Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft und Höhlen auf Kastellorizo, GR
Kastellorizo, Castelrosso, Megisti, Mayas, Meis - viele Namen hat diese Insel schon bekommen im Laufe ihrer Geschichte, was wiederspiegelt, daß sie schon viele verschiedene Herren hatte: die Griechen, die Römer, die Byzantinischen Kaiser, der Johanniterorden, die ägyptischen Sarazenen, die Franken, das Osmanische Reiche, die Italiener, Briten, schließlich seit 1947 wieder die Griechen. Überraschend ist es schon, wenn man heute, 2011, in 20 Minuten von der türkischen Küste bei Kas loslegen kann und dann auf einmal vom Lautsprecher des Kapitäns hört: "Kalimera". Solange war man nur noch "Merhaba" gewohnt, und nun geht der Wechsel ganz plötzlich.
Kastellorizo umfaßt gerade mal 9 km² Grundfläche, der höchste
Punkt ist mit dem Gipfel des Vigla erreicht, der 273 ü.d.M liegt. Die Insel
liegt 120 km östlich von Rhodos und gerade mal 3 km sind es bis zur türkischen
Küste. Gerade mal 400 Einwohner hat heute die Insel, eine Zahl, die auch schon
einmal viel höher lag. In ihrer Blütezeit sollen hier 15.000 bis 20.000 Menschen
gelebt haben, was sich aber stark änderte seitdem sie 1922 unter italienische
Verwaltung kam und viele Bewohner auswanderten, besonders nach Australien. Deren
Nachkommenschaft beläuft sich heute auf 10.000 und sie haben als Gruppe einen
eigenen Namen, die "Kassies". Die Insel hatte einmal strategische Bedeutung, da
in dem sicheren Hafen Wasserflugzeuge auf ihrem Weg in der 30er Jahren nach
Afrika und den Nahen Osten zwischenlanden konnten.
Im Zweiten Weltkrieg griffen die Briten 1941 erfolglos die Insel an. 1943, nach
der Kapitulation Italiens, übernahmen sie die Insel und evakuierten die
Bevölkerung aus Angst vor deutschen Luftangriffen nach Ägypten, Zypern und
Palästina. Während eines Luftangriffs der Deutschen gaben die Briten im Sommer
1944 die Insel auf. Bei diesen Angriffen fing ein Munitionslager Feuer und bei
der anschließenden Explosion wurde mehr als die Hälfte aller Häuser auf der
Insel zerstört. Man sieht noch heute an vielen Stellen die Ruinen, seit mehr als
einem halben Jahrhundert hat sich dort nichts mehr geändert.
Heute nimmt die Einwohnerzahl langsam wieder zu. Immer mehr entdecken den Charme
dieses winzigen Ortes rund um das hufeisenförmige Hafenbecken. Aufwendig wurden
viele Häuser unmittelbar an der Uferpromenade restauriert. Es gibt zahlreiche
Restaurants, Kafenions, kleine Souvenirgeschäfte, einen duty-free-shop, ein
Reisebüro, einen Taxistand. Gibt es mehr als 10 Autos auf der Insel? Man
braucht ja eigentlich keines, weil das Straßensystem vielleicht 10 km lang und
alles gut zu Fuß erreichbar ist.
Lange war die Insel nur schwer erreichbar. 2 bis 3 mal pro Woche kam ein Schiff aus Rhodos und fuhr wieder dorthin. Das tut es noch heute, aber der Wandel kam wohl durch die Öffnung der Grenze zur Türkei. Seit 2007 ist es möglich, mit einem Fährschiff in nicht einmal einer halben Stunde von Kas morgens nach Kastellorizo zu fahren und gegen 15.30 Uhr wieder zurückzufahren. Ein wenig aufwendig ist es schon. Man muß seinen Reisepaß mindestens 1 Stunde vorher abliefern, damit die Ausreiseformalitäten erledigt werden können. Zurück bekommt man ihn erst wieder, wenn man wieder zurück in Kas ist. (Wer wie ich eine Extranacht auf Kastellorizo verbringen will, der bekommt auf der Insel den Paß nach einer gewissen Wartezeit wieder ausgehändigt und muß ihn vor der Rückfahrt wieder beim Kapitän abliefern. Man bekommt ihn dann auf der türkischen Seite, mit neuen Stempeln versehen, wieder zurück). Es soll inzwischen auch eine tägliche Flugverbindung mit Rhodos geben, der über die abseits in den Bergen gelegene Landebahn abgewickelt wird. Wer über eine eigenen Yacht verfügt, der hat es einfacher. Er steuert dann halt den Hafen an und legt an einem der vielen Landeplätze an.
Viel anschauen braucht man eigentlich nicht auf der Insel. Ein Spaziergang entlang des Hafenbeckens ist schon alleine erbaulich und angenehm, weil es durch die Häuser viel Schatten gibt und oft ein kühlender Wind auf die gelegentlich unerträglichen Temperaturen etwas herunterholt. An Sehenswertem gibt es die Burgruine über dem Hafen, die hauptsächlich aus dem 14. Jahrhundert stammt. Auf dem Weg dorthin kann man in das kleine Ortsmuseum gehen und die Erinnerungsstücke aus der Geschichte der Insel kostenlos bewundern. Im Burgberg liegt seeseitig eine prachtvolles lykisches Felskammergrab aus dem 5. Jht. vor Chr.. Nicht weit davon liegt einer der wenigen freien Badeplätze der Insel, wo man in dem türkisblauen Wasser plantschen kann. Verschiedene Kirchen gibt es natürlich auch, die aber oft abgesperrt sind. In einem alten steinernen Lagerhaus am Ende des Hafenbeckens lebt ein Steinbildhauer, wohin sich nur selten Besucher verirren.
