Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Höhlen bei Cerchiara, Kalabrien, I
Die SS 92 führt von der Küste bei Sybaris in die Berge Kalabriens. Sybaris erwähne ich hier extra, weil es so einen schlechten Ruf hat. Der Baedecker aus den Jahren 1962/64 erwähnt ihn noch so: "durch Achäer 709 v. Chr. gegründet und später wegen ihres Luxus sprichwörtlich geworden, aber schon 510 v. Chr. von den Einwohnern von Kroton zerstört". Andere Reiseführer erwähnen immerhin, daß es dort vorgekommen sei, Frauen bereits 1 Jahr vor einem Fest einzuladen, daß sie genug Zeit hatten, sich darauf vorzubereiten. Wahrscheinlich hatten die kein Militär und steckten alles in das Ausleben der Lebensfreude. So was geht schon gar nicht auf unserer Mutter Erde, Leben, Schönheit, Liebe als Leitsterne seines Lebens zu wählen - heute sieht man, was daraus geworden ist: ein Steinhaufen, der mehrmals danach überbaut worden schon ist, eigentlich unter dem Meeresspiegel liegt und nur durch dauerndes Abpumpen des eindringenden Wassers wenigstens für einige Zeit wieder auftaucht aus den Schottermassen des Flusses, der immer wieder sich darüber ergießt.
Straßenpflaster in Sybaris
Cerchiara kannte dieser Baedecker noch gar nicht, obwohl es
schon Jahrhunderte bestanden hatte. Da wurden damals noch keine
Touristen "hingeleitet". Heute führt eine
wohlbeschilderte Asphaltstraße steil den Berg hoch. 650
Höhenmeter sind zu überwinden, bis man in diesem hoch oben
liegenden alten Ort angekommen ist. Und die Straße macht es
möglich, noch höher zu kommen - bis zum alten Kloster
"Santuario di Santa Maria delle Armi, das auf 1000 Metern
über dem Meer liegt. Eine wunderbare Aussicht tut sich vor einem
auf - und eine herrliche Stille. Zumindest war das so, wir, Willi
und Doris Adelung und ich, Anfang Juni 2004 dort oben waren.
Gleich morgens waren wir von unserem Quartier, das übrigens sehr
empfehlenswert ist, auch, weil es offen war, dem
"EMILIO", das für sich als "Pensione -
Ristorante" in der nähesten Umgebung der Grotta delle Ninfe
wirbt.
Ich hatte in einem Reiseführer gelesen, daß es direkt bei der
Höhle eine Unterkunft gäbe mit sehr guter Küche und günstigen
Übernachtungsmöglichkeiten, die zudem vom Vorsitzenden des
örtlichen Höhlenvereins betrieben werde, allein, diese
Information nützte uns nichts. Das Haus war zu, die
Fensterläden zugeklappt. Es war da nichts los. So kamen wir also
zu EMILIO und waren sehr zufrieden. Wer den unsäglichen
Massentourismus schon kennengelernt hat, und wer hat das bei uns
nicht, auch für den könnte das, so etwas wie ein Hafen sein.
Ein bißchen schützt dieses heute herrschende "ökonomische
Denken" noch diese Orte. Solange
"Wirtschaftlichkeit" nur in "Geldwerten"
gemessen wird, ist es furchtbar unwirtschaftlich, soweit in den
Süden zu fahren, um sich zu "erholen". Das kann ich
alles viel "billiger" haben auch schon weiter
"oben", in der Toskana etwa oder in Südtirol.
Glücklicherweise bleibt die Masse die "Denker" schon
weiter oben hängen, einer hat sogar schon mal seinen Urlaub ganz
ausfallen lassen und blieb in seinem "Hannover".
Billig ist das alles hier nicht. Da wird schon "sein"
Preis verlangt. Für mich z.B., als drittes Rad am Wagen, im
gleichen Zimmer wie meine Freunde, auf einem Beistellbett im
selben Zimmer pro Nacht 20 . Das war auch kein
Freundschaftspreis.
Das Essen und der Service war aber Spitze, bis aufs Frühstück.
under par würde man auf englisch sagen.
