Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Die Grotta dei Dossi, Piemont, I
In der Nähe von Villanova Mondovi tauchen an den Straßen Hinweise auf, daß in der Nähe eine Höhle zum öffentlichen Besuch ist. Wir befinden um am Südrand der Alpen, dort wo sie in den Apennin übergehen. Man ist gerade 28 km von Cuneo entfernt. Die Landschaft sieht eigentlich nicht so aus, als würden sich große Schönheiten unter der Erde verbergen, aber der Phantasie und dem Ausdrucksvermögen des Menschen muß das ja nicht im Wege stehen. Jedenfalls erfährt der neugierige Ankömmling, daß es sich da, wenn er auf dem Parkplatz oberhalb der schmalen Nebenstraße angekommen ist, um die "farbigste Höhle Italiens" handeln würde. Er muß aber zur "rechten" Zeit da sein, denn Nachfrage und Angebot, die essentials der Marktwirtschaft, herrschen auch hier, wenigstens in der Theorie. Das Angebot überwiegt hier!
Man sollte nämlich nur nachmittags auftauchen, ansonsten wird man nur eine geschlossene Schauhöhle vorfinden. Regelmäßig geöffnet ist sie nur im Sommer, wer zum Beispiel im Februar auftaucht, der wird nur auf eine Telefonnummer verwiesen, ansonsten ist alles zu. Man sollte nicht schimpfen, denn auf diese Weise schafft man Ruhezonen und -zeiten, wo man relativ ungestört vom Getümmel unseres modernen Fortschrittschaos Nischen der Erholung findet.
Im August 2009 waren wir wieder einmal da, diesmal war die Höhle "offen", allerdings erst ab.... Michael und ich haben erst einmal in Villanova einen Kaffee getrunken, haben im Supermarkt eingekauft, und dann war der Höhle tatsächlich offen. Ein italienisches Paar kam dazu, so waren wir genug, um eine Führung wirklich durchzuführen.
Wir waren etwa eine Stunde unterwegs und sahen dabei etwa 500 m Höhlenstrecke. Wir kamen so in die "Sala della Frana", die "Gran Sala", die "Scala a chiocciola", die "Sala del Tempo" und wie sie noch alle hießen. Jedem Besucher wird ein Plastikhelm verpaßt, die Führerin läuft ohne herum, die kennt wohl schon alle Stellen, wo man sich den Kopf anhauen könnte. An vielen Stellen ist es gut, sich ein wenig kleiner zu machen, um nicht mit der Decke unliebsame Berührung zu haben. Die Höhle stellt keinerlei körperliche Ansprüche, meistens bewegt man sich in horizontalen Räumen, die nur ab und zu mit Treppen miteinander verbunden sind. Große Schönheiten sollte man nicht mehr erwarten, denn die Höhle hat ihre Geschichte.
Ganz genau ist das Datum der Entdeckung der Höhle überliefert. Am 13. März 1797 soll ein Jäger bei der Fuchsjagd auf den Eingang gestoßen. Dieser war zu schmal, um selber hineinzukommen. Er holte ein Kind, das dann gerade noch hindurch paßte und als erster Mensch in die Höhle vorstieß. Das kleine Wesen bekam Angst in den unheimlichen Räumen, begann zu schreien und wollte so schnell als möglich wieder hinaus. Die Nachricht von der Höhle verbreitete sich schnell und schon bald darauf zog eine Art Höhlenexpedition, bestehend aus 300 jungen Leuten aus der Umgebung zu Höhle, um sie zu öffnen, bewaffnet mit Hacken und Schaufeln. Seltsamste Geschichten wurden tauchten auf. Der Name "Paganotti", für die Umgebung stehend, deute darauf hin, daß man auf den unterirdischen Tempel gestoßen sei, den die dort einmal gelebt habenden Heiden, sich früher mal gebaut hätten, zum Beispiel.
Schnell erwachte das kommerzielle Interesse und die schönsten Tropfsteine wurden sofort abgeschlagen und verkauft. Auf dem Markt von Mondovi verkaufte man den Sinter nach Gewicht. Außerdem wurden sie nach Ligurien exportiert, wo sie später so manchen Stadtgarten schmückten. 1884 tauchte erstmals tauchten erste Pläne auf, die Höhle als Schauhöhle zu vermarkten. 1892 wurde sie dann eröffnet, nachdem man umfangreiche Bauarbeiten vorgenommen hatte. Genaue Zahlen werden noch heute genannt: 604 Kubikmeter Fels habe man bewegt, 1504 Sprengkapseln habe man verwendet, wobei man 280 Dynamitstangen einsetzte. Im Zuge dieser Arbeiten wurde die Höhle gleich elektrifiziert, wobei ein Generator der Marke "Langen und Wolff" zum Einsatz kam. Groß war der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens wohl nicht, was dazu führte, daß 1914, mit Beginn des 1. Weltkriegs, der Betrieb eingestellt wurde und allmählich alles verfiel. Erst im Jahre 1966 erwachte wieder das Interesse und man begann erneut in beschränktem Maße mit dem Führungsbetrieb.
Zwei Besonderheiten gibt es heute in der Höhle: Einige höhlenkundlichen Vereinigungen betreiben ein Höhlenlabor in einem Raum, der den Namen "Scrigno delle Perle" trägt. Man sieht ein aufgestelltes Zelt, das wohl dem angenehmeren Aufenthalt der Forscher dient und ein Tischchen, auf dem verschiedene Laborgeräte stehen. Was dort erforscht wird, das erfährt man als Besucher der Höhle nicht. Die andere Besonderheit ist bereits am Eingang zum ersten Male zu sehen. Da steht ein Bild, gemalt im Stile von Gustav Klimt, die heilige Familie, versammelt in der Krippe zeigend. Gleich hinter der Eingangsmauer ist eine Stadt, wohl Betlehem darstellen sollend, aus lauter kleinen Häuschen errichtet worden. Wieder geht es um das Thema "Krippe", und das noch öfters im Laufe einer Tour durch die Höhle. Besonders im Dezember wird dieses Thema hier herausgehoben, es gibt also wohl keine Wintersperre in der Höhle, ganz im Gegenteil. Man lockt die Leute mit diesem Thema gerade in diesem Monat in die Höhle. Offenbar stört es keinen, so bleiben die Exponate jetzt schon ganzjährig ausgestellt.
Die Gegend | ||
La grotta più colorata d'Italia | ||
Der Eingang - versehen mit einem Krppenbild á la KLIMT | ||
Krippen, Krippen, Krippen - ganzjährig | ||
Literatur:
Vittorio, Verole, Bozzello | Le Grotte d'Italia - Guida al Turismo Sotterraneo, Bonechi Editore, Firenze 1970 |
Gobetti, Andrea | L'Italia in Grotta, Roma 1991 |
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