Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Dan-yr-Ogof, Wales
Ausschnitt aus einem Sinterröhrchenbild7
"Ehemaliges unterirdisches Bett des Flusses Llynfell. Langer einfacher Gang, der sich in zwei Arme teilt und in einen kleinen See mündet. Der Rest der Höhle, der Besuchern nicht zugänglich ist, enthält noch einige Wasserbecken." So wird ganz knapp diese bekannte Höhle, und weil sie für die Besucher im Eingangsteil auf 2,4 km erschlossen ist, auch Schauhöhle 1977 in dem Buch von Aellen und Strinati über "Die Höhlen Europas" charakterisiert. Sie vergessen nicht, die "zahlreichen und schönen Sinterbildungen" zu erwähnen, die es auch dort gibt.
Die Höhle ist heute nur der Mittelpunkt eines ganzes Tourismuskomplexes, den es im oberen Teil des Swansea Valleys in Südwales heute gibt. Zwei weitere Höhlen gehören dazu, die Cathedral Cave, ein großräumiger Höhlentunnel, und die Ogof yr Esgyrn, die Knochenhöhle. Daneben gibt es dann noch einen Dinosaurierpark, eine Trockenskiabfahrt, ein Hotel, ein Restaurant, einen Geschenkeladen und auch noch einen Camping- und Caravanpark. Ganz anders als bei vielen anderen Schauhöhlen besteht zwischen den Höhlenforschern und der Schauhöhlenverwaltung ein sehr einvernehmliches Verhältnis. Das liegt daran, daß der Eigentümer der Höhle, Ashford Price, Gott lasse ihn lange leben, den Höhlenforschern gegenüber immer sehr aufgeschlossen ist. Tim Stratford bezeichnet ihn als "a source of encouragement and inspiration to the explorers". So etwas gibt es nicht oft. Da fallen mir auf Anhieb zahlreiche viele negative Gegenstücke ein, wenige Leuchttürme, die für diese menschliche Art, miteinander umzugehen, stehen.
Für die Höhle besteht ein "leadership system", d.h. wer einen findet, der als "leader" akzeptiert ist vom Dan yr Ogof Access Management, der darf mit ihm auch hinein in diese wunderbare Wunderwelt. Damit wäre die rechtliche Hürde genommen, dann stehen aber noch mehr vor einem, vor allem die Höhle selber. Und die ist nichtzuletzt an einer entscheidenden Stelle sehr eng und durch dieses Nadelöhr gibt es einen Ausweg - ein noch engeres Nadelöhr in einem nahe gelegenen anderen Teil der Höhle.
Der Eingang zur Höhle war sicherlich immer schon den Menschen bekannt, schließlich ist er an einer Stelle, wo ein Wasserfall aus der Felswand tritt, der nach kurzem Lauf in den Fluß Tawe fließt. Als offizielles Entdeckungsmonat gilt der Juni 1912, wo die Gebrüder Morgan, Ashwell und Jeff, ausTy-Mawr, Abercrave, mit Kerzen in die Quelle eindrangen. Eine kleine Öffnung führte in einen großen Gang, der hoch über dem Fluß lag. An einem See kehrten sie um, den sie am nächsten Tag mit einem kleinen Floß überquerten. Diesmal war noch der Bruder Edwin und der Gamekeeper, eine Art Jagdgehilfe, Morgan Williams, dabei. Das Hindernis konnte überquert werden, man drang weiter vor und so weiter und so fort. An einem lärmenden Wasserfall kehrte man letztendlich um und lange Jahre hindurch passierte nicht mehr viel in der Höhle. Erst 25 Jahre später wurde weitergemacht. Eine Gruppe von Höhlenforschern aus den Yorkshire Dales und den Mendip Hills nahm sich die Höhle wieder vor und entdeckte das, was heute die "1937er Series heißt". 1939 wurde der Eingangsteil bis zum 1. See als Schauhöhle eröffnet, aber der 2. Weltkrieg beendete diesen Abschnitt schon wieder recht schnell. Während des Krieges diente sie einem Zweck, der auf englisch mit "government store" von Stratford bezeichnet wurde. Wie soll man das bloß in die deutsche Sprache übersetzen. Das sollte man vielleicht besser lassen. Erst 1964 wurde sie dann wieder für die Öffentlichkeit geöffnet.
Das hat wohl auch wieder das Interesse der Höhlenforscher an der Höhle wachsen lassen. Das Ende der damals bekannten Höhle war eine Engstelle, die noch heute "Long Crawl" heißt.
