Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Höhle von Gargas, Hautes-Pyrenées, F
Auch Kurt Tucholsky kam auf seinem Pyrenäenstreifzug einmal an der Höhle von Gargas vorbei, die er so kennzeichnet: "Nun, es ist eine Höhle wie andere auch." Auf den ersten Blick sollte man also nichts Außergewöhnliches erwarten. Und doch zitiert er aus dem "Pitaval", das ist offensichtlich sein Reiseführer, die grausliche Geschichte von Blaize Ferrage, dem Menschenfresser, der mal dort gewohnt haben soll. "Ein kleiner, übermenschlich starker Bursche, ein Maurer", sei das gewesen, der sich 1779 vom Leben der übrigen Menschheit löste und sich in die Höhle zurückzog. Er lebte von Gelegenheitsdiebstählen und von "Menschen", so die Überlieferung. "Er stieg wahrhaftig in den Bergen umher, und wenn ihm junge Frauen in die Hände fielen, schlachtete er sie. Männer fraß er nur, wenn er Hunger hatte, Kinder mochte er besonders gern. Sein Schicksal endete, natürlich, tragisch. Man schickte ihm einen Sträfling hinauf, der sich durch den Verrat seine Freiheit erkaufte. Er schloß Freundschaft mit Blaize und verriet ihn dann. Am 13. Dezember 1782 wurde der "Menschenfresser" gerädert.
Von dieser Geschichte hörten wir gar nichts, als wir im Juni 2010 einmal selber die Höhle besuchten. Man muß schon viel Geduld und ausreichend Zeit mitbringen, will man die kleineren Schauhöhlen in den Pyrenäen selber sehen. Oft beginnen die Führungen mal erst um 10 Uhr oder um 12 Uhr, manchmal gibts gar nur zwei Führungen am Nachmittag.
Als Wiederentdecker der Höhle wird F. Regnault genannt, der damit 1906 ein neues Kapitel aufschlug. 1910 fand Abbé Breuil einen weiteren Teil mit einer Anzahl von Aurignaciengravierungen. Die Forschungen halten an und dauern wohl noch einige Jahre. Und man entdeckt immer wieder etwas Neues.
Ein speläologisches Grunddatum ist nicht herausragend: Länge 135 m, der Gesamthöhenunterschied wird gar nicht angegeben, vielleicht 30 m. Etwas ungewöhnlich ist die Breite: 20 bis 40 m. So wie heute der Besucher die Höhle erlebt, war sie lange Zeit überhaupt nicht, besonders zur Zeit, als der Steinzeitmensch sich dort aufhielt. Man betritt die Höhle durch den obernen Eingang und steigt abwärts. Am Ende dieses Teiles, vielleicht 50 m vom Eingang war früher Schluß. Und dort befinden sich die meisten Tierzeichnungen. Der Weiterweg war früher nicht möglich, sondern wurde erst durch Regnault bei seinen Untersuchungen geöffnet. Dann kommt der große breite Hauptgang, der bis zum heutigen Ausgang führt. Bis die Tür zum Ausgang geöffnet wird, ist es dunkel da drinnen. Das war früher nicht so. Der Eingang ist nämlich heute zugemauert und läßt so kein Licht mehr herein. Als hier einmal über viele Jahrtausende die Menschen gelebt haben, da war es hell, hell auch bis zur ersten großen Wand, auf der wir heute noch die meisten Handabklatsche sehen können. Das ergibt einen völlig anderen Eindruck, als den, den heutige Höhlenbesucher, wenn er den Ausführungen des Führers überhaupt folgen kann, weil der dessen Sprache versteht. Wer nur deutsch kann, tut sich da schwer.
Berühmt ist die Höhle vor allem wegen der vielen Handabdrücke an den Wänden. In keiner Höhle der Erde, die bislang bekannt ist, gibt so viele davon. Wieviele es sind, darüber gehen die Angaben sehr auseinander. Mal heißt es, es sind 150, andere haben 231 gezählt. Es sind immer Negative, also wurde nicht die farbige Hand an die Wand gedrückt, sondern es wurde Farbe auf die Hand und die Wand geblasen oder auf andere Weise aufgebracht und dann die Hand gegenommen. Zurück blieb ein Negativ. Auffallend oft waren die Abdrücke nicht vollständig. Finger und Fingerglieder fehlen öfters. Warum? Viele haben sich schon Gedanken darüber gemacht, aber eine letztgültige Antwort hat noch keiner Gegeben.
