Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Karsthöhlen auf Korsika


Nach Höhlen auf Korsika zu suchen, das ist keine einfache Angelegenheit. Es gibt auf Grund der geologischen Verhältnisse dort einfach nicht die guten Vorausetzungen wie auf der Nachbarinsel Sardinien. Zwei Drittel der Insel bestehen aus Granit und Gneiss, der Rest setzt sich aus Schiefer("schistes lustrés) und einigen Regionen mit Sedimentgesteinen zusammen, die auch einige Kalklinsen umfassen.

Die heute (2009) längste Höhle der Insel ist schon lange bekannt, war aber nicht sehr gründlich erforscht, bevor eine Gruppe italienischer Forscher sich dorthin aufmachte und mal eine genaue Planaufnahme und eine Beschreibung verfaßte, die grotta di Carpineto bei Lano. Die üblichen Führer führen diesen Weiler gar nicht auf, weil es dort auch nichts besonderes zu sehen gibt. Er gibt weit abgelegen rechts der Straße von Corte nach Ponte Leccia. Die aufzusuchen lohnt sich im Normalfall auch nicht, weil sie auch noch versperrt und der Zugang verboten ist. Ihr Eingang ist auch nicht unbedingt leicht zu finden, weil es keinerlei Hinweise unterwegs gibt und die Höhle wirklich erst, wenn man unmittelbar davor ist, sichtbar wird. Davor und danach gibt es nur lauter nichtverkarstungsfähiges Gestein, was ganz typisch für diese Gegend ist. Die verkarstungsfähige Schicht hat eine Dicke von 20 bis 40 m, was auf die beschränkte Ausdehnung hinweist. Immerhin hat man 570 m Länge bei der Vermessung zusammenbekommen, die tiefen Teile sind von einem Bach durchflossen, der sein Wasser dem Anico zuführt.

In Lano
Das Vallone dell'Aninco
 
 
 
   

Bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs gab es in einem Küstenort auf dem Cap Corse ganz in Norden der Insel sogar eine Schauhöhle, die Grotte de Brando. Die großen Zeiten sind vorbei, heute kann man mit Glück und Sachverstand vielleicht den Eingang finden und dann auch die Höhle betreten. Erfreulicherweise ist sie nicht einfach zugesperrt, sondern steht Besuchern offen. Der Besuch wird aber offenbar nicht gefördert, weil nirgends ein Hinweis darauf in der Umgebung zu finden ist. Erst im letzten Moment, wenn man schon die ersten Meter im Vorraum der Höhle steht, ist da ein Schild, das einem die besonderen Umstände der Zugänglichkeit schildert. Vor allem wird man aufgefordert, nichts zu berühren, geschweige denn etwas abzuschlagen und mitzunehmen. Viel ist allerdings ohnehin nicht mehr da, was einigermaßen mit Gewalt holbar war, das ist schon weg, nur die letzten großen Brocken stehen noch da und künden von einmals vorhanden gewesener Pracht. Wer allerdings ganz genau hinschaut, der sieht auch hier noch im Detail eine große Pracht. Sie dürfte das frühere Abflußgerinne des Baches sein, der heute einige Meter unterhalb aus dem Fels tritt und dessen Wasser von einer noch immer in Betrieb sich befindlichen Eisfabrik (2009) genutzt wird. Pläne der Höhle gibt es von Oedl/Huber und von Calandri und Giglielmi, der noch ein wenig genauer die Situation darstellt.