45 m wird als Länge angegeben, "quite tight in places", Peter Ogden soll der erste Mensch gewesen sein, der ihn bezwungen hat im Jahre 1965 (laut Tim Stratford).
So steht und stand das in den unten genannten Veröffentlichungen. Alleine, das stimmt nicht! Glaubt nicht immer dem, was geschrieben steht! Ein ungeheurer Aufruf. Denn was, bleibt denn von uns, wenn wir tot sind? Das was wir, vielleicht geschreiben haben, aber das was, leider, oft nicht "richtig" ist, weil es in Wirklichkeit ganz "anders" war und ist.
So auch hier:
"This crawl was not passed until 1963 when Eileen Davies, a local girl and member of the South Wales Caving Club struggled through it" - die "Überlegenheit der Frau" in engen Schlufen......
Es ist heute der 11.10.2005.......
Danach kam und kommt noch immer ein enges
Rutschstück, das einen an den oberen Rand eines Schachtes
bringt, der heute mit Hilfe einer Stahlkette abgeklettert werden
kann. Daran schließt sich Dan yr Ogof 2 an, ein
"Traumland" für jeden Höhlenforscher.
Ich schreibe das, weil ich weiß, was man da hinter sich und vor
sich hat. Würde man zum Beispiel den Long Crawl einfach
wegsprengen und das Gelände jenseits durch einen bequemen Tunnel
ersetzen, das ganze Gefühl wäre weg. Das ist nichts anderes,
als wenn man zu Fuß einen Berggipfel erklimmt und dann sich
umschaut - oder ob man mit der Seilbahn hinauffährt, heute ja
schon fast fliegt, und dann die Augen öffnet. Auf der Zugspitze
kann jeder diesen Test machen.
Schwarze Tunnels, wasserdurchtoste Gänge, große Hallen, Sinterröhrchengalerien. Am Ende der "Green Canal" - hier geht es noch weiter in den Untergrund der "Black Mountains" hinein, kilometerweit, Dan yr Ogof 3. Das Ende ist an riesigen Verstürzen, an denen englische Höhlenforscher seit vielen Jahren arbeiten. Irgendwann wird sich diese Arbeit auszahlen und dann werden wieder Durchbrüche erreicht. Das Gelände ist perfekt geeignet für riesige Höhlen. Zwischen einer der Hauptversickerungsstellen an der Oberfläche, Sinc y Giedd, und der Quelle sind es immerhin 3,5 km Luftlinie und 200 m Höhenunterschied. Und die Distanz zwischen diesen Ort und der nähesten Kontaktstelle in der Höhle sind noch 3 km und 180 Höhenunterschied, dem letzten Vorstoßpunkt der Taucher in "Mazeways 2". Und dabei hat die Höhle heute schon mehr als 15 km Gesamtganglänge.
Im August 1976 war ich das erste Mal in der Schauhöhle, die mir nicht stark in Erinnerung geblieben war. Im August 1986 hatte ich dann das Glück, mit Mitgliedern des SWCC eine einmalige Tour dort hinein unternehmen zu können, denen ich heute noch dankbar bin. Heute ginge das wahrscheinlich gar nicht mehr. Die Engstellen...