Die Grotta della Ninfe ist eine dieser seltenen Badehöhlen auf unserer Erde. Wundersamerweise tritt hier ein nach Schwefel riechendes, angewärmtes Wasser in einer kurzen Höhle aus dem Karstgebirgsstock an die Erdoberfläche. Heute ist vor der Höhle ein kleiner Badebetrieb eingerichtet, zu dem im Juni 2004 nur wenige Gäste kamen. Einem großen Ansturm wäre man schon aus verkehrstechnischen Gründen nicht gewachsen. Ein schmales Sträßlein führt hin, wenige Parkplätze sind nur vorhanden, und ein paar davon sind nur über eine sehr steile Straße überhaupt zugänglich. Natürlich gibts schon ein Kassenhäuserl und eine kleine Bar für Getränke. Ein großes und ein kleines Schwimmbecken ist da und eine gekachelte Grube, in die man hineinsteigen muß, um sich vom kräftig herabschießenden Wasser überströmen zu lassen. Auch ein großer Spiegel ist seltsamerweise da. Daneben steht ein großer Plastikbottich. Sein Zweck: Die Menschen wollen sich selber zusehen, wie sie aussehen, wenn sie sich mit dem Lehm aus der Höhle einschmieren und dann wie seltsame Erdmännchen oder -weibchen herumlaufen. Man sich mal von oben bis unten eingesaut, dann läßt man die Paste trocknen bis sie zur Kruste wird und spült sie dann in der Duschgrube wieder ab. Angeblich hilfts beim Schönwerden. Egal, allein die Hoffnung darauf, auch mal wie ein Adonis oder eine Aphrodite auszusehen, das ist schon was wert, und bringt Abwechslung in den Badebetrieb.
Ein Weg führt in die kleine Höhle, die seit
Urzeiten schon bekannt war. Überlieferungen erzählen davon, die
Lusiadinymphen hätten dort ihren geheimenRaum gehabt, der das
"Hochzeitsbett", einer schöner Euphemismus, andere
würden wohl eher vom "Lotterbett" schreiben, von
Calypso bewachen würde. Römische Mauerreste sollen sich hier
befinden. Nach dem Eingangsportal erweitert sich die Größe des
Hohlraum enorm noch nach oben. Taglichtlöcher sind da oben noch
vorhanden, durch die viele Vögel ein- und ausfliegen und für
eine paradiesische Klangkulisse in der kleinen Höhle sorgen. Mit
einem Schritt ist man über das ständig fließende Bächlein
gestiegen und kommt zu dem Platz, wo die Schlammbottiche mit dem
Höhlendreck gefüllt werden. An der linken Seite ist ein
betonierter Steg, auf dem man am herrlich blauen Wasser entlang
bis zum baldigen Höhlenende noch gehen kann. Natürlich ist
versucht worden, durch Tauchen tiefer zu kommen, aber das ist
nicht gelungen. Es muß eine sehr große Höhle dahinter sein,
allein der Zugang dazu ist noch nicht gefunden.
Besonders lohnend ist es, nachts mal hier vorbeizukommen, wobei
ein Aufenthalt bei EMILIO angebracht ist. Dann kann man nämlich
die Tausende von Fledermäuse erleben, die aus einer kleinen
Seitenhöhle vor dem Haupteingang aufsteigen. Das rinnt dauernd
heißes Quellwasser hinein, so daß man durchaus Assoziationen an
die Hölle bekommen kann. Und dann flattert es gewaltig abends.
Fledermaus um Fledermaus schießt da aus der Unterwelt empor und
sucht sich sein Nachtessen in der Insektenwelt draußen.
Folgt man der breiten Straße weiter bergauf, so kommt man nach dem Ort Cherchiara am Fuße des Monte Sellaro mit 1539 m Höhe an einen Bergsattel.
Dort spaltet sich die Straße auf in Richtung San Lorenzo Bellizzi und in Richtung Santa Maria delle Armi. Ganz in der Nähe dieser Stelle zweigt der Weg zum Eingang eines der tiefsten Schächte Italiens in 920 m Seehöhe ab, dem Abisso di Bifurto oder auch "Fosso del lupo" (Wolfsschacht). Er ist nicht zu verfehlen. Man muß nur immer dem Bächlein im Tal folgen. Es fließt nämlich nicht mehr weiter talwärts, sondern direkt in den Schacht. 683 m ist er tief.
Das Tälchen zum Schacht Der Eingang |
Die Straße zum Kloster "Santa Maria delle Armi" ist bestens ausgebaut. EU-Gelder sind wohl hier geflossen, und damit ein Tourismusprojekt gefördert. Überall sind Wanderwege angelegt, bestens beschildert und nun auf die "Touristen" wartend. Als wir Anfang Juni 2004 dort waren, war jedenfalls nicht viel los. Morgens waren wir die einzigen, die vor dem Kloster ihr Auto abstellten, aber die Größe des Parkplatzes läßt drauf schließen, daß hier gelegentlich mehr los ist. Es hat hier schließlich einen prachtvollen Ausblick bis hinunter aufs Meer und die rundum liegenden Berge.
Über das Kloster gibt es eine Legende mit starkem Höhlenbezug. Jäger am damals noch sehr wildreichen Monte Sellaro hatten eines Tages in einer Höhle zwei rechteckige Täfelchen in Form eines Buches gefunden, in welchem die Gesichter von 4 Heiligen abgebildet waren. Ein Jäger nahm die Tafeln mit sich und brachte sie nach Rossano. Am nächsten Tag waren sie wieder verschwunden. In der Höhle fand man sie wieder. Noch ein Versuch. Auch beim zweiten Male verschwanden die Täfelchen und man fand sie in der Höhle wieder. Das wurde als göttliches Zeichen gesehen, und man entschied, daß sie nun in der Grotte unter Aufsicht eines Eremiten bleiben sollten.
