Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Wemyss Caves, Fife, Schottland


Im BLUE GUIDE "Scotland" steht über diese Brandungshöhlen am Rande des Firth of Forth an der Ostküste Schottlands: "Beyond Dysart, West Wemyss, Coaltown of Wemyss and East Weymss follow one another in quick succession, the name deriving from 'weems', or caves, of which there are several along this coast, although most are in poor condition and difficult of access."

Diese kurze Beschreibung ist gut für den Schutz der Höhlen, weil sich danach wohl niemand mehr dafür interessiert, allein sie hätten mehr Beachtung durchaus verdient.

Am Beispiel dieser Höhlen zeigt sich exemplarisch, wozu Mensch die "Höhlen" alles verwenden können. Die wichtigsten Funktionen waren:

Ein gewisser Jonathan gab der Jonathan's Cave seinen Namen. Er lebte dort der Überlieferung nach im 18. Jahrhundert mit seiner Familie und übte den Beruf des Nagelschmieds dort aus. Noch heute kann man gelegentlich noch einige Nägel vom Boden auflesen. Auch Zigeuner benutzten die leicht erreichbaren Höhlenräume als bequemen Unterschlupf. Die archäologischen Befunde der Ausgrabungen ergaben, daß die Höhlen auch schon in sehr früher Zeit bewohnt waren. Die erste nachweisbare Besiedlung fällt in die Eisenzeit (500 v.Chr.- 400 n.Chr.). Es ist anzunehmen, daß sie auch in den darauffolgenden Jahrhunderten sich fortsetzte. Auch aus dem Mittelalter hat man Scherbenreste gefunden, was auch für eine Benutzung in dieser Zeit spricht.

In der heute nicht mehr zugänglichen Glass (oder Glassworks) Cave mit ihren gewaltigen Abmessungen (60 m Länge, 30 m Breite und 10 m Höhe) westlich der Michael Colliery war 1610 von von Sir George Hay die erste schottische Glashütte errichtet worden. Sie arbeitete bis ins nächste Jahrhundert hinein, stellte aber dann den Betrieb ein. Sie wurde später auch als Kuhstall verwendet und zuletzt war das letzte Loch des alten Wemyss Golfkurses in ihrem Eingang angelegt worden.

In der Doo Cave kann man noch heute viele Höhlungen in den Wänden der Höhle sehen. Sie die Reste alter Taubenschläge, die man dort im Mittelalter in den Fels geschlagen hatte. Man brauchte die Tiere, um auch im Winter genug zum Essen zu haben.

Neben all diesen sehr profanen Nutzungen gab es aber offenbar auch sehr viel "gehobenere". Die heute noch übrigen Höhlen bergen eine erstaunlich hohe Anzahl von Felsritzzeichnungen, die sehr in ihrem Bestand gefährdet sind. Genaue Datierungen sind meist unmöglich, aber es spricht viel dafür, daß die figürlichen Tierzeichnungen oder die Menschendarstellungen aus piktischer Zeit stammen. Diese Motive haben alle auch ihren Platz in der keltischen Mythologie, der schottischen Folklore und anderen Kunstwerken der Pikten.

Was sich hier vielleicht an Kulthandlungen einmal abgespielt hat, das läßt sich heute natürlich nicht mehr im Detail feststellen. Aber vielleicht ging der alljährliche Neujahrsumzug, der bis Ende des 19. Jahrhunderts dorthin stattfand, auf ein altes Ritual zurück. Er begann mit einer Kerzenprozession bis zur Höhle, wo sich die Teilnehmer um die heilige Quelle versammelten und Lieder sangen. Anschließend teilte man dann Kuchen und Wein. Interessant ist, daß auch der Zeitpunkt dieser Feier keineswegs leicht genommen wurde. Wegen verschiedener englischer Kalenderumstellungen war das ganze Zeitsystem durcheinander geraten, was sogar zu Protesten der Schotten führte. Man verlegte den Feiertag auf den ersten Montag nach dem 11. Januar. Rankin, der sich viel mit diesen Höhlen und ihrem Kult beschäftigt hat, sieht eine Verbindung zwischen diesen Kalenderfragen und der uralten heidnischen Tradition, Samhain zu feiern, das alte keltische Neujahrsfest. An diesem Tag sollte angeblich der "fairy piper" in diese Höhlen kommen, um die Bösen und Ungläubigen zusammenzurufen und ein 'Tir Nan Og' genanntes Wesen versuchen würde, die Sterblichen in das Land der ewigen Jugend fortzulocken.

