Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Goyden Pot / Yorkshire Dales / England
Die Yorkshire Dales bilden eines der faszinierendsten Karstgebiete der Erde. "Textbook material with a worldwide reputation" (Tony Waltham). Vor 15 000 Jahren noch war das Gebiet vom Eis bedeckt und räumte einen Großteil der Oberfläche leer. Als es sich zurückzog, blieb der nackte Kalkstein zurück. Es regnet oft dort, und dieses Wasser verschwindet schnell im Untergrund. So haben sich viele Höhlensysteme gebildet, so viele, daß es dort mehr gibt, als im übrigen Teil Großbritanniens zusammen.
Ich bin in den vergangenen 25 Jahren schon mehrmals dort gewesen, hatte einige der Klassiker schon befahren, Lancaster-Easegill, Gaping Gill, Alum Pot, Tatham Wife.., war vielen freundlichen und kompetenten Cavern begegnet und hatte die speläologische Infrastruktur kennengelernt - Bernie's Cave, Inglesport, Green Close, verschiedene Pubs in Clapham, Ingleton.
Tatham Wife Eingang | |
Lancaster Easegill | |
So war ich durchaus zufrieden, als mir Carolina Shrewsbury bei unserem Besuch im Sommer 1999 "nur" den Vorschlag machte, den Goyden Pot zu befahren, und nicht noch was viel Größeres.
Dabei ist das Goyden System gar nicht mal so klein. Es liegt im Osten des Yorkshire Dales im Tal des Niddflusses. Die Quellen des Nidd befinden sich an den Osthängen des Great Whernside. Der Nidd wird im Oberlauf in 2 Reservoirs aufgestaut und fließt dann südwärts Richtung Pateley Bridge in dem von den Gletschern geformten Nidderdale. Auf dieser Strecke versinkt er plötzlich im Untergrund und fließt normalerweise unterirdisch bis zu den 3 km entfernten Quellen von Nidd Heads beim Dorf Lofthouse.
Das Wasser verschwindet im Manchester Hole, tritt wieder zum Vorschein im Goyden Pot und noch einmal im New Goyden Pot. Höhlentauchern ist es gelungen, diese drei Höhlen miteinander zu verbinden, so daß es sich um ein Gesamtsystem von 6,5 km Länge heute handelt. Vor der Befahrung ist unbedingt das Wetter zu prüfen, denn im ungünstigsten Fall steht das gesamte System unter Wasser und würde alles ertränken, was da drinnen noch aufhält. Das war scheinbar nicht immer der Fall, denn in einigen abgelegenen Teilen des Goyden Pots stößt man sogar auf Sinterbildungen, die jedoch von den Überflutungen massiv angegriffen werden.
Wer einmal eine richtige "wilde Wasserhöhle" sehen
will, für den ist der Goyden Pot genau das richtige. Der Eingang
ist leicht zu finden, denn er liegt genau dort, wo das
normalerweise trockene Bachbett aufhört. Spätestens dort
verschwindet auch bei Hochwasser das gesamte Wasser und reißt
alles mit sich hinein in die Höhle. Große Baumstämme liegen
herum, ganze Wurzelstöcke blockieren draußen und auch drinnen
im Loch den Weg.
Breit und nieder geht es anfangs in den Tunnel, in dessen Boden
große Strudelkolke und Fließfacetten das Bild prägen. Bald
kann man aufrecht weitergehen, es gibt eine Verzweigung, die nach
links zur "Window", einem Aussichtsfenster in die
große Halle führt, und nach rechts, erst wieder etwas niedriger
und dann mächtig groß werdend, in die "Main Chamber"
und die anschließende "River Passage". Hier stößt
man auf den Fluß, der über kleine Wasserfälle immer tiefer
führt. Ein richtig schöner Flußtunnel ist da, eine Holzstange
weist nach oben in einer höher gelegenes Seitensystem. Die Decke
senkt sich, man muß kurz einen "hands-and-knees-crawl"
hinter sich bringen und erreicht dann die "Endhalle",
deren Sohle aus einem großen See besteht, der in einen Siphon
übergeht.
Hier hat man den bequemen Teil der Höhle hinter sich. Nach
links geht es in immer niedriger werdende Gänge, die anfangs
noch gebückt, dann nur noch bekrochen werden können. Dann
verzweigt sich das alles auch noch in alle Richtungen, so daß
man ohne genaue Ortskenntnis sich richtig "verkriechen"
kann in diesem Labyrinth. Das Geräusch eines kleinen Bächleins
ist ein willkommenes Hilfsmittel, um sich darin zurechtzufinden.
