Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Castellana Grotte in Apulien, I

 


In der Baedecker-Ausgabe "Mittel- und Unteritialien" von 1962/64 heißt es noch, diese Höhlen würden noch zu den "schönsten erschlossenen Tropfsteinhöhlen der Erde" zählen. Weiter heißt es, daß sie "neben der Adelsberger Grotte in Jugoslawien die bedeutenste Grotte in Jugoslawien die bedeutenste Tropfsteinhöhle Europas" bilden würde.

Wieviel hat wohl diese wohlwollenste Beurteilung "gekostet"? Flossen da irgendwelche Bestechungsgelder? Sorry, aber da hat jemand geurteilt, der nur wenig andere Höhlen auf diesem Kontinent gekannt hat.

Die Höhle ist einen Besuch wert, immer noch. Eine richtige Siedlung ist hier entstanden, viele Wirtschaftsbetriebe leben davon, daß diese Höhle weiterhin "attraktiv" für Besucher ist. Aber die Attraktion nimmt scheinbar auch hier ab. Als wir, Willi und Doris Adelung, und ich, Anfang Juni mal dort waren, um die Mittagszeit, da war ausgesprochen wenig los. Leere Parkplätze, leere Restaurants, in den Geschäften nichts los, auch an der Höhlenkasse Leere. Ein paar Leitstangen sprachen still davon, daß es da manchmal auch geschäftiger zugeht, aber zu dem Zeitpunkt, als wir da waren - leere Hose. Davon könnte man keinen großflächigen Geschäftsbetrieb aufrecht erhalten.

Es gab zwei Preisvarianten, wobei wir es uns verkniffen bis in den "Weißen Saal" zu gehen, denn dessen Besuch wäre nämlich um 3 € teurer gewesen, hätte erst 2 Stunden später stattgefunden und wir hätten noch weitere 2 Stunden warten müssen. Wir begnügten uns mit der Haupttour.

Zwei Damen erwarteten uns im Untergeschoß des Eingangsgebäudes, zwickten unsere Karten ab, und wir konnten losziehen in die Unterwelt. Durch einen künstlich in den Fels getriebenen Stollen ging es schräg über viele Stufen nach unten in die Haupteingangshalle. Dort war am 23. Januar 1938 Professor Anelli, damals wohl mit einer Strickleiter, zum ersten Male in den 60 Meter tiefen Schacht eingestiegen und hatte eine "neue Unterwelt" entdeckt. Wenn das heute jemand tut, wird er in aller Regel gar nicht mehr erwähnt, auch wenn er viel viel mehr Meter in einem Stück "hinuntersegelt". So ändern sich die Zeiten.

Der gefundene Hohlraum, dessen Öffnung wohl immer schon bekannt war, schließlich war das auch nur eine von vielen "Grave", die es in Apulien gibt, hatte es aber in sich, noch heute. Wenn man da um die Mittagszeit reinkommt und gutes Wetter ist, dann scheint einfach die Sonne in den Abgrund - und das ist schon "breath taking". Sonne in der Unterwelt - da ist ein seltener Anblick von höchster symbolischer Kraft.

Glücklicherweise ist in diesem Eingangssaal das Fotographieren nicht verboten, so daß selbst mt der einfachsten Digitalkamera schon supergute Fotos möglich sind. Am Schachtgrund ist auch eine Büste, die Agnelli zeigt, zu sehen, ein paar große Tropfsteinsäulen, und das war es dann schon.

Ein setzt ein langer, mehr oder weniger horizontaler Gangteil an, tropfsteingeschmückt natürlich, aber auch nichts besonders Aufregendes bietend - und dort hat man, wie leider in so vielen anderen Schauhöhlen auch, das Fotographieren verboten.. Irgendwann kehrt man dann um, durchquert die Halle noch einmal und fährt dann mit dem Aufzug hoch wieder zur Erdoberfläche. Dort kommt man direkt unter dem Hochturm mit dem Höhlennamen an, an den das Höhlenmuseum angebaut ist. Wem es auffällt überhaupt, der kann noch einen Blick in den Schacht von oben werfen, der überall mit einem großen Sicherheitsgitter vor dem Publikum geschützt ist.

Das wars dann.

 
Der Zugang durch das Schauhöhlenhaus
  Agnellis Gedenkbüste
Ein Bodentropfstein
Ein Stück Höhlenboden
in der Eingangshalle
Der Eingangslichtstrahl

- ein bißchen verfremdet

Ein paar menschliche Produkte im Zusamenhang
mit der Höhle
Eine Art Baumhöhle, die "Wahrheit" verspricht,

gegen Münzeinwurf

Trulli und Madonna - Kitsch auf italienisch
Parfümfläschchen mit Höhlenmotiv

- wohl den "Zauber der Höhle" beschwörend

 

 


Es ist ja recht selten, daß ich eine Rückmeldung auf eine Webseite bekommen. Am 6. März 2005 war es hier mal wieder so weit. Jemand hat auf den obigen Artikel so darauf reagiert (in Auszügen):

"...habe soeben Ihren Erlebnisbericht über den Besuch der
Castellaner Grotte gelesen. Die drei Euro für den Besuch
des schönsten Teils hätten Sie sich nicht sparen sollen,
dafür aber Ihre Aburteilung, denn was man nicht sieht,
das sollte man wohl nicht beurteilen.
Aus Ihren Worten spricht ein Höhlenkonsumist, der erst mal
verstehen sollte, wo sich die Höhle und er selbst als
Besucher befinden.
Sie hätten glücklich sein können, in einer touristenlosen
Zeit reisen zu können. So fanden Sie einen freien
Parkplatz vor und mussten sich nicht in einer
Menschenschlange durch die Höhle zwängen. Wenn Sie
nochmals nach Apulien reisen sollten, empfehle ich Ihnen,
es sich in einem der Restaurants von Fasano gut gehen zu
lassen und sich nicht zu wundern, warum mittags niemand
unterwegs ist.

„In der Baedecker-Ausgabe "Mittel- und Unteritialien" von
1962/64 heißt es noch, diese Höhlen würden noch zu den
"schönsten erschlossenen Tropfsteinhöhlen der Erde"
zählen. Wieviel hat wohl diese wohlwollenste Beurteilung
"gekostet"? Flossen da irgendwelche Bestechungsgelder?“
Glauben Sie wirklich, dass Bestechungsgelder für den Text
des Baedeckers 1962 ausgegeben wurden? Lassen Sie da nicht
zu sehr vorurteilsvollen und engstirnigen Gedanken freien
Lauf?

„...aber zu dem Zeitpunkt, als wir da waren - leere
Hose“..
Komischer Jargon in dem Bericht über ein großartiges
Naturgebilde.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Zukunft froher durch Höhlen
und Welten schreiten!..."

 

Kurzkommentar dazu:

Mit der Ironie und dem Humor in meinen Texten ist das so eine Sache. Der eine merkts, andere brauchen länger, andere können vielleicht gar nicht drüber lachen. Die Doppelbödigkeit wird nicht zur Kenntnis genommen, sondern der Text wird für ein eindimensionales Gebilde gehalten. Wer die Worte so auf die Goldwaage legt, der sollte eher auf der Ebene der Bilder bleiben!


Literatur:

 

Vittorio, Verole, Bozzello Le Grotte d'Italia, Bonechi Editore, Firenze 1970
  Castellana. Guida alle grotte, alla città, al territorio. Bari 2007

Links:

Landschaft und Höhlen in Apulien

 



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