Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

La Vidourle souteraine, Gard


Der Vidourle ist ein kleiner Fluß, der in den Cervennen entspringt und nach einem Lauf von 80 km nicht weit von Grau-du-Roi ins Mittelmeer mündet. Berüchtigt ist er für seine Überschwemmungen, deren Daten noch nach Jahrhunderten ganz genau überliefert sind. Das letzte war am 9. September 2002. Da wird aus einem Gerinne, das oft im Sommer fast ganz verschwindet und dann nur noch eine Wasserführung von 3 m³/Sekunde hat, ein Strom der 1.500 m³/Sekunde transportiert.

Besonders auf der Strecke zwischen St. Hipployte-le-Fort und Sauve passiert dieses vollkommene Trockenfallen regelmäßig. Das Wasser versickert in irgendwelchen unzugänglichen Ponoren und Wasserschluckstellen und taucht 8 km Luftlinie weiter wieder in einer mehr oder weniger starken Karstquelle unmittelbar in Sauve, einer noch heute ahnsehnlichen Stadt mit mittelalterlichem Gepräge, wieder zu Tage. Die Vermutung, daß es da eines oder mehrere größere Höhlensysteme geben müßte, war vollkommen richtig.

  Eine kleine Spalte in der Landschaft

- unausgeräumt, vielleicht auch ein Zugang

in die uns noch unbekannte unterirdische Welt

Schon Eduard Martel hat bei seiner 10ten Höhlenforschungsaktion im Jahre 1897 dort geforscht, insbesondere in den gouffres de Sauve.Mazauric machte 1910 weiter, 1942 setzte Robert de Joly und die groupe de Saint Hippolyte du Fort die Forschungen fort. Es war wie ein Puzzlespiel, wobei die verschiedenen Teile des vermuteten Höhlensysteme immer weiter sich annäherten, ohne daß am Ende wirklich nur noch eine große Höhle übrig blieb. Heute gilt die event de Cambous mit 3,5 km Länge als größtes Teilsystem, die grotte de la Paulerie hat heute, nach einem Zusammenschluß mit dem Quellhöhleneingang und Vorstößen in eine Tauchstrecke eine Länge von 2.096,45 m.

Die letzten Erfolge haben französische Höhlentaucher erzielt, als sie von der Sauver Karstquelle in einen Gang gelangten, der bis zum Aven du Sauve reichte und weit darüber hinaus. Es gibt also diesen "Unterdischen Vidourle"! Der Aven du Sauve ist auch von außen auf einem höchst reizvollen Karstwanderweg zu erreichen. Man folgt dazu den Schilder im Ort, die zum "mèr de pierre" zeigen. Hat man mal die Hochfläche erreicht, dann geht es weitgehend horizontal durch eine typische stark verkarstete Landschaft. Einige Felstürme sind haushoch, weiße Mauern aus Kalkstein überall, kleine Häuschen dazwischen, üppiger Bewuchs - und dann ein großes tiefes Loch im Boden, der Schacht. Unschwierig läßt sich ein gutes Stück abklettern, dann bräuchte man ein Seil, um ganz hinab zukommen. Ganz unten ist ein kleines Seelein zu sehen. Früher hat es hier wohl eine steinerne Treppenanlage gegeben, von der noch heute Reste zu sehen sind.

 
 

In der Gegend "verstecken" sich mehr Höhlen, deren Eingänge meist recht verborgen liegen und allenfalls der höhlenkundlichen Literatur bekannt sind. Eine Ausnahme ist die Grotte de Claris, die jeder schon von weitem sehen kann. Sie liegt am Rand eines ehemaligen Steinbruchs und ihr großen Eingangsrachen ist einfach nicht zu verfehlen. Natürlich fehlt es nicht an Schildern, daß es sich um einen privaten Steinbruch handelt und daß das Betreten der Höhle verboten sei. Genug Steine liegen am Boden, so daß man natürlich immer das Risiko eines plötzlichen Steinschlags hat. Ein großes Gang nimmt einen auf, man kann unschwierig in einem horizontalen Gang vorwärtsschreiten, entdeckt neuzeitliche Wandmalereien en masse. Dann geht es schräg nach unten auf ausgetrocknetem Lehmboden. Schließlich wird es wieder horizontal, immer niedriger, zuletzt müßte man sogar noch kriechen....

   

Dann gibt es da noch die relativ bekannte Grotte de la Roquette gleich neben der Bahnstrecke, die inzwischen wieder aufgegeben worden ist. Um da hinzukommen, muß man den Wagen an der großen Straße oben parken - und geht damit immer das Risiko ein, daß einem inzwischen jemand das Gefährt aufbricht und was mitnimmt - und wandert dann auf einem ausgetretenen Pfad Richtung Vidourle, respektive dem château de la Roquette, dessen Besuch heute auch untersagt ist, weil es sich auf Privatgelände befindet. An einer Stelle hat man für die Eisenbahn einen Einschnitt in den Hügel machen müssen, und wo dieser beginnt, genau dort ist der langsam überwuchert werdende Einstieg. Ein Großteil der Höhle ist denkbar einfach zu befahren. Nach der Eingangsbückstrecke kann man aufrecht über mehrer hundert Meter einfach dahinlaufen, nur ab und zu mal ein Loch im Boden vermeidend oder einer Tropfsteingruppe ausweichend. Da das alles so bekannt ist, sieht es auch entsprechend aus, allerdings ist das alles ohne Karbidhaufen oder Müllablagerungen abgegangen. Oder hat da jemand eine Höhlenputzaktion abgehalten? Irgendwann wird es dann doch etwas ungemütlicher, man müßte auf die Knie, auch auf den Bauch. Aber wer sich das antut, der könnte beim zweiten Ausgang hinausgucken, und wenn er es geschickt angestellt hat, auch wieder aus dem Aven Volpellière wieder hinausmarschieren.

 
   

Erwähnt sei nur noch, daß es in diesem Raum noch mehr Höhlen gibt, die zu finden allerdings nicht leicht ist, weil sie oft gut versteckt im dichten Unterholz liegen und ohne daß auch nur der kleinste Hinweis darauf existiert, daß sich da ein unterirdisches Großobjekt öffnet. Umso größer ist dann die Freude, wenn man es tatsächlich findet.

Eine der bedeutendsten Höhlen liegt heute im Garten eines Hauses. im Weiler Cambous. Gleich von der schmalen Straße aus sieht man linkerhand die Bodenvertiefung von 20 m Durchmesser. Ein kleiner Schacht schließt sich an, dann noch 2 weitere kurze, dann steht man in einem Tunnel, der sich nach oben und unten fortsetzt und den Lauf des unterirdischen Vidourle bildet. Seltsam, das rote Schild am Eingang: "DANGER DEFENSE D'ENTRER". Warum "Gefahr"? Lauert da unten ein Drachen oder eine Fliegerbombe? Warum tauchte in mir in diesem Augenblick nicht der Satz eines berühmten Franzosen auf: "Eigentum ist Diebstahl!" Es war Pierre-Joseph Proudhon. Wer wird hier vor wem geschützt?

 

     

 


 

Im Hochwasserbett des Vidourle, noch baut da keiner

 


Die Quelle in Sauver

Literatur:

Minvielle, P. Grottes et Canyons, Ed. Denoel, Paris 1977
Minvielle, Pierre Guide de la France souteraine, Tchou, Éditeur, 1970
Viala, Claude Grottes et caches camisardes, Les Presses du Lanquedoc, Montpellier 2005

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