Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Nichtkarsthöhlen auf Korsika
Der geologischen Struktur Korsikas wegen braucht man als Höhlenforscher auf dieser schönen Insel auf keine starke Verbreitung dieses Phänomens hoffen, Granit und Gneiss dominieren, Kalk kommt allenfalls in kleinen Linsen vor. Trotzdem - wenn man den Höhlenbegriff etwas erweitert um den Formenschatz der ganzen Nichtkarsthöhlen, dann kann man gerade hier auch fündig werden. Eine kleine Auslese...
Bei Speleoncanto gibt es zweimal im Jahr ein
besonderes Naturereignis: Durch die 8 m lange Öffnung der Pietra
Tafonata kommt es zweimal im Jahr, sofern das Wetter
stimmt, ein besonderes Naturereignis zustande. Am 8. April und am
8. September, dann geht die Sonne unter und kommt kurz darauf
wieder zum Vorschein! Aber sie geht natürlich auch wieder!
Dorthin hoffe ich mal zu kommen. Aus einer Idee wurde
Wirklichkeit, eine schmerzliche, eine, die mich an die Grenzen
meiner Leidensfähigkeit führte. Typisch für jemanden, der auch
mal von vorgegebenen Wegen abweicht, um dahin zu kommen, wo er
gerne auch mal sein möchte, um Orte aufzusuchen, wo Geld und
Macht überhaupt nichts bringt, sondern Begeisterung für die
Natur ihren ganzkörperlichen und vollsinnlichen Ausdruck finden
kann.
In einem Korsikaführer war zu lesen, daß es tatsächlich ein
Weglein zu der Felsöffnung etwa 100 m über der Fahrstraße
geben solle. Überhaupt solle man die Naturbrücke schon von
Speleoncato sehen können. Da stand was von einem Platz, einer
Kirche, überall schauten wir, aber nirgends war da auch nur im
Ansatz was auszumachen. Etwas frustriert zogen wir im Juni 2009
erst einmal wieder von dannen. Aber der "Wurm" bohrte
weiter in mir und bei der Fahrt herunter von Speloncato in die
Ebene, wo unser Quartier in einem Ferienhaus war, da passierte
es. Im Flankengrat des Berges, der da links von uns war, da war
ein winziger Lichtschimmer auszumachen. Dort mußte es sein!
Wir hatten am selben Tag noch Zeit, so machten wir, Willi und
ich, uns vor dem Abendessen auf, einen erneuten Versuch zu
starten. Ich finde das immer sehr spannend - zu versuchen,
Beschreibungen und erlebbare physische Welt in Übereinstimmung
zu bringen. So galt es, dorthin zu kommen. Die Region auszumachen
war nicht schwer, aber wo war bloß der beschriebene Weg aus dem
Führer? Es gibt da einen großen Parkplatz an einer Kehre am Weg
zwischen Speloncato und Nessa. Dort hielten wir und hielten
Ausschau. Allein, da war nichts zu sehen. Ein Stacheldrahtzaun,
ein blockierter Weg, nichts. Wir fuhrten weiter, schauten weiter,
aber nirgends war irgendwo was Erfolgversprechendes auszumachen.
Frustriert kehrten wir zum Parkplatz zurück. Wieder einmal ein
Fehlschlag? Wenn da von unten kein Weg auszumachen ist,
vielleicht ist er ja von oben her zu finden? Ganz einfach
vielleicht? Wenn man vor dem Felstor steht, dann tut er sich
einfach auf, der Weg, hinunter, zurück? Darauf spekulierte ich
wirklich, als ich seitlich versetzt, an einer Stelle, wo
einigermaßen der Absprung von der Straße möglich war, den
weglosen Aufstieg begann. Hier war es möglich, dort auch, dort
nicht, dort vielleicht. Willi kam nicht mit, schaute mir von
unten zu und wunderte sich wohl manchmal, wie man denn
"diese" steile Stelle denn überwinden könne.