Zwei etwas größere Wanderungen kann man noch unternehmen. Recht
lohnend ist der Besuch von Paläocastro, das auf dem Gipfel des Viglo schon von
den Griechen erbaut worden ist. Auf einem gebahnten Felsweg ist es gut zu
erreichen, wenn auch nicht mühelos, denn man muß fast 300 Höhenmeter
zurücklegen, ehe man die überwältigende Fernsicht auf die anderen Inseln des
Archipels und die türkische Felsenküste genießen kann. Getrübt wird der
Naturgenuß durch den Blick auf die menschlichen Hervorbringungen für
militärische Zwecke in der Urlandschaft. Da steht ein großer Funkturm oder
einen Radarstation auf dem nahen Nebengipfel, eine lange Start- bzw. Landebahn
für Flugzeuge wurde, wo es halt ging, in die ansonsten vollkommen unberührte
Natur gehämmert, ein sehr großes Regenwasserauffangbecken ist an die Stelle eine
Hochfläche getreten, auf der anderen Bergseite sind große kreisförmige
Betonplattformen in die Talung eingelassen worden und zahlreiche Eingänge zu
Kavernen sind nur schlecht getarnt auch aus der Ferne zu sehen.
Eine Felsenfestung hatten die Griechen auf dem Gipfel schon errichtet mit den
Ausmaßen von 90 auf 60 Metern. Sehr wichtig waren die Zisternen, mit denen man
das unverzichtbare Wasser sammelte und die noch heute gut erhalten sind. Im
Osten stehen noch die Reste der Propyläen mit einer dorischen Inschrift.
Verstreut im Gelände gibt es dann noch 5 christliche Kirche, die alle in einem
sehr guten Zustand sind.
Für die zweite Wanderung muß man dem Felsensteig folgen, den man schon vom Hafen
aus den Felshang sich hinaufziehen sieht. Am besten geht man in der Früh- oder
Abendstunden diesen Weg, denn er ist schon ziemlich schweißtreibend. Oben
angekommen hat man einen ****-Blick auf den Hafen, in der anderen Richtung tut
sich eine einsame karstige Hochfläche auf. Sie wird, so weit es die spärlichen
Boden- und Wasserverhältnisse zulassen, landwirtschaftlich genußt. Man kommt
auch an einem alten Kloster vorbei, das aber zugeriegelt heute ist. Von da aus
ist auf schmalen Pfaden die Besteigung des nahen Gipfels möglich oder man
erkundet ein wenig die Ränder des Plateaus, von wo aus man kühne Blicke in die
zum Meer abfallenden Felswände hat.
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Wichtigste Sehenswürdigkeit der Insel ist die Blaue Grotte, die
auch Phokeale (Zufluchtsort der Seehunde) heißt. Es wird nicht viel dafür
geworben und wohl nur ein ganz kleiner Teil der täglichen Besucher der Insel
lassen sich tatsächlich dorthin bringen. Die Lage und Situation der Höhle eignet
sich ja auch gar nicht für einen Massenbetrieb. Man muß sich ein Wassertaxi
nehmen, sprich ein Boot mit fahrkundigem Bootsführer finden, der einen dann
hinschippert. Auf dem Landweg hinzukommen wäre unmöglich. Ich habe 15 Euro für
die Tour bezahlt, weil es noch einen zweiten Mann gab, der auch einmal dorthin
wollte. Er hatte auch ein Handtuch mit dabei, ich nicht.
Es dauert eine halbe Stunde, bis die halbe Insel umschifft ist und man endlich
bei der kaum sichtbaren kleinen Felsöffnung ankommt, die den Zugang ermöglicht.
Unser Kapitän war ein Profi, hieß uns flach auf den Boden des Bootes legen, im
letzten Moment drückte auch er sich noch hinein, wartete, bis ein Wellental den
Abstand zur Höhlendecke vergrößerte und gab genau dann Vollgas. Rasant schnell
glitten wir hinein ins blaue Wunderreich, durften uns wieder aufsetzen und
begannen zu staunen.
Nach den Angaben von Petrocheilou hat die Halle eine Länge von 115 m, eine Breite von bis zu 80 m und eine Höhe bis zu 25 m. Wer nur im Boot die Höhle erfährt, der bekommt davon nur die Hälfte mit. Versturzblöcke teilen den Raum. Den hinteren Teil, ein "fast runder Raum von 40 m Länge, 42 m Breite und 15 m Höhe", sieht man dann gar nicht. Am Ende wäre dann noch ein 6 m langer wasserfreier Abschnitt, der von den Robben als Ruheplatz benutzt wurde oder vielleicht auch noch wird.
Zurück im Hafen unterhielt ich mit einem Kellner über das Erlebnis. Er fragte, ob wir hineingeschwommen seien, das sei schließlich die übliche Art, die Höhle zu erleben. Es war schon so abenteuerlich genug, aber das wäre noch eine Steigerung. Beim nächsten Mal.
Die griechische Höhlenforschergruppe SELAS hat vor ein paar Jahren eine Expedition nach Kastellorizo unternommen und tatsächlich einige kleine Höhlen und Schächte gefunden. Der tiefste Schacht erreichte immerhin - 60 m.
Literatur:
Pitsonis, Marina | Capture Kastellorizo. A walking guide and insight. South Coast Printing (Australia). June 2002 |
Petrocheilou, Anna | Die Höhlen Griechenlands, Athen 1984 |
Rossiter, Stuart | Greece - The Blue Guide, Chicago 1973 |
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