Manchmal wird es aber zu eng direkt im Bach, dann gilt es
auszuweichen in Seitenschlufe, die einen dann weiterbringen, aber
wohin eigentlich? Zu noch mehr Schlufen, Steinen, Müll und
Holzresten.
Der englische Journalist Matthew Parris veröffentlichte in der
TIMES vom 14. August 1999 einen Höhlenbefahrungsbericht aus
einer katalanischen Höhle und die Art, wie er die Fortbewegung
dort beschrieben hat, trifft genau das, was wir erlebt haben:
"We wormed, splashed, clambered and stumbled our way
forward.." Besonders das "wormed" gefällt mir,
das "Wurmen".
Ich glaube, Carolina hatte langsam genug, ich war auch nicht besonders scharf drauf, immer noch mehr Kanalröhren anzuschauen, so kehrten wir uns. Es gab da noch einen Gang nach oben, der wurde sogar wieder größer, anfangs konnte man sich sogar wieder bücken, dann mußte man eine Aluleiter hoch und konnte am Ende in einem kleinen Raum sogar wieder stehen. Von den alles immer wieder überflutenden Wassermassen stark beschädigter Sinter war da, auch ein Bächlein. Ein bißchen Suchen und wir fanden hinter einer weiteren Bückstelle sogar wieder den Zugang zu einem kleinen schön profilierten Tunnelgang, der aber bald wieder zu Ende war. Carolina holte das Zeichenbrett heraus und zeichnete, ich zerrte die Kamera aus der Plastikbox und versuchte mit dem einzigen mir noch verbliebenen Blitz noch irgendwas Photographisches auf den Film zu bannen. Na ja. Dann machten wir uns endgültig auf den Rückweg, ich versuchte es mal hier noch mit einem Blitzchen, mal da. Richtig gut wurde es nirgends.
Draußen beim Auto sahen wir, daß nur wenige Meter vom Auto ein ganzes Arsenal von Höhlenausrüstungen auch dem Gras ausgebreitet war, ohne daß auch nur eine Menschenseele in der Nähe zur Aufsicht war. Hier bereitete sich wohl schon wieder eine Gruppe aus einem Outdoor-Center auf eine Höhlentour vor, und der Goyden Pot mit den Höhlen der Umgebung ist sicherlich ein beliebtes Ziel für sie.
Carolina spielt für mein Gefühl so ein bißchen englischen Michael Schumacher und schoß bald zu Tale. Wir stoppten noch in einem der vielen gemütlichen Pubs, genehmigten uns noch ein verspätetes Mittagsmahl, dann schoß sie weiter. Gottseidank war nicht so viel Verkehr, so daß ichs gut durchgestanden habe.
Der Goyden Pot ist sicherlich ein dankbares Objekt für Höhlenfotographen, aber da müßten wir ein paar mehr sein. Trotzdem es war eine schöne Tour mit Carolina da hineinzugehen. Erlebt habe ich auch da etwas Neues. Wir hatten gerade die Eingangsteile hinter uns gebracht und es wurde allseits dunkel, da schlug Carolina vor, sich doch kurz hinzusetzen, damit sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnen könnten. Das war eine gute Idee, und so saßen wir nun da auch einem Felsen, die Füße herunterbaumeln lassend, von unten drang das Rauschen des starken Baches herauf. Meine Augen sahen schwarz, wirklich nur schwarz. Und Carolina erzählte mir, daß sie etwas sehen würde, sie könne die Formen der Felsen erkennen, die Wandstrukturen, ganz klar. Und ich sah nichts, schwarz eben. Seltsam. Sieht eine Künstlerin anders als ich? Ist das nur Einbildung oder Zugang zu einer Wahrnehmung, die mir nicht zur Verfügung steht? Jedenfalls ein Erlebnis.
Literatur:
Davies, G.M. | The Caves of Nidderdale, in: LIMESTONES AND CAVES OF NORTH-WEST ENGLAND, Edited by A.C.Waltham, BCRA 1974 |
Waltham, Tony | Caves, crags and gorges, London 1984 |
,
Nach der Tour |
Braemoor
Selected Caving Routes in the Dales
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