Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Baume de Chazelle, Ardèche, F
Am südlichen Rand des Departements Ardéche, wo das Departement Gard beginnt, liegt eine karstige, eher unscheinbare tellerförmige Hochfläche. Meist ist sie ganz trocken, aber nicht immer. Nach starken Regenfällen, zu denen es insbesondere im Herbst kommt, verschwindet erst das Wasser in Schlucklöchern im Untergund und kommt dann nicht weit entfernt in Quellen wieder zum Vorschein. Wenn man auf den schmalen Straßen fährt, die es natürlich auch hier gibt, um in die kleinen Dörfer und Weiler zu kommen, dann sieht man immer wieder Warnschilder davor, daß gelegentlich die Straßen überflutet werden können.
Wenn man in der Trockenzeit diesen Bachbetten folgt, dann kommt man des öfteren zu einem Höhleneingang. Genau so ist bei der Baume de Chazelle. Man muß nur immer vertrauensvoll der Naturform folgen. Zwischen St.-André-de-Cruzières und Chadouillet zweigt ein Sträßlein Richtung Chazelle ab, dann geht es weiter in Richtung Mas de la Baume. Kurz davor durchquert man das Tälchen des Rieusset, dem man aufwärts folgen muß. Offenbar geht hier selten jemand, denn der Pfad ist schmal und macht einen wenig benutzten Eindruck. Schließlich kommt es zu einer Art Abschluß. Das Weglein macht eine Biegung hinein zum Grund der kleinen Schlucht, die hier ihrer Anfang hat. Der Höhleneingang ist einfach nicht mehr zu übersehen, wenn man dort ist. Und nicht nur zu sehen - sondern auch zu spüren. Eiskalt zieht es auch der Felsöffnung, als wenn dahinter ein riesiges Gebläse wäre, das dauernd kühle Luft hervorbringt.
Klingenfuß beschreibt den Eingang in die Höhle 1985 noch mit einem Gitter versehen, das wohl den Eintritt in die Höhle verwehren sollte. 2024 war davon nichts mehr zu sehen. Alles wirkt wieder ganz natürlich und so wie vor dem Auftauchen der Menschheit auf diesem Planeten. Da wir keine Ahnung davon hatten, was uns erwarten würde, hatten wir außer zwei Taschenlampen und einem Helm mit Lampe nichts weiter dabei. Für einen schnellen Besuch reicht das, zumindest der ersten Höhlenmeter. Klingenfuß hat sie treffend geschildert: "So befindet man sich in einem leicht abfallenden, bis 10 m breiten und etwa 1,5 m hohen Gang. Die Schichtung ist sehr ausgeprägt und weist ein schwaches Quergefälle nach links und ein solches bergeinwärts auf..." Weit kamen wir nicht, in kurzen Hosen und mit blanken Knien, und drehten deshalb bald um. Der Versuch, den prähistorischen Eingang zu finden, gaben wir bald auf, weil nirgends irgendwelche Hinweise darauf in der Landschaft zu sehen waren. Und es gibt ja noch einen dritten, den künstlichen, noch weiter oben im Gelände.
Die Höhle ist seit Urzeiten bekannt. Nachweislich sind
bereits erste Besuche aus dem Azilien, also ungefähr 10.000 Jahre
zurückreichend. Die letzten Funde stammen aus der Zeit um 1.200. Es hatte
wohl Gründe, warum sich die frühen Menschen bereits dafür interessierten.
Aufenthaltsraum, Zugang zu Wasser in einem Höhlensee, vielleicht auch die
Nutzung des Höhlenwindes. Warum? Man hat mehr als 1.000 Rinderknochen
gefunden und sich gefragt, warum gerade soviele. Eine Hypothese ist, daß
man den Höhlenwind zur Trocknung des Fleisches vielleicht verwendet hat.
Auf die archäologische Fundstätte stieß André Martin erst 1949, nachdem
ihm der Vorstoß über den schon lange vorher bekannten Höhlenteil gelungen
war. Auf einmal gab es da viele Tonscherben am Boden und als man nachgrub,
stieß man auf den fossilen Höhleneingang. Mehrere Höhlengrabungskampagnen
folgten, 1963-68, 1974-77.
Auch die Höhlenforscher waren aktiv. Klingenfuß gab 1985 die Länge der
Höhle noch mit ca. 4 km an. Inzwischen ist die bekannte Länge auf 6,2 km
angewachsen und ein weiterer künstlicher Eingang konnte geöffnet werden.
Dadurch wurde ein besonderes Problem der Höhle etwas entschärft, das
Wasser. Das Ende des alten Teils lag an einem Siphon, andere Teile waren nur
noch Bewältigung langer Bootsstrecken zu erreichen.
Literatur:
Bayle, H., Chabaud, R., Charavel, J-M., Lahondes (2009): Le souffleur et le Peyraou de Chazelle, Spéléo Magasine n°65 - mars 2009 - - pages 14 à 17
Klingenfuß, Bruno (1985): GUIDE-SPÉLÉO RÉSEAU COCALIÈRE, Part 1, Höhlenpost Nr. 37-April 1975
Links:
https://inpn.mnhn.fr/archeo/bozo/site/1171900846
https://www.saint-andre-de-cruzieres.fr/Patrimoine-de-St-Andre
https://www.saint-andre-de-cruzieres.fr/IMG/pdf/visite_de_chazelles_2013.pdf
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