Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Das kretische Labyrinth - eine Höhlenmetapher?
- Begegnungort mit einem Mythos
Wurde auf Kreta die Idee des Labyrinths geboren? Hat das Labyrinth nicht ursprünglich etwas ist "Höhle" zu tun? Gibt es die "Urlabyrinthhöhle" vielleicht noch auf Kreta?
In den Sagen von Daidalos und Ikarus, vom
Minoturus, von Theseus und Ariadne spielt überall das
"Labyrinth" eine zentrale Rolle, und zwar auf Kreta.
Daidalos war der Architekt des Labyrinths, das die Behausung für
den "Minotaurus" bilden sollte. Die war aus der
geschlechtlichen Verbindung aus einem besonderen Stier und der
Königin Kretas, Pasiphae, entstanden. Damit dieses Vereinigung
möglich wurde, hatte Daidalos eine künstliche Kuh zu entwerfen,
in die sie sich die Königin einfügte und wo sie der Stier
begatten konnte.
Der Minotaurus wird uns eine Mischung aus Mensch und (S)tier
beschrieben, dem jährlich 7 Jünglinge und 7 Mädchen im Alter
von 20 Jahren zugeführt wurden, "um seinen Blutdurst zu
stillen". Erst Theseus beendete diese Menschenopfer, indem
er den Minotaurus im Kampf besiegte und tötete. Den Weg zurück
aus dem Labyrinth fand er dann dank des "Fadens der
Ariadne".
Als König Minos davon erfuhr, wollte er den Schöpfer des
Labyrinths, Daidalos, und seinen Sohn Ikarus im Labyrinth
einschließen. Die Flucht gelang daraus gelang dann mit Hilfe von
Flügeln aus Wachs und Federn, mit denen sie sich aus ihrem
Gefängnis befreien konnten.
Aber nicht nur der Mythos verbindet Kreta mit dem Labyrinth. Über 500 Jahre hinweg war in vorchristlicher Zeit auf den Münzen Kretas ein Labyrinth das Hauptmotiv auf ihren Prägungen. Und dann taucht auf Holzschnitten und Kupferkarten der Insel Kreta ab dem 15. bis zum 19. Jahrhundert regelmäßig ein Labyrinth auf. Außerdem ist Reisebeschreibungen aus dieser Zeit zu entnehmen, daß die Besichtigung des kretischen Labyrinths eine der Hauptattraktionen jeder Kretareise war. Im Jhare 17000 schrieb der Franzose Tournefort: "Dieser so berühmte Ort ist ein unterirdischer Gang, nach Art einer Gasse, welche in 100 Krümmen, die gleichsam von ungefähr entstanden, und ohne die geringste Ordnung angelegt sind, durch den ganzen inneren Teil eines Hügels am Fuß des Berges Ida auf der Mittagsseite, 3 Meilen von den Ruinen von Gortyna, fortläuft."
Allein, wo ist dieser Ort? Sieht man sich heute
das touristische Programm der meisten Veranstalter für
Kretareisen an, wird man vergeblich nach dem Besuch des
weltberühmten kretischen Labyrinths suchen. Heute heißt es
meist, daß es sich beim Palast von Knossos wohl um die gesuchte
Baulichkeit handelt, aus Begründung werden die schier zahllosen
Räumlichkeiten genannt, in denen man sich doch durchaus
verlaufen könnte. Einige erwähnen auch die
"lábrys"-Darstellungen, die Doppeläxte, an der Wand
eines Raumes, die vielleich zur Namensgebung beigetragen haben.
Mir scheint, daß sich zwar Verbindungen damit zum alten Mythos
herstellen lassen, weniger aber zu denen Labyrinthdarstellungen
auf den alten Karten und den Reisebeschreibungen. Die Spur führt
zu den unterirdischen Steinbrüchen in der Messaraebene. Es
scheint wirklich mehrere zu geben, die alle wohl eine ähnliche
Struktur aufweisen, aber halt an verschiedenen Örtlichkeiten
sind. Anna Petrocheilou erwähnt in ihrem Standardwert "Die
Höhlen Griechenlands" das "Labyrinth von Górtys"
und beschreibt es ausführlich. Da finden sich alle mythischen
Gestalten und mythologischen Vorgänge in Form von Namen für die
unterirdischen Räume wieder: "Irrgarten" und
"Kampfsaal", "Weggabelung" und
"Festsaal", "Ariadnesaal" und
"Theseusgrotte" usw. Die Räume wurden über die Zeiten
hinweg von vielen genutzt. Sie sollen Zufluchtsort gewesen sein,
Schafstall, Räuber- und Piratenschlupfwinkel und Munitionsdepot.
In der Umgebung muß es aber noch mehr dieser unterirdischen
Steinbrüche geben, da es mehrere Pläne solcher unterirdischen
Strecken gibt, die sich überhaupt nicht gleichen. Heute ist eine
davon schon von der Straße aus gekennzeichnet. Ein nicht zu
übersehendes Schild weist den Kretabesucher hinauf zu einem
Hügel, wo sich knapp unter der Hangkante links von der Straße
eine höhlenartige Öffnung zeigt. Ein Parkplatz in nur geringer
Entfernung davon kann angesteuert werden. Ein kleiner Pfad führt
bis zur aufrecht begehbaren Öffnung. Ein mannshoher breiter Gang
führt bergwärts ins Dunkle. Ob das wirklich das berühmte
Labyrinth ist?
Die Landschaft in der Messaraebene | |
Im Palast von Knossos - war hier das Vorbild für die Labyrinthmetapher? |
In dem ausgezeichnet Labyrinthbuch von Kern, der jedem denkbaren Aspekt des Themas gründlichst nachgegangen ist, kommt natürlich auch die Idee vor, daß es vielleicht eine "Höhle" gewesen sei, die den Anstoß zur Schaffung von Labyrinthen gegeben habe. Sie wird von Kern glatt abgeschmettert, aber immerhin erwähnt er doch die Stellen, wo andere diesen Gedanken geäußert haben. Besonders FAURE ist da zu erwähnen. Er hatte die These vertreten, daß die Höhle von Skotino der Auslöser für das Labyrinth gewesen sei. Eine Besonderheit ist ja hier, daß sie schon seit Urzeiten dem Menschen bekannt gewesen ist und einmal im Jahr der Bevölkerung als Tanzplatz dient - was ja auch die Möglichkeit eröffnet, daß man dort den Kranichtanz, den Geranos, getanzt hat, diesen Reihentanz, von dem auch vermutet wird, er könnte der eigentliche Ursprung der Labyrinthidee sein.
Zwei Bilder von der Höhle von Skotino (26.10.1977)
Link:
ACTUALISATION 08 - wenn dieser Ort interessiert, der muß hier draufklicken!
http://www.gottesformel.ch/Labyrinth/Labyrinth-Hoehle.html
Literatur:
Attali, Jacques | Wege durch das Labyrinth, Hamburg 1999 |
Fitch, Chris | Subterranea, München 2021 |
Hofer, Herbert G. | Höhlen als frühe Observatorien - Die Entschlüsselung des Labyrinths? |
Kern, Hermann | Labyrinthe, Prestel-Verlag, 4. Auflage, München 1982 |
Matthews, W.H. | Mazes & Labyrinths - their history & development, Dover Publications, Inc. New York 1970 |
Traeger, B. | Das kretische Labyrinth, Bremen 1996 |
Petrocheilou, Anna | Die Höhlen Griechenlands, Athen 1984 |
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