Die Höhlenwandkunst in der Höhle ist damit bei weitem nicht erschöpft. Zwischen Saal II und III gibt es mit den Fingern in den Lehm gezogene Mäander. Es gibt viele rote und schwarze Zeichen, Striche und Punkte. Auch einige Tierdarstellungen gibt es: In einem steilen Kamin zeigt im unteren Teil eine Bison-Pferd-Gruppe. In der Spitze dieses Kamins fanden sich Punkt- und Strichreihen. Am Eingang von Saal IV ist an der Wand eine Boviden-Pferd-Mammut-Gruppe usw..
Eine Besonderheit von Gargas sei noch erwähnt, eine Spalte von 2 m Höhe, die vollkommen mit pulverisierter roter Farbe ausgekleidet ist. Nur 4 Kratzer sind darin, vielleicht ja unabsichtlich drinnen. Was soll das sein? Eine Spekulation ist, daß es sich um eine "Fruchtbarkeitskult" handle. Eine überdimensionale Vagina?
Die verschiedenen Kunstwerke werden von den Fachleuten verschiedenen Perioden zugeordnet, die vom Gravettien (ca. 27.000 v.Chr) bis zum Magdalenien (ca. 13.000 v. Chr.) reichen.
Im Eingangsteil hat man die Wohnspuren des Menschen gefunden, die teilweise in das späte Paläolithikum gehören: Chatelperronien, eigentliches Augrinacien, spätes Gravettien. Man fand auch Plättchen in der Gravettienschicht, die Tierdarstellungen trugen, die sehr an die Bilder in der Höhle erinnern, wodurch die Datierung sehr erleichtert wurde.
Bei unserer Tour im Juni 2010 hatten wir großes Glück. Außer uns war kein weiterer Tourist mit dabei, so daß wir mit der kundigen Führerin ganz alleine waren. So konnte sie sich sehr viel Zeit für uns nehmen und uns auch noch viele Details zeigen, die bei großen Besucherandrang einfach nicht darstellbar sind. Und so eine Tour hat ja auch eine akustische Seite, die bei dem hohen Lärmpegel, der meist herrscht, eher negativ ausfällt. Bei uns war es hervorragend still, so daß wir die Atmosphäre dieser besonderen Höhle sehr gut mitbekamen.
Man baut offenbar gerade, wohl auch schon wieder mit EU-Geldern, auf dem Weg zur Höhle ein Interpretationszentrum, das auch mit dem Inhalt der Höhle zu tun hat. Man war noch am Bauen...
Hände an den Höhlenwänden - ein offenbar aktuelles
Thema: hier anläßlich einer Ausstellung in der Mas d'Azil-Höhle im Sommer 2010 |
Was machen manche aus der deutschen Sprache? Wahrscheinlich ist das eine Computerübersetzung, aber der Text ist doch so falsch, daß man ich ihn unerwähnt lasse. Er steht 2010 auf einer Webseite von tourinfos.com über die Höhle von Gargas:
"Multilation Freiwillige? Pathologische Verstümmelungen? Höhle - Tempel? Höhle - Krankenhaus? Oder andere Sache? Die hervorragendesten der Gelehrten haben sich beugt und beugen sich, ohne sichere Abschlüsse, auf dem Geheimnis der Hände immer , die Gargas verstümmelt sind, wer bleibt völlig heute. Gargas bietet auch seinen Besuchern bemerkenswerten Gravuren von Rentieren, Antilopen, Bisons, Pferde und andere Tiere bovidés , an vorgeschichtlich, arbalétiformes Zeichen. Zusätzlich zu vorgeschichtlichen Anziehung, ihrer Aufeinanderfolge fabelhafter Säle in den vielfältigen Verhärtungen, Dekorationsstoffe, Stalagmiten, Stalaktiten, Fließen, Kaminen, Säulen, Bildhauerarbeiten(Bildhauerkünste), die eine Verzauberung für die Augen sind und daraus den vollkommenen Typ der Höhle machen vollständig, erzieherisch und erheiternd. In der Nähe direkt, touristische Gesamtheit der Höhlen mit Restaurant, Kindergarten, Minigolf, Zelten, Parkplätzen Wagen und Autos. Ferienquartiere, See, Kanu, Paddelboot..."
You-Tube-Film:
http://www.youtube.com/watch?v=hs8ZbsODi5A
Literatur:
Eppel, Franz | Stationen der ältesten Kunst, Verlag Anton Schroll & Co, Wien München 1963 |
Tucholsky, Kurt | Ein Pyrenäenbuch, Reinbeck bei Hamburg 1957 |
Foucher, Pascal u.a. | La grotte de Gargas. Un siècle de découvertes, Edition Communautés de Communes du Canton de Saint-Laurent-de-Neste, 2007 |
Leroi-Gourhan, André | Prähistorische Kunst - Die Ursprünge der Kunst in Europa, Herder-Verlag, Freiburg, 5. Auflage 1982 |
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