Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Eileithyiahöhle auf Kreta

- Begegnungsort mit einer Göttin


Nicht weit von der Straße, die von Herakleion nach Osten Richtung Ayios Nikolaos führt, zweigt noch vor Amnissos eine Straße nach rechts Richtung Episkopi. Von dort ist es in nicht mehr weit bis zu einer im Altertum recht berühmten Höhle, der Höhle von Eileithyia, die bei den Einheimischen heute auch Neraidhóspilios, Höhle der Nereiden heißt.

In Stuart Rossiters Standardwerk BLUE GUIDE GREECE heißt es darüber: "The cave mentioned by Homer ('Odyssey', XIX, 188) has stalactites (torch necessary) in connection with which the cult ritual took place. Pottery remains show that the cave was used from the beginning of bronze age (E.M. I), if not from Neolithic, through to Roman times." (p. 727)

Homer erwähnt die Höhle an der Stelle, wo dieser seine Frau Penelope anlügt, er ist gerade als Bettler verkleidet, und behauptet, er Aithon - der Bruder des Idomeneus - habe den Odysseus gesehen, welcher in Amnissos' Buch einem gefährlichen Sturm entgangen, beider Grotte der Eileithiya Anker geworfen habe.

Ein Feigenbaum entwächst dem Eingang, wohl kein Zufall, da die Feige immer als ein Symbol der Fruchtbarkeit gegolten hat, nichtzuletzt wegen der Form ihrer Früchte.

In der Höhle, die ein eher breiter als hoher ebenerdiger Tunnelgang von ca. 50 m Länge ist, stößt man an zwei Stellen auf Mauerwerk, einmal in der Nähe des Eingangs und später als mehrfach abwinkelndes Mauerwerk, eine Art Rechteck beschreibend um einen Stalagmiten herum. Bei Karl Kerenyi heißt das so: "In der zweiten, inneren und wichtigeren Umfriedung ragt ein Stalagmit empor, allein. Die altkretische Religion kannte wahrscheinlich kultische Phallen, obwohl sie auf künstlerischen Darstellungen nicht erscheinen. Hier steht einer, naturhaft. Natur, so hervorgehoben, zeugt von Einsicht und Wiedererkennung: ein männliches Kultmahl erhebt sich inmitten des weiblichen Heiligtums unverkennbar."

In der ersten Umfriedung steht ein Stalagmit, so Kerenyi, "in der Gestalt einer thronenden , am Rücken zusammengewachsenen Doppelgöttin". Nun ja, da sind halt viele Tropfsteinformen, und die hat der Mensch schon immer gerne mit Namen versehen und ihnen damit eine Bedeutung verliehen.

Heute ist die Höhle nicht mehr frei zugänglich. Ein massives Gitter verschließt diesen alten Kultraum. Schade eigentlich, denn so wird man den Zauber dieses Ortes nicht mehr wahrnehmen können, aber das ist wohl unvermeidlich. Seit der Massentourismus auch auf Kreta hereinbricht, sind alle erlebnissüchtigen Urlauber unterwegs auf der Suche nach Zerstreuungen und machen vor nichts mehr halt (in einer alten Beschreibung für Touristen fand ich folgende Stelle: "Zusammengerolltes, in Brand gestecktes Zeitungspapier leuchtet besser als eine Taschenlaterne!).

Wer war Eileithiya? Bei Rossiter heißt es, sie sei die "goddess of childbirth", also die Göttin der Geburt gewesen. Kerenyi schreibt: "Mit dem Namen bezeichneten die Griechen eine Göttin, die den Geburten vorstand und die alles, was mit dem Leben der Frauen zusammenhing, in den vorgriechischen Zeiten vermutlich noch mehr beherrschte als in den griechischen."

Die Höhle war demnach nicht nur für eine gute Geburt da, sondern "eine dem Lebensursprung geweihte Kultstätte" (Kerenyi), wo auch das "Vorher" eine wichtige Rolle spielt.

Ein paar Bilder:

 
 
 
 

Die Wiederentdeckung der Höhle wird auf der Jahr 1886 durch Chatzidakis datiert, 1929 wurde sie von Marinatos ausgegraben.

 

Literatur:

Kerenyi, Karl Heiliges Kreta, Merian-Heft Kreta 1963, S. 41ff.
Kofou, Anna Kreta - Sämtliche Museen und archäologischen Stätten, Herder-Verlag, Freiburg im Breisgau 1990, S. 170f. (mit ausführlicher Beschreibung, Photos und Plan)

Link:

Die Eileithyia-Höhle
http://www.hoehlenaufkreta.snn.gr/
Landschaft und Höhlen auf Kreta


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