Ich erinnere mich heute noch am deutlichsten an den "Long Crawl". Ich mag solche Felsrestriktionen überhaupt nicht. Aber als ich vor diesem Minispalt im Gestein stand, die beiden anderen hatten mir meinen Schleifsack mit dem Fotozeug schon abgenommen und es mitgenommen, und waren voraus gekrochen, da hab ich mir überlegt, ob ich es versuchen soll oder nicht. Alles vorher war nichts mehr - es galt nur eine Entscheidung zu fällen. Es war so ein richtiger "point of no return" für mich. Ich entschloß mich. Alles runter. Helm, Lampe, die schob ich vor mir her. Dünne Unterkleidung, Schlaz. Bauch einziehen. Es ging kopfvoraus nach unten, dann um ein Eck nach links. Abwinkeln. Sich hineindrücken, hineinstemmen mit den Füßen. Was konnte ich noch tun, wenn es vorne zu eng werden würde? Zurückdrücken und abwinkeln mit den Händen. Ich dachte lieber nicht mehr solche Gedanken. Eigentlich gab es da nur noch ein "Vorwärts", falls es ein solches überhaupt noch für mich geben würde. Von Rühren in diesem Gebilde zu sprechen war völlig illusorisch. Immer mehr rückten die engen Felswände zusammen. Am Boden mit dem Bauch zu liegen war nicht mehr möglich, so verlegte ich mich auf den Arm und alles andere kam darauf. Allenfalls mit den Füßen war noch ein kurzes Vorstoßen möglich, dann schob ich mich noch ein paar Zentimeter tiefer in dieses steinharte negative Gebilde rund um mich herum in den Black Mountains. Den Gedanken, daß vor mir eine Stelle sein könnte, die noch enger ist, und die deshalb so eng ist, daß ich eben auch beim besten Willen und ruhigstem Gewissen und vollkommen abgestellter "Vernunft" überhaupt nicht mehr durchkomme, den gestattete ich mir einfach nicht mehr. Ist wirklich nicht einfach. Denn der Überlebenswille in mir ist noch zu stark durch , der Gedanke, daß nach dem Tode ein Paradies mit ......... auf mich wartet, der kommt mir nicht, ich würde gerne noch ein bißchen länger leben, selber was "richtig" machen, und dabei passieren halt auch ein paar "Fehler", in Wahrheit sind nur noch ein paar mehr "Lernschritte" nötig, bis ich "vollendet" bin, was ich wohl nie sein werde! Wer in solcher Weltenge gesteckt ist, selber, dem seien solche Gedanken gestattet. Das ist ein Grenzerlebnis ohne Erfolgsgarantie. Das ist nicht lehrbar, höchstens riskierbar. Früher haben die Menschen "Gottesurteil" dazu gesagt, heute servieren Professoren vielleicht mathematische Formeln über Beamer, gesteuert von Laptops auf Displays - aber sind die oder irgendwer anderer wirklich "weiter".
Ich habe es gewagt und habe es überlebt. Als ich tat- und tastsächlich diese lange enge Strecke geschafft hatte, da war mir sofort klar, daß ich noch ein ganz großes Problem vor mir hatte - nämlich den Rückweg! Aber diese Prüfung konnte ich ja noch hinauszögern, wenn ich z.B. mehr Bilder in der Höhle machen würde, und überhaupt. Jetzt lebte ich ja noch. Das waren für mich wirklich geschenkte Stunden. Nicht in dieser verdammten Engstelle hängen, mich verkleinern, anschmiegen, drücken, blockiert sind, was weiß ich. Aber der Moment der "Wahrheit" ließ sich nicht unendlich hinausschieben. Wir kamen wieder zu dem Schlupfspalt. Wieder wurde mir geholfen. Ich hatte nicht auch noch meinen Fotosack mit mir zu schleifen. Ich schob nur Helm und Karbidlampe vor mir her - den "Rest" versuchte ich so stromlinienförmig wie nur irgendmöglich zu machen. Mit den Schuhspitzen mich abstoßend, vorruckelnd um Zenti- und Millimeter. Egal. Es brachte mich vorwärts. Ich faßte Hoffnung. Ich hatte eine Chance. Dann war ich draußen. Die Arme konnten wieder an meine Flanken genommen werden, ich konnte wieder nichtig tief durchatmen, der Bauch machte auch "nichts" mehr aus, und das Tageslicht war auch in absehbarer Entfernung und die frische Luft.
Wer mich frägt, was ich eigentlich als
"Erkenntnis" aus den vielen Höhlentouren, die ich
gemacht habe, mitgebracht habe, dann sage ich oft, daß es das
Erlebnis sei, wieder "draußen" zu sein.
Ich kann mich zum Beispiel hinstellen, gerade, und muß nicht,
höhlengezwungenerweise, gebückt gehen, liegen, kriechen. Ich
muß nicht noch einmal durch ein absolutes "Grenzloch"
kriechen (wovon die allermeisten Menschen schon einmal
konfrontiert waren - außer sie kamen durch einen
"Kaiserschnitt" auf die Welt). Wer mit den steinernen
Höhlen der Welt viel zu tun hat, der versteht, was ich meine. Da
bin ich "felsenfest" sicher.
Literatur:
Waltham, Tony | Caves, crags and gorges, A Constable guide, London 1984 |
Oldham, Tony and Anne | Discovering Caves - A guide to the show caves of Britain |
Stratford, Tim | CAVES OF SOUTH WALES, Cordee - Leicester 1995 |
Stratford, Tim | A Classic Cave in South Wales - Dan yr Ogof, The International Caver (8) 1993, P 19 |
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