Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Korikyische (oder "Pans-") Grotte bei Delphi, GR


Wer sich heute zur Korikyischen Grotte aufmacht, der geht in die Einsamkeit. Beinahe völlig vergessen, ziemlich versteckt, kaum mehr erwähnt in Reiseführern, existiert sie aber immer noch. Dabei hat sie eine der frühesten schriftlich erwähnten Höhlen überhaupt, vielleicht sogar die früheste Europas.

Das geht zurück auf Strabo, in dessen Schriften sie bereits vorkommt. Ihm folgten dann viele weitere Schriftsteller. Um 170 v. Chr schreibt z.B. Pausanias, daß man ein großes Stück in die Höhle hineingehen könne, ohne daß man ein Licht bräuchte, und daß sie größer sei als die Höhlen, die er in Kleinasien gesehen habe.

Plinius der Ältere, 77 v. Chr. schreibend, berichtet von den Tropfsteinen in der Höhle: "In the caverns of Mount Corycus, the drops of water that trickle down the rocks become hard in the form of stone. At Mieza, too, in Macedonia, the water petrifies as it hangs from the vaulted roofs of the rocks; but at Corycus it is only when it has fallen that it becomes hard." (zitiert nach SHAW 176).

Es ist eigentlich erstaunlich dann, daß man nach mehr als 2.000 Jahren Bekanntheit der Höhle überhaupt noch einen Tropfstein in der Höhle findet, da der Mensch doch so gerne alles mit nachhause nimmt. Aber es gibt tatsächlich dort noch welche, wenn auch ziemlich verrußte.

Woher der Name kommt, das ist nicht eindeutig. Pausanias meinte, er hänge mit dem Namen einer bestimmten Nymphe zusammen, die heutige ethymologische Forschung meint, daß es einen Zusammenhang zwischen der Form der Höhle und dem griechischen Wort für "ledernen Brotsack" gibt. Andere haben den Ausdruck auch mit "aus dem Ledersack" übersetzt und sollen damit Bezug auf eine alte Tätigkeit genommen haben, in dem man Luft in Säcken aufbewahrt habe, etwas, Äolus getan habe. Die Höhle heißt auch "Sarantvli", was übersetzt "40 Räume" bedeutet.

Im Winter soll Dionysos von den Gipfeln des Parnass herabgestiegen sein in sein Heiligtum in der Höhle, während Apollon bei den Hyperboräern weilte. Im Sommer stieg er wieder auf den Gipfel hinauf, während seine Anhängerinnen, die Thyiaden, ihnen in "ekstatischen Festen) alle zwei oder fünf Jahre in oder vor der Höhle feierten. Inschriften in und an der Höhle sollen dies belegen.

In der Antigone von Sophokles 1128ff. findet sich ein Beleg dafür: "Dich erblickte über dem doppelgipfligen Felsen der blitzende Fackelschein, wo die korykischen Nymphen schreiten, die Bakchen, und dich erblickte der Kastalische Quell.

Während der Perserkriege sollen die Bewohner von Delphi die Höhle als Versteck für ihre Habe benutzt haben, als sich Xerxes näherte. Der Gott habe im Orakel geäußert, daß er die kostbaren Weihegaben selber vor den Persern verteidigen könne, die Delpher sollten für sich selbst sorgen. Dann hätten sie dann auch getan. Auch in späteren Jahrhunderten wurde die Höhle immer wieder als Versteck benutzt, z.B. in den Unabhängigkeitskriegen.

Von Delphi aus soll ein Weg in 5 1/2 Stunden zur Höhle führen. Der alte Weg begann als in den Felsen gehauener Pfad oberhalb des Stadions. Nach einer Stunde soll man auf der Spitze der Phaedriaden ankommen, die heute Elafokastro heißen und deren höchster Punkt 4016 ft hoch ist. Der weitere Weg führt auf das Plateau von Livadi, das auch heute noch almwirtschaftlich genutzt wird.