Nicht alltäglich ist auch die Benutzung einer Höhle als Gerichtsstätte. Der Name "Court Cave" weist noch heute darauf hin. Im Mittelalter hatte der Landeigner die Pflicht für Recht und Ordnung zu sorgen und war der Vorsitzende des "Baron Courts", wohl einer Art Schöffengericht. Diese traf sich normalerweise unter freiem Himmel, aber in diesem Falle wählte man den Eingangsraum der Höhle. Man erzählte sich, daß eine Glocke, die an der Decke der Höhle angebracht worden war, die Teilnehmer an den Gerichtsverhandlungen zusammenrief.

Von der Court Cave heißt es auch, daß sie eine unterirdische Verbindung von dort nach Kennoway gebe, 5 km entfernt. Durch diesen Gang sei einst MacDuff, der Herr von MacDuff's Castle, das sich gleich oberhalb am Klippenrand befindet, vor MacBeth und seinen blutrünstigen Gesellen geflüchtet. Auch die Well Cave habe unterirdische Verbindungen mit MacDuffs Castle.

Traurigstes Kapitel ist die Benützung der Höhle als Müllabladeplatz. Als ich einmal in den 80er Jahren dort war, barg die Court Cave ein richtiges Autowrack. Alles was irgendeinen Wert hatte, war ausgebaut worden, der Rest lag da zerschmettert, verbeult, verrostet. Bemerkenswert ist auch, daß solche Deponierungen aber keineswegs nur aus unserer Zeit stammen. Bei den Ausgrabungen in der Jonathan's Cave stieß man in der obersten Fundschicht gleich auf größere Eisenteile, die an mehreren Chassis von Lkws stammten!

Genauso traurig ist auch die Zerstörungsgeschichte dieser Höhlen. Das beginnt schon damit, daß in der Gegend Kohlebergbau betrieben wurde, was nun dazu geführt hat, daß sich allmählich der Boden wieder senkt. Solche Absenkungen sollen daran schuld sein, daß heute die Glass Cave wegen des Einsturzes des Höhlendaches schon ganz verschwunden ist.

Die Michael Cave wurden bei Bauarbeiten für die Errichtung eines neuen Boilers für das Bergwerk entdeckt. Der Archäologe hatte gerade einmal Zeit, die Höhle nach Felszeichnungen zu untersuchen, und fand tatsächlich eine schamanistische Jagdszene. Zu mehr war nicht mehr Gelegenheit. Die Bauarbeiter hatten sie umgehend wieder mit Beton verfüllt.

Besonder originell ist auch das Schicksal der Westlichen Doo Cave. Ihr Ende war gekommen, als man oberhalb von ihr im 1. Weltkrieg eine Kanone in einer Verteidigungsstellung abfeuert wurde, was das Dach der Höhle zum Einsturz brachte.

Es gibt auch ein paar Sagen, die sich mit diesen Höhlen beschäftigen.

Viele Höhlen Schottlands heißen "Piper's Cave" und überall wird die gleiche Geschichte erzählt: Ein Dudelsackspieler sei, dudelsackspielend, irgendwann einmal in die Höhle hineinspaziert und nie mehr wieder heraus gekommen. Was bedeutet wohl so eine Geschichte?

In der Court Cave soll es spuken. Der Geist sei eine junge adlige Dame, Mary Sibbald, die die Tochter eines Edelmannes aus West Fife gewesen sei. Mary soll vor Trauer und Bitterkeit in der nahe gelegenen Well Cave gestorben sein. Sie hatte dort Heilung gesucht, nachdem man sie für ein Verbrechen bestraft hatte, das sie begangen hatte. Ihr war vorgeworfen worden, sie habe Obst von Baron Bailie von East Wemyss gestohlen, was auf einer falschen Aussage von Zigeunern beruhte. Sie heißt auch die "Weiße Lady", weil sie weiß gekleidet immer wieder gesehen worden sei. Der Baron und der Anführer der Zigeuner seien solange von ihr verhext worden sein, bis der wahre Dieb sich zu erkennen gegeben hatte. Noch heute soll sie manchmal zu sehen sein. Eine schöne schottische Gespenstergeschichte.

Es gibt in inzwischen sogar eine kleine Vereinigung, die sich um den Schutz dieser Höhlen kümmert und sich "Save the Ancient Wemyss CAves Society" nennt. (c/o 17 Townsend Crescent, Kirkcaldy, KY 1DN, Fife, Scotland).

Wer noch mehr über diese Höhlen erfahren will, für den gibt es folgende gute Internetlinks:

http://www.fifepost.freeserve.co.uk/wemyssscaves.html

http://www.fifepost.freeserve.co.uk/swacs.html

 

MacKie, Euan W., Glaister, Jane M. THE WEMYSS CAVES, FIFE, Hunterian Museum, University of Glasgow, Kirkcaldy Museums and Art Galery, 1981
ohne Verfasserangabe Coastal caves under threat, DESCENT (117) APRIL/MAY 1994 p 13

 

Zum Schluß noch ein paar Bilder

 

Links:

Landschaft und Höhlen in Schottland

 


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