Der hielt es aber dort nicht aus in der Kälte und Feuchte und ließ die Täfelchen einfach unbewacht zürück. Die Cerchianer beschlossen eine solide Unterkunft für den Ermemiten zu bauen, damit sich dieses nicht wiederholen würde. Bei den Bauarbeiten stieß ein Maurer auf ein Steintäfelchen, mit dem er erstmal nichts anfangen konnte. Irgendwann entschloß es sich, es zu vierteilen. Als er es mit dem Hammer gezweiteilt hatte, da kamen wundersame Felsbilder zu Tage, welche die menschliche Phantasie als ein Bildnis von Johannes dem Täufer und der "hl. Jungfrau mit dem Kinde auf der Mondsichel stehend" erschien. Man kann sie heute noch in der Felsenkirche sehen.
Unterhalb der Klosteranlage führt ein Wanderweg entweder Richtung Cerchiara oder Serra del Gufo, wo es eine bedeutende Höhle gibt. Direkt am Weg liegt ein nicht zu übersehender Felsüberhang mit einem in den Fels geritzten Christushaupt. Oberhalb der Klosteranlage führt ein Weg Richtung Gipfel und vorbei an der Grotta Panno Bianco vorbei, die nur mit Führern aus dem Kloster zugänglich sein soll.
Die Klosteranlage Die Felsenkirche |
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Eines der "Steinplättchen" | ||
Der Abri unter dem Kloster Das Christushaupt |
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Serra del Gufo |
Rechts ist der Monte Sellaro
Von Cerchiara aus machten wir einen kleine Ausflug Richtung Cassano allo Jonio. Dort gibt es in einem ziemlich unscheinbaren Kalkberg ein großes Höhlenvorkommen mit zwei mehr als 1 km langen Höhlen. Die längsten Höhlen dort sind die Grotta Inferiore und Superiore di Sant'Angelo. Man sich dort vor wenigen Jahren angestrengt und eine Schauhöhle daraus gemacht. Im Juni 2004 war davon nicht mehr viel zu merken. Ob sie schon nach 2 Jahren wieder aufgegeben worden ist?
Bis auf ein einziges Hinweisschild direkt an der Straße gibt es keinerlei Beschilderung. Hinweise auf Öffnungszeiten wird man vergeblich suchen. Nach wenigen Metern blockiert ein stählerner Gitterzaun den Weiterweg. Nun gilt es, zu Fuß weiterzukommen. Eine wirkliche Absperrung fehlt. Man muß nur wenige Meter am Zaun entlang und kann dann einfach der allmählich vom Unkraut überwuchert werdenden Straße aufwärts folgen. Ein richtiges Höhlenführerhaus ist da, eine Gedenktafel an die Eröffnung als Schauhöhle. Viel Arbeit ist hier investiert worden, und wohl auch Geld, aus der EU-Kasse vermutlich. Am Eingang zur Schauhöhle ist ein kleiner Tunnel, der an einer Holzbohlentür endet. Die Verhaltensregeln sind auch gleich zu lesen auf einer Tafel. Natürlich fehlt hier das leidliche Fotographierverbot nicht! In der Umgebung sind noch mehr Höhleneingänge, gut mit Tafeln markiert und über die kleinen Trampelpfade leicht zu finden. Ein Eingang ist noch massiv abgeschlossen, die anderen sind bereits wieder geöffnet und das Betreten macht keine Schwierigkeiten heute mehr. Über Jahrtausende waren sie ja immer schon dem Menschen bekannt, nur das Abriegeln, das scheint die Besonderheit unseres Zeitalters zu sein. Selbst ohne eigenes Licht läßt sich so einiges an Höhlenstrecke zurücklegen, jedenfalls so weit, wie das Tageslicht in die horizontalen Höhlengänge reicht.
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Das Schild an der Straße Die Bergflanke mit den |
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Das Schauhöhlenhäuschen Der Schauhöhleneingang |
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Der Eingang | ||
San Angelo sup. Aus dem Höhleneingang Richtung Monte Sellaro |
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San Angelo sup. | ||
Ein aufgebrochener Eingang |
Auf dem Weg zwischen Castrovillari und Cassano allo Jonio, eine kleine wohl künstliche "Höhle"
Literatur:
Larocca, Felice | Grotte della Calabria |
Larocca, Antonio, Solito, Carlos | DALLLE "BALZE DI CRISTO" UN SALTO ALL'INFERNO, Speleologia 40-1999, p 31.. |
Links:
http://www.maridelsud.com/Reportage/Grottaninfe/Index.htm
http://www.in-italy.de/ziele/ort.php4?ort_id=625
http://www.maridelsud.com/Reportage/MadonnaArmi/Index.htm
https://www.comune.cassanoalloionio.cs.it/index.php?action=index&p=1315
Höhlen in Kalabrien
Speläologisches in Itallien
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