 
 
 
 
 

F. Oedl und R. Huber haben 1958 mal Korsika besucht und darüber in der HÖHLE einen Bericht veröffentlicht. Er ist einer der ganz wenigen speläologischen Beiträge in deutscher Sprache. Sie haben damals auch die Höhle von Pietralbella besucht, vermessen, beschrieben und sogar Temperaturmessungen durchgeführt! Zwischen 14,2 bis 14,4 Grad schwankten die Werte. Wenn man selber in die Höhle will, dann ist man froh darüber, daß sich in dem Bericht eine knappe Wegbeschreibung findet. Wenn man sich allerdings darauf einläßt, dann hat das so seine Tücken! Heute ist sie schon über 40 Jahre alt und die Verhältnisse können sich ja schon geändert haben, und sie könnte ja falsch sein! Manchmal ist das gar nicht so schlimm, weil man bei genauen Hinschauen vielleicht ja mal sogar was Neues findet! Ist uns ja schon früher passiert. In diesem Falle war es aber anders. Oedl und Huber schreiben von der Straße von Ponte Leccia nach Asco. Die gibt es auch heute noch und ist gut ausgebaut, weil viel benutzt von den Besuchern des herrlichen Tals von Asco. 2 km nach der Straßenabzweigung nch Ile Rousse käme eine kleine Brücke, auch das stimmt noch, aber dann heißt es, unmittelbar vor ihr würde ein eben noch für PKW befahrbarer Weg abzweigen. Da geht nun Beschreibung und erlebbare Wirklichkeit auseinander. Den Weg gibt es nicht mehr, zumindest auf den ersten 50 Metern, dann sich letzte überwucherte Spuren auszumachen. Wer da hinein will, der muß schon den Stacheldraht bewehrten Zaun aufmachen, durchschlupfen durch die schmale Lücke und dann dem Tälchen aufwärts folgen. Dann heißt es bei Oedl/Huber: "Von hier benützt man einen kaum erkennbaren Steig, Richtung Süden langsam ansteigend, bis man nach wenigen hundert Metern vor dem schachtähnlichen Eingang steht." Ich weiß nicht, was Oedl/Huber vielleicht am Abend vorher erlebt und getrunken haben, bevor sie die Höhle besucht bzw. beschrieben haben. Da ich keine anderen Angaben hatte, versuchte ich beschreibungsgemäß "wenig hundert Meter" weiter nach einer Höhle und fand gar nichts. Überall seltsames Gestein, nicht einmal eine schmale Ritze irgendwo. Irgendwann brach ich die Suche im Mai 2009 wieder ab. Vollkommen sinnlos war es, hier nach speläologisch interessanten Objekten Ausschau zu halten. Und doch...
Später fand ich dann doch einen weiteren Hinweis auf die Höhle: in der IGN-Karte 1:25.000. Dort ist sie nämlich lagerichtig eingetragen. So unternahm ich mit Willi einen zweiten Versuch und schnell war der Eingang zur Höhle dann auch ausgemacht. Von wegen "wenige hundert Meter", das "wenige" bitte ganz streichen. Wer sich auf ein langes Suchen einrichtet, dem ist geholfen worden. Eine Schachtöffnung ist ja oft nur schwer auszumachen in einem unübersichtlichen Gelände, nicht so hier. Man hat einen hohen Gitterzaum außen herum errichtet, der jeglichen Besuch verhindern soll, außer man hat einen Schlüssel. Es steht in einem der populären Führer über die Insel, daß der Besuch der Höhle wegen einiger Höhlenunfälle heute verboten sei. Von einem Verbot steht ausdrücklich heutzutage nichts an den Eisenstäben, so daß zu fragen wäre, ob jemand etwas dagegen hätte, in die Höhle zu gehen, wenn man oben oder unten herum ohne Beschädigung der Zugangssperre käme. Wie ein Vogel vielleicht oder ein Maulwurf. Immerhin ist zu fragen, ob das Argument, Höhlenunfälle verhindern zu wollen, wirklich stichhaltig ist. Denn wenn überall auf dieser Welt alles verboten wird, wo schon Unfälle mal vorgekommen sind, dann sollte man z.B. doch sofort alle Straßen sperren, weil es dort ja dauernd kracht, wenn das zu kraß klingt, dann sollte man die Teerdecken zumindest schnell entfernen, daß schnelles Fahren ziemlich schnell aufhört.
Die Höhle hat eine Länge von etwa 100 m und eine Gesamttiefe von ca. 50 m. Eine Sage verbindet sie mit einer Strandhöhle bei Calvi, was immerhin 50 km Luftlinie sind. Dann hätte sie noch ein enormes Potential.

 
 
   

Zu den am leichtesten erreichbaren Höhlen der Insel gehört die von Castiglione, die auch den Namen "Grotte de Sabara" führt. Sie liegt nämlich direkt neben der Fahrstraße in 600 m Seehöhe. Eine kleine Marmorkalklinse inmitten des ansonsten vorhandenen Granits, sie ist schuld am Entstehen der ansehnlichen Höhle. Ihre vermessene Gesamtlänge beträgt immerhin 250 m, wobei ein Teil davon für die Öffentlichkeit gesperrt ist aus Fledermausschutzgründen. Der Hauptteil ist heute als Kuhstall genutzt. Immerhin 4 Rindviecher, vom Stier bis zum Kalb haben wir gefunden in der ziemlichen Nacht und der Kühle der Höhle. Entsprechend schaut auch der Höhlenboden aus, der überwiegend aus Kuhscheiße besteht. Drei Öffnungen hat die Höhle nach draußen, wobei zwei zu einem Bach hinausschauen und einer davon mit einem Mäuerchen abgeschlossen ist.

Der Erhaltungszustand entspricht dem Langebekanntsein der Höhle, viele Graffiti künden von früheren Besuchern, Sinter ist kaum auszumachen, ein paar Pilze gediehen am Höhlenboden.

 
 
 
Die Rinder in der Höhle
 
Das Reich der Fledermäuse
 
 
 
 

In der Süddeutschen Zeitung Nr. 172 vom 27./28.07.2024 wird von einer "Treppe des Königs" in den Klippen von Bonifacio berichtet. Im 45-Grad-Winkel zieht eine "dunkle Linie" über die Felsen. Mit 189 Stufen geht es von oben bis hinunter bis zu einer Höhle. In ihr befindet sich eine Süäßwasserquelle, heute als "Saint Barthélemy" bekannt. Der Zugang zu ihr war lebenswichtig für die Wasserversorgung der Festung über ihr. Ihre Bedeutung ging wohl verloren, als man von oben weitere Brunnenschächte bohrte, um an das begehrte Wasser zu kommen.

Französische Höhlenforscher und -taucher haben inzwischen die dazugehörende Höhle erforscht.

https://www.visit-corsica.com/de/Korsika-entdecken/Inspirationen/Inspirationen-fuer-Kulturbegeisterte/Bonifacio-treppen-die-in-felsen-gehauen-sind

https://hydriaproject.info/en/case-studies/water-collection-distribution-and-use-in-bonifacio-the-capital-of-corsica/waterworks

https://www.corse-images-sous-marines.com/puits-saint-barthelemy-bonifacio-corse


Literatur:

Calandri, Gilberto UN'ISOLA DA SCOPRIRE: LA CORSICA, SPELEOLOGIA 15, 1986, S. 31ff.
Calandri, Gilberto la grotta die carpineto, bollettino 21, S. 24ff.
Cranga, Yves Le domaine de la grotte de Brando : une singularité de l'art des jardins corses
Glasl, Sofia Die Treppe des Königs, SZ NR. 172, 27./28.07.2024, S. 60
Hovenkamp, Wouter SPELEOLOGIE OP CORSICA; S. 13ff.
Murittu, Gavino, Mucedda, Mauro Pipistrelli: primi contatti con la Corsica, Bollettino del Gruppo Speleologico Sassarese, n. 14, 1993, S. 48ff.
OEDL, F.; HUBER, R. Von Höhlen Korsikas.- Korsika, Frankreich, Höhlenbeschreibungen mit Plänen, Die Höhle 1959, S. 58-61

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