Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Grotta del Mezzogiorno - Grotta di Frasassi, Marken, I


"Der Körper ist weniger bestechlich als der Geist."
Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon


Unser Körper gibt uns in entsprechenden Situationen einfach unsere Grenzen kund, egal, ob wir das wirklich wissen wollen oder auch nicht. Dann ist einfach Schluß. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man in einem engen Erdloch steckt und nicht mehr vor und zurück kommt. Man steckt fest. Da kann jemand passieren, der den Durchstieg zwischen der Grotta del Mezzogiorno und der Grotta di Frasassi machen will - und das ist auch passiert, z.B. im Mai 2007.

Das war eine kleine Gruppe von Mitgliedern der "Chiemgauer Höhlenbären" unterwegs, zusammen mit ihren Familien und einige Solisten hatten sich ihnen auch angeschlossen. Zwei Tage vorher war schon ein Dreiergruppe aufgebrochen gewesen und hatte den Eingang zur Grotta del Mezzogiorno erkundet. Das war nicht besonders schwer, denn der Weg zur ihr ist gut ausgeschildert und in einem sehr guten Zustand. Das Eingangsgitter war aufgebrochen, so daß es kein Problem war, die ersten Meter in der Höhle zu erkunden. Eine Taschenlampe reicht dazu. Große Räume nehmen einen auf, eine Gedenktafel an COMICI erinnert an diesen bekannten Höhlenforscher. Dann war aber bald auch Schluß, denn die Decke senkte sich immer mehr zum Boden und es wäre immer mehr richtiges Schlufen angesagt gewesen. Zwei Tage später brach dann eine Gruppe "richtiger Forscher" auf, um den Durchstieg einmal wirklich zu machen, eventuell notwendige Seile einzubauen und dann hängen zu lassen, damit nicht so "starke Forscher" die Höhle hinterher auch begehen könnten. Da kam es dann zu einem Schlüsselerlebnis. Besonders in dem engen Teil herrscht ständiger Luftaustausch und entsprechend ein starker Wind. Und der kam ganz zum Erliegen, als einer der Teilnehmer der Gruppe in der engsten Stelle dieses eingangsnahen Schlufteils so feststeckte,daß er wie ein Propfen wirkte. Erst nach längerem Ziehen und Schieben an dieser Person kam diese frei und die normalen Bedingungen setzten wieder ein. Nach der Engstelle ist eine 6-m-Kletterstelle nach oben , die nicht ständig versichert ist. Man braucht schon einen versierten Kletterer, der hochklimmen kann und oben ein Seil einhängt, über das die anderen nachkommen können. Sonst geht da gar nichts. Dann geht es immer abwärts über viele Schächte, die alle eingerichtet werden wollen, wo zu viel Seil notwendig ist. Die im Internet veröffentlichte Liste zählt 9 Seilstrecken mit insgesamt 245 m Seillängen auf. Viele Stellen sind permanent eingebaut, aber mal muß sich schon auskennen, sonst zieht man sein Seil ab und findet keinen Weiterweg vielleicht mehr.
Irgendwann erreicht man den Höhlenteil, der auch von unten her zugänglich ist. Der untere Eingang, die ursprüngliche Grotta di Frasassi, war schon immer bekannt. Schließlich ist ihr weiter Höhlenmund schon von weitem und aus dem Tal zu sehen. (Unsere Geschichte endete so, daß keine "touristische Befahrung" mehr stattfand. Die Erzählungen waren so ernüchternd, daß sich nur noch einige wenige fanden, deren Aufgabe hauptsächlich im Ausbau des Seilmaterials nur noch bestand.)

Das Höhlensystem durchzieht den Monte di Frasassi, der 708 m hoch ist. Seine Länge wird mit ca. 4 km Länge und einer Tiefe von - 167m angeben. Sie steht heute unter einem besonderen Fledermausschutz, denn diese Tiere kommen hier in besonders großem Maße vor. Wer den unteren Teil besucht, dem kann es leicht passieren, daß er ein wenig Fledermausscheiße aufs Haupt kriegt. Die Tiere hängen nämlich zu Hunderten und vielleicht Tausenden an der Höhlendecke und leben! Spannend ist auch, dort mal hinzusehen, wo sich all der Guano sammelt. Da kriechen unglaublich große Höhlenspinnen und ähnliches Getier herum, die eben hier ihr Biotop haben.

Die Höhle hat einen starken anthrospeläologischen Bezug. Die ältesten Mauerreste im Eingangsbereich gehen auf das Ende des 11. Jahrhunderts zurück. 1202 wurde an die kleine Kirche ein Nonnenkonvent angebaut, der um 1600 noch erweitert wurde. 1726 ist dort etwas Seltsames passiert. Die große Statue, die in der Kirche in der Höhle stand, sonderte auf einmal Wasser aus ihren Wangen aus. Der Künstler, der sie hergestellt hatte, wurde benachrichtigt und aufgefordert, das abzustellen, was nicht gelang. Hinterher wurde das als ein Wunder angesehen.

In der Amtszeit von Leo XII wurde von Valadier, einem damals berühmten Architekten, zwischen 1823 und 1828 in neoklassischer, achteckiger Bau errichtet. Ist das eine Kirche? Das Wort "tempio" bedeutet: "Tempelbau, Gotteshaus, Gedenkstätte". Normalerweise ist dieses Gebäude geschlossen und man hat keinen Zugang zum Inneren. Schade. Es soll sich ein schöner Altar darin befinden aus Alabaster.

Wie alt der Fries von Tieren ist, deren Darstellung an Freskos aus Lascaux erinnert, weiß ich nicht, aber so alt sind die Bilder wohl nicht. Aber bemerkenswert, daß sich jemand diese Arbeit macht, ist es doch.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
   

 

Literatur:

Vittorio, Verole, Bozzello Le Grotte d'Italia - guida al turismo sotteraneo, Bonechi Editore, Florenz 1970
Gobetti, Andrea L'Italia in Grotta, Roma 1991

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