Irgendwie ging es, aber öfters dachte ich mir, bloß nicht die
gleiche Stelle auch wieder rückwärts. Dann war es soweit: Noch
eine kleine Felswand hochklimmen und ich stand in der Öffnung.
Von wegen 8 m lang - da haben viele von einander abgeschrieben,
aber keiner ist selber hingegangen (wundert mich nicht). Aber
schön ist es an diesem Ort schon. Viele Bilder gemacht und dann
hab ich den Weg wieder gesucht. Allein, es war keiner da.
Zumindest für mich.
Wie runter kommen? Den Weg, den ich herauf gefunden hatte, den
wollte ich nicht mehr gehen, aus guten Gründen für mich. Ich
konnte geradeaus hinunter schauen zu meinem GOLF. Da einfach
hinunter? Die ersten 20 Meter waren ok. Dann begann der
Dschungelkampf mit der Macchia. Das sollte man selber mal
mitgemacht haben, dann kann man mitreden. Insbesondere, wenn man,
wie ich, mit Trekkingsandalen und kurzen Hosen ausgestattet ist.
Da bekommt man die volle Wirklichkeit einer solchen Dornenhölle
mit. An einer Stelle wußte ich gar mehr, wie es weitergehen
sollte. Vorwärts schien völllig unmöglich angesichts der
massiven Dornenhecken vor mir, die bis in Brusthöhe reichten.
Links und rechts auszuweichen war keine Option da da der
biologische Wildwuchs noch höher hinaufreichte. Und zurück? Da
warteten die gerade überwundenen Stachelgewächse auch schon auf
mich. Am Ende wählte ich die Vorwärtslösung. Durch - und das
ging, geradenoch aushaltbar. Auf einmal war da ein richtiger
kleiner begehbarer Pfad, wunderbar, wo der wohl hergekommen war?
Wieder ein paar Meter gewonnen. Aber gleich war er auch wieder
weg. Erneut die Tortur durch die Macchiahecken. Eine bis in die
tiefsten Hautritzen eingeschriebene Naturschule, wohl die totale
Antithese für alle Couchhocker und Hirnw... (und
Lehrplanmacher). Ich schaffte es und freute mich (innerlich war
ich stolz auf mich selber, daß ich das gepackt hatte. Es tat
zwar weh und überall waren Striemen auf meiner Haut zu sehen,
aber sie waren eben der Preis dafür, mal einen Ort erreicht zu
haben, wozu es echten Einsatz braucht - sofern man ihn so
beläßt, wie er heute ist. Schneidet man ihn aus, stellt ein
Kassenhäuserl davor und bestellt vielleicht auch noch einen
Führer, dann ist der Zauber dieses Ortes einfach weg. Geld kann
wirklich nicht alles kaufen, sondern verhindert einfach oft, an
das, worum es eigentlich geht, zu kommen. Was ist das,
"worum es eigentlich geht"?).
Am Weg von Ile Rousse nach St. Florent durchquert man das Gebiet der Désert des Agirates. Rechts von der Straße sieht man in einem Felsbuckel unterwegs deutlich eine höhlenartige Öffnung. Sie hat wohl schon ein gewisse Geschichte, denn der Eingang ist mit Trockenmauerwerk einmal abgeschlossen gewesen und einige Reste gibt es heute noch davon. Die Reste eines kleinen Feuers fanden sich im Mai 2009 noch darin und an der Wand viele Kotspuren von Vögeln, die auf einem Absatz wohl gerne halt machen.
In allen Führern wird die Grotte des Veaux Marins erwähnt, die man auf einer Bootstour von Calvi aus erreichen könnte. Sie sei "nur etwa 200 m lang, durch den rötlichen Fels jedoch sehr beeindruckend." (so ein Internetbeitrag). Morgends um 8.30 Uhr beginnt jeweils die Tour....> mit Film: Promenade en mer Corse : Colombo Line Croisieres en Corse
Zur Grotta de Gudrone muß man Sorio fahren, das abzweigend von der Straße nach St. Florent in den Bergen des Hinterlangs gelegen, auf schmalen Straßen erreichbar ist. Wer sich auskennt, dem fällt der gleich neben der Straße liegende Eingang auch sofort auf. Eine einen guten Meter breite Kluft führt horizontal in die Schieferschichten hinein. 5 bis 10 m hoch wird der senkrechte bis schräge geneigte Gang. Immerhin 58 m Länge hat man für die Höhlengänge insgesamt gemessen. Bemerkenswert ist vor allem, daß man die Höhle zur Herstellung von Käse früher benutzt hat. Von dieser Tätigkeit ist allerdings heutzutage überhaupt nichts mehr zu sehen. Außergewöhnlich war das komplette Skelett eines Mufflons, das nach einer Felsstufe nach unten auf dem Boden im Mai 2009 lag. Das Tier ist hier wohl hineingefallen und kam nicht mehr heraus. Das Tierdrama spricht dafür, daß jemand mehr die Höhle aufsucht, obwohl sie im Ort den Leuten gut bekannt ist.
Auf dem Kammweg zum Monte Tolu am Rande der Balagne gibt es ein paar herausragende Granitgebilde, in denen das suchende Auge auch ein paar typische Granithöhlchen ausmachen kann...
Bei Sisco am Kap Corse stießen wir bei dem Versuch, die Grotte de Sisco zu finden, auf eine Brandungshöhle im Uferkonglomerat.
In Filitosa, diesem "Stonehenge" der korsischen Archäologie, weil hier auf knappsten Raum die wichtigsten megalithischen Denkmäler versammelt sind, gibt es in den Granitfelsen einige gesteinstypische Höhlen...
Besonders erwähnenswert sind einige Höhlungen im Granit, die von den Erbauern der Gebäude von Filitosa mit in deren unterirdische Konstruktionen einbezogen worden sind. Hatte das irgendwelche rituellen Gründe? Könnt schon sein.
Die bekannteste Nichtkarsthöhle auf Korsika ist mitten in
Korsikas Hauptstadt und trägt den Namen des bekanntesten
Bürgers der Stadt: Grotte Napoleon. Wer sie
sucht, findet richtige Verkehrshinweisschilder drauf. Eine
kerzengerade Avenue führt aus dem Stadtzentrum hinaus zu einen
nahen Hügel, auf dem die ganze Anlage heute noch zu sehen ist.
Wegen eines Jubiläums war in der Nähe der Grotte ein großes
Napoleondenkmal errichtet worden, wo an all die gewonnenen
Schlachten und auf ihn zurückgeführten Leistungen wie den CODE
NAPOLEON erinnert. Den Namen "Waterloo" habe ich nicht
gefunden und auch keinen Hinweis auf die unzähligen Kriegstoten,
die der Größenwahn des kleinwüchsigen Manns aus Ajaccio
gekostet hat (z.B. allein der Obelisk auf dem Karolinenplatz in
München erinnert an die 30.000 Bayern, die auf dem Weg nach
Russland ums Leben kamen!).
Die "Grotte" ist eine kleine Höhlung zwischen zwei
Granitblöcken, die man auf diesem Weg durchqueren kann. Vor den
Felsen ist eine Sitzbank in den Felsen eingehauen, auf den Felsen
sind zahllose Graffitti vom Typ "Ich liebe dich" und
die Namen lauter Unbekannter. Ganz hinten gabs Klopapier zu
besichtigen im Mai 2009.
Wie es heißt, habe sich der junge Napoleon oft dorthin
zurückgezogen, um "seine Lektionen mit mehr Ruhe und Stille
zu lernen". Welche Lektionen?
Literatur:
Minvielle, Pierre | Guide de la France souteraine, Tchou, Éditeur, 1970 |
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