Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Badde Pentumas - eine Schlucht auf Sardinien


Der Einstieg in die Schlucht mit Alexander Wagner,


"Schluchteln" nennen einige Leute das auf deutsch, mangels geeigneter Verben in unserer Sprache, was "Canyonisten" treiben. Es geht um das Befahren von Schluchten, wobei unerfahrenen, risikoscheuen und glücklosen Leuten nur abgeraten werden kann, so etwas auch mal zu versuchen. Es gibt kaum eine Outdoorsportart, die an möglichen Abwechslungen so reich ist, wie diese Tätigkeit. Klettern und Abseilen sind die normalen Aktivitäten, dazu kann noch das Schwimmen, das Springen, vielleicht gar mal das Tauchen kommen. Von der Höhlenbefahrung unterscheidet es sich vor allem dadurch, daß es sich unter offenem Himmel abspielt, aber vielleicht gibts ja auch Nachtcanyonisten, die müßten dann auch noch eine Lampe mitnehmen. Die Ausrüstung hält sich oft in Grenzen, da es oft genügt ein Seil mitzunehmen, das für die längste Abseilstrecke reicht. Die Besonderheit ist ja, daß man das Seil nach dem Abseilen abzieht. Ein Zurück gibt es danach praktisch nicht mehr. Das ist schon ein besonderes Gefühl, den point-of-no-return dauernd ein wenig voranzuschieben.

