Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Michaelsgrotte am Gargano
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wo der Drache besiegt wurde, angeblich


Es gibt ein paar Höhlen auf unserer Erde, von denen eine ungeheure Wirkung ausgegangen ist, ohne daß man sich dessen wirklich meistens bewußt ist. Wo gibt es nicht überall Michaelskirchen, auch der Mont St. Michel ist uns allen bekannt, auch gegenüber in Cornwall gibt es ein englisches Gegenstück, den St Michael's Mount.

All diese Heiligtümer haben einen Ursprungsort - die Michaelsgrotte in Monte San Angelo auf dem Gargano, dem Stiefelsporn Italiens.

 

Der Himmel über dem Gargano
Der Gargano
Monte S. Angelo - der Ort
Der Eingang zur "Michaelsgrotte"
Der Eingang zur Höhle
Felsritzzeichnung in der Grotte
Touristenkitsch mit Höhlenbezug in Monte S. Angelo

Die Legende erzählt, daß die Höhle ein Zufluchtsort der ersten Christen gewesen sei, wo sie sich vor ihrer Verfolgung durch die Römer versteckt hielten. In der Zeit, als Gelasius I in Rom Papst war, soll Gargano, einem reichen Viehzüchter, ein wertvoller Stier entflohen sein. Bei Suche nach ihm stießen Gargano und seine Helfer auf die Höhle. Sie wollten eigentlich die Höhle nicht betreten, ja hatten richtige Angst davor. Einer von ihnen schoß einen Pfeil in die Höhle, um den Stier aufzuscheuchen. Zur Überraschung aller kam der Pfeil plötzlich wieder zurück zum Schützen. Der Bischof von Siponto, der der Suchmannschaft angehörte, gab zum besten, daß es sich hier wirklich um ein außergewöhnliches Ereignis handeln würde. Er soll 3 Tage gebetet und gefastet haben, um die Bedeutung dieses ziemlich unheimlichen Ereignisses zu verstehen. Später sei der Erzengel Michael dem Bischof erschienen. Der Erzengel erklärte, er selbst sei in der Höhle gewesen und habe den Pfeil zurückgeschickt. Dem Bischof sei kundgetan worden, daß der Erzengel selber diese Höhle schützen würde und der Bischof nun eine Kirche errichten solle, um ihn und die anderen Engel dort zu verehren. Daraufhin sei der Bischof selber in die Höhle gegangen und gesehen, daß es sich um eine natürliche wunderbare Kapelle handelte. Er hielt daraufhin gleich einen Gottesdienst drinnen ab.

Eine große Kirche wurde an dieser Stelle erbaut, Wunder seien dort passiert, die Kreuzfahrer auf ihrem Weg ins Heilige Land machten dort Station, aus ganz Europa kamen Pilger, Padre Pio da Petralcina empfahl den Gläubigen dorthin zu pilgern. Der 8 Mai wurde zum Gedenktag des Erscheinens des Erzengels Michaels erklärt und wird seitdem jährlich dort feierlich begangen. Viermal habe sich der oberste aller Engel in Monte San Angelo gezeigt: 490 als man die Goten bei Siponto besiegte, 663 wurden die Neapolitaner besiegt und 1656 wurden viele vor der Pest durch ihn errettet - so der Volksglaube. (Deutschsprachige Zusammenfassung und Übersetzung des Textes "Pilgrimage with Saint Michael the Archangel" von mir)

Die Kulthöhle ist zugänglich über die "Scalinata", ein kunstvolles Treppenhaus mit 86 Stufen. Zu Beginn der Treppe gibt es heute in einer Seitennische eine Örtlichkeit, wo man besonderes dem heiligen Benedikt gedenkt, dem Patron Europas aber auch der "Höhlenforscher". Paßt gut zu diesem Ort. Die Stiege endet an der "Porta del Toro", ein Hinweis an die alte Stiersage im Zusammenhang mit der Höhle. Jedem, der sich schon mit Höhlenkulten beschäftigt hat, wird wohl sofort bei Wort "Stier" der Mithraskult einfallen. Gibt es vielleicht hier einen Zusammenhang. Das zentrale Kultbild zeigt dort nämlich einen Mann, vielleicht einen Helden, einen Gott, der einen Stier am Eingang einer Höhle (das ist zumindest die alte (?) Interpretation) das Schwert in den Leib stößt. Genau um die Zeit, als der Michaelskult begann aufzublühen, war gerade die Mithrasreligion am Vergehen. Lebt hier vielleicht dieses alte Gedankengut in gewandelter Form weiter?