Leichter ist er über das Skizentrum Arachowa erreichbar, wo es aber immer noch ein paar Kilometer Fußweg bis zur Höhle sind. Sie ist nicht leicht zu finden, wenn die Beschilderung fehlt. Ich selbst suchte wirklich stundenlang den Berg, in dem sie angeblich sein sollte, ab und fand nichts. Ich war schon am Aufgeben, als sich in letzter Minute unversehens am Berghang erst eine Felsnische zeigte und als ich genauer nachsah, der ganze Höhleneingang. Da sah ich auf einmal mehr. Ein verwildeter Pfad führte ja eigentlich hierher, aber von dem hatte ich die ganze Zeit über nichts gesehen.

Über dem Eingang ist eine große gemeißelte Inschrift, die die Höhle dem Pan und den Nymphen widmet.

Die Höhle beginnt mit einem großen horizontalen Tunnel, der einfach zu begehen ist. Keinerlei Spuren von alten Festen oder Riten sind mehr in der Höhle zu finden. Lediglich zeitgemäße Ritzungen fand ich, z.B. THE CURE. Ein alte, schon wieder verwitternde Tropfsteingruppe schließt den Gang fast ab. An der Seite geht es einfach vorbei, der Gang setzt sich fort. Ab hier braucht man eigens Licht. Weit geht es nicht mehr hinein. Eine verrußte Endkammer mit kleinen Tropfsteinen und vielen Inschriften kommt bald. Auffallend sind die vielen griechischen KS oder SK-Zeichen. Was sie wohl bedeuten?
Ich hatte dort ein absolut erschreckendes Erlebnis, als ich nämlich im August 1988 einmal ganz alleine in diesem innersten Raum stand und urplötzlich ein Wahnsinnskrach dort die Felsen richtig erbeben ließ. Der Schreck fuhr mir in die Knochen. Wie es ausging, das steht in meinem Artikel über "Angst und Höhle", veröffentlicht für HÖREPSY 2001.

Bei Arachowa am Fuß des Parnass
Höhleneingang
 
Inschriften in der Endkammer

1970 wurde die Höhle von der French School ausgegraben, wobei man eine Benutzung der Höhle im Neolithikum, in der spätmykenischen Zeit und zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert v. Chr. nachweisen konnte.


Museum Alte Kulturen im Schloss Hohentübingen

Mänaden

Ist das hängende weiße "Ding" die Abbildung eines
Stalaktitenß

Literarisches:


Literatur:

Böhme, Gernot und Hartmut Feuer Wasser Erde Luft, C.H.Beck, München, 4. Auflage 2014
Frazer, J. G. Pausanias, Des. Gr. (1913) V 399-400
Fontenrose, J. Python: a Study of Delphic Myth and Its Origins (1959) 409-12
Gebauer, Herbert Daniel Resources on the Speleology of Meghalaya State, India, Part 1 Overview, Berliner Höhlenkundliche Berichte, Band 33, Berlin 2008
Gebauer, Daniel  Resources on the Speleology of Meghalaya State, India Part 6: Lumshnong (East Jaintia Hills), Berliner Höhlenkundliche Berichte, Band 60, Berlin 2015
Heger Beschreibung der Korykischen Grotte, zitiert in: Sumpf- und Seebildungen von Griechenland, von Franz Kraus, "Mitheilungen der k.k. geographischen Gesellschaft", Wien 1882, Heft 7 und 8
Herzmanovsky-Orlando, Fritz von Das Maskenspiel der Genien, Residenz Verlag, St. Pölten - Salzburg 2010
Launay, M. Recherches sur les armées hellénistiques (1949) 1010
Lessing, Erich Die griechischen Sagen, Bertelsmann, Gütersloh 1983
Pauly Paulys Real-Encyclopädie des Klassischen Altertumswissenschaften, Neue Bearbeitung 11,2, S. 1451ff.
Rabert, L. Etudes Anatoliennes (1937) 108ff
Rossiter, Stewart BLUE GUIDE GREECE
Shaw, Trevor R. History of Cave Science, The Sydney Speleological Society, Reprint Series, n° 1, Second Edition, 1992, S.11f.
Trantalidou, K., Belegrinou, E., and Andreasen, N.   2010.  Pastoral societies in the southern Balkan Peninsula: The evidence from caves occupied during the Neolithic and the Chalcolithic era, Phenomena of Cultural Borders and Border Cultures across the Passage of the Time.  In Anodos 10, 295-320.  Trnava University.

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