: Ein Schäfer habe ein
Lämmchen verloren, das aber von einem Holzfäller, der als
erster hinunterstieg, wieder gerettet werden. Er bemerkte dabei,
daß sich die Höhle weiter nach unten fortsetzte.
Casteret kam nach seinen Entdeckungen ganz begeistert wieder aus
dem Loch und seine ersten Worte werden überall zitiert: "On
ne décrit pas un feu d'artifice." (Man beschreibt kein
künstliches Feuer."
Während des Zweiten Weltkriegs wurden in der Höhle Geheimakten des nationalen Sprengstoffdienstes dort aufbewahrt. Am 23. Juni 1942 wurde die erste Radioreportage aus einer Höhle in Frankreich, anläßlich einer Befahrung von N. Casteret, G. Gattet und M. Loubens aufgenommen und übertragen. An einer besonderen Stelle in der Höhle wurde von Casteret die Statue der "Vierge des gouffres" aufgestellt.
Das stammt wohl aus so einer Höhle, aber ist nicht
mehr dort zu sehen. Dazu muß man zur Vauclusequelle gehen und in
das |
Persönlich viel spannender war für mich der Besuch der "Coumo". Wer zur Esparros hochfährt, der muß das gleichnamige kleine Dorf durchqueren. Und an dessen Ortsrand tritt auf einmal wieder ein kleines Wässerchen, zumindest haben wir das so erlebt, zu Tage. Vielleicht kommt ja auch hier, nach starken Regenfällen, auch mal mehr Wasser hindurch, überschwemmt dann mal alles, was "normal" ist, setzt die Grundlage der bürgerlichen Selbstzufriedenheit unter Wasser, zuerst die Keller, dann den ersten Stock, falls wir nicht mehr haben, sind wir unter dem Dachgeschoß dann eingeschlossen, oder können dann halt mit dem Kanu aus dem 1. Stock aussteigen.
Das sind halt gedankliche Ausblühungen von mir, wenn man mal
tatsächlich wieder ein "freies" Loch in der Erde
tatsächlich wieder erleben kann. Ein paar Meter neben der
Straße. Eine dunkle Öffnung. Ich parke irgendwie am
Straßenrand, gehe über die Wiese, schau hinein. Wasser am
Grunde überall. Ich geh zurück, öffne die Dachbox, hole
endlich mal die Gummistiefel hervor, zieh sie an und latsche
wieder über das Gras. Hinterher sind wir immer alle gescheiter.
Ich bin zwar trockenen Fußes über das schmale Rinnsal gekommen,
aber wirklich tiefer in die Erdöffnung kam ich auch nicht. Etwas
mehr Leidenswille wäre da schon nötig gewesen. Einmal richtig
nass werden, eintauchen bis zur Schulter und vielleicht auch noch
tiefer ins Wasser, das unterhalb der großen Höhlenöffnung von
Labastide, ein paar Kilometer entfernt, deren Betreten ziemlich
unmöglich gemacht ist, z.B. wie soll ein
Hartz-IV-"Empfänger" da jemals hinein kommen? Mit
seinem/unseren "Einkommen"? - weil auch da, leider, so
ein Lust-Erlebnis-Verdienstpark aufgemacht worden ist, was soll
man tun, wenn man einfach kein Geld hat?, einfach über den Zaun,
das gespannte Seil steigen? Dann könnte man ja auch das sehen,
was uns Menschen natürlicherweise zugänglich wäre? Ohne all
den Schnickschnack, der da dazu geboten wird! Ohne pädagogischen
Touch, ohne Eventcharakter. Einfach so. Ich gehe hin und schau
mir an, was "Mother Earth" zeigt. Dazu brauche ich
eigentlich kein Geld! Zwei gesunde Füße und Augen und Ohren.
Aber das wird uns allen schwer gemacht, vergällt oft, durch den,
ich mag es nicht mehr so nennen, "Fortschritt". Hegel
wird oft als Urheber dieses Begriffes genannt. Wenn das einfach
als "Aufwärts" oder "Besser" gedacht wird,
dann war das unverantwortlich "naiv".
Auch hier zeigt sich die "Vergänglichkeit" von allem.
Und auch das Neuwerden. In der Grotte von Gargas wird allen
Besuchern das Abfotographieren der Hände heute verboten. Hier
könnten alle Hände fotographieren, die ungefähr heute gemacht
worden sind. Das machen wohl nur wenige. Aber wenn man mal in,
sagen wir mal 1.000.000 Jahren zurück schauen könnten, wie
groß wäre der Unterschied? "Lohnt" sich das Verbot,
das heute, uns heute lebenden Menschen, gegenüber
ausgesprochene, in irgendeiner Weise? Lauter Fragen, deren
Antworten, wir uns innerlich ja schon selber geben. Nein. Wir
müssen nur all die Antworten anschauen, die die sogenannten
"Wissenschaftler" erarbeitet haben. Die besten sind die
bescheidendsten.
Bei der Höhle Labastide darf man auf einem Weglein gerade in den riesigen Höhleneingang gehn, dann versperrt eine hölzerne Barriere den Weiterweg. Man sieht ein Bächlein darin verschwinden und darf ihm nicht mehr weiter folgen. Dies haben schon die Steinzeitmenschen getan und haben ihre Spuren hinterlassen in der grotte des Cheveaux. 1932 hat dann Norbert Casteret die Gravierungen und ein Gemälde entdeckt, die Darstellung eines Pferdes, die als ein Hauptwerk des Magdalenien gilt. Etwas seitlich liegt die geräumige grotte Blanche. Die Führerin erzählte uns, daß man sie früher zu Heilzwecken verwendet hatte und die Leute dazu erst etwas schwierig hineinsteigen mußten. Heute ist sie mit einer attraktiven verrosteten Stahlplattentür verschlossen. Wird einem geöffnet, dann gelangt man in einer großen tropfsteingeschmückten Saal mit Besuchertribüne. Man nimmt darauf Platz, bekommt warme Decken und wohnt dann einem Spektakel bei. Unter Einsatz modernster Medientechnik bekommt man die Höhle und ihre Geschichte erzählt. Eine gelungene Schau!
Im Departemente Hautes-Pyrénées gibt es zwei Höhlenburgen. Eine liegt bei Troubat, die andere in einer Felsbastion bei Lortet. Schon von weitem sieht man eine schwarze Öffnung darin, die teilweise vermauert ist. Der Weg hinauf ist ein wenig mühsam und am Ende ist sogar ein Schild, daß der Zugang verboten sei: aus Sicherheitsgründen. Wenn man das ernst nähme, dann müßte man ja sofort die halbe Welt zu sperren und deren Betreten verbieten. Wie gefährlich ist es nicht z.B. auf unseren Straßen! Andauernd fahren da Autos in einander, kracht es an den Kreuzungen, überfahren LKWs Fußgänger und was sonst noch. Brücken stürzen zusammen, in Tunnels brennt es, Flugzeuge stürzen ab, Schiffe versinken - als verbieten aus Sicherheitsgründen.
Früher war wohl mal eine sichere Eisenleiter beim letzten Stück bis zur Burgmauer. Heute hängen da nur noch allerletzte Reste herunter. Wer es schafft, die letzten Sprossen noch zu erreichen, der schafft es vielleicht auch noch bis zur Schwelle der steinernen Wendeltreppe, die hinauf auf zur Höhlenburg führt. Von dort hat man einen prachtvollen Blick hinaus auf das vallée d'Aure und die Baronnies. Einige Mauern sind noch erhalten. Ein Geviert soll früher mal die Kapelle gewesen sein. Durch ein paar schmale Höhlengänge gelangt zu den weiteren großen Teilen der Höhlenburg.
Am Fuß der Felsen ist heute ein Parkplatz, der wohl für die Kletterer und anderen Sportler, die hierher kommen angelegt worden ist. Es gibt z.B. auch einen markierten Rundradfahrweg. Ganz in der Nähe sieht man eine höhlenverdächtige Stelle und geht man hin, dann verwehrt einem ein dickes Gitter den Zutritt. Hier war einmal die Schaffensstätte "sehr begabter Ritzzeichner", deren ausgegrabene Hinterlassenschaften heute in Paris im Museum Saint-Germain aufbewahrt werden und die als Höhepunkte paläolithischer Kunst gelten, z.B. ein Knochenstückb von einem Rentier, auf dem man ein Rudel von Rotwild sieht. Ein wendet den Kopf nach hinten. Zwei Fische springen von unten an das Hinterteil des Tiers vor dem Hirsch und scheinen angezogen zu sein vom Geruch der Geschlechtsteile. Darüber sieht man zwei Rauten mit jeweils einem Querstrich drinnen. Ein erotisches Symbol, oder?
YouTube-Filme.
http://www.youtube.com/watch?v=dMqsgn6RTM4
Literatur:
Minvielle, P. | Grottes et Canyons, Ed. Denoel, Paris 1977 |
Chabert, Claude | LES GRANDES CAVITÉS FRANCAISES; 1981 |
Eppel, Franz | Stationen der ältesten Kunst, Verlag Anton Schroll & Co, Wien München 1963 |
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