Dann kommt man in die weite, niedrige Halle der "Grotta di S. Michele". Eine Reihe von Altären gibt es dort, Statuen des heiligen Michaels, des heiligen Sebastians. In einer kleinen Seitengrotte, die "Pozzetto" heißt, finden wir einige Felsreliefs, die die heilige Dreifaltigkeit und den heiligen Matteo zeigen. Eine abgeschlossene Tür verwehrt den Zugang zu einer kleinen Seitenhöhle, die "cava delle pietre" heißt. Dort klopften sich früher die Pilger Stücke des Felsens herunter, um die "gesegneten" Steine mitheimzunehmen. Heute ich dort, ganz profan, der Notausgang.

Die Michaelsverehrung ruft starke Emotionen wach. Hier ist eine Figur der Stärke, die in der Lage ist, das so genannte "Böse" zu besiegen. Gesellt man sich auf seine Seite, gehört man zu den Gewinnern, denen, die Obenauf sind. Für die Juden war Michael der Schutzpatron Israels und für die Christen wurde zum Beschützer der Kirche. Da gab es in der Geschichte Zeiten, wo das "sowohl als auch" nicht gestimmt hat! Seine besondere Stunde kommt, der Bibel nach, am Tag des Jüngsten Gerichts....

Die Michaelbegeisterung hat an so manchen Stellen der Welt dazu geführt, daß auch Höhlen diesen Namen tragen. Besonders in Süditalien ist das der Fall. Eine der Highlights ist die "Grotta delle sette chiese", die auch "grotta di S. Michele" heißt, bei Olevano sul Tuscanio. 7 Altäre gibt es dort in der geräumigen Tunnelhöhle, hoch oben über dem Dorf. Als wir 1990 die Höhle besuchen wollten, war leider alles abgesperrt. Hohe Mauern sperren den Zugang.

 

Christophe Gauchon hat allein für die Provence ein gutes Dutzend Michaels"höhlen" ausgemacht, in der Gorge de la Nesque (Vaucluse), in Caramy (Var), unter der Baou de Saint-Jeannet (Alpes-Maritimes) und noch weiteren Orten.

Bemerkenswert ist natürlich auch, wenn in bestimmten Regionen der Erde, hier natürlich besonders Europas, keine solche Namensnennungen für Höhlen vorkommen. So weisen weder die Höhlenbücher Niederösterreichs noch Salzburgs irgend eine Höhle auf, die auf diesen Namenspatron hinweisen würden, auch im Münchner Höhlenkataster ist keine einzige Höhle mit einem Hinweis auf "Michael" zu finden. So spiegeln sich die unterschiedlichen kulturellen Ströme.

 

Noch eine Erscheinung ist bemerkenswert. Während der Ursprung der Michaelsverehrung in der Höhle lag, also im Innern der Erde, wurde später daraus das genaue Gegenteil: Man baute Kirchen auf die Spitze der Berge, also ganz oben und außen. Erklärt wurde das gerne damit, daß man da schon näher bei Gott sei.

Le Puy, F
 
   
  Mont St. Michel, F

 


 

Literatur:

Di Mizio, P. La grotta di San Michele, da tempio pagano a luogo di culto cristiano, Pagine Putignanesi-Putignano, vol. 2, H. 3, S. 8
Schubart-Stumpfe, Ortrud Der Kampf mit dem Drachen, Verlag Urachhaus, Stuttgart 1999
Piciocchi, Alfonso La grotta delle sette chiese, SPELEOLOGIA 18,1988, S. 8f.
Läpple, Alfred Engel & Teufel, Pattloch-Verlag, Augsburg 1993
Gauchon, Christophe Des cavernes & des hommes, KARSTOLOGIA mémoires n° 7-1997
Gobetti, Andrea L'ITALIA IN GROTTA, Gremese Editore, Roma 1991
Vittorio, Verole, Bozzello LE GROTTE D'ITALIA, Bonechi Editore, Firenze 1970
Rosenberg, Alfons Michael und der Drache. Urgestalten von Licht und Finsternis, Walter Verlag, Olten und Freiburg i.Br. 1956
Kayserling, Adalbert, Graf von Monte Gargano. Europas ältestes Michaelsheiligtum, 3. Edition, Stuttgart, Urachhaus-Verlag 1987
Angelillis, Ciro Il Santuario del Gargano e il Culto di S. Michele nel Mondo, Edizioni Cappetta, Foggia, DAUNIA VII Collana di Monografie Storiche
Carlone, Cristina, Manghisi, Vincenzo, Solito, Carlos Il Culto di San Michele nelle Grotte Pugliesi, Speleologia 41-1999, S. 53ff.
Engels, Christoph 1000 heilige Orte - Die Lebensliste für eine spirituelle Weltreise, Potsdam 2009

Links:

http://www.santuariosanmichele.it/

Catholic Encyclopedia: ST. MICHAEL THE ARCHANGEL

http://www.cornwall-calling.co.uk/national-trust/st_michael.htm

http://www.abruzzoheritage.com/magazine/2002_04/f_it.htm

https://books.openedition.org/efr/1658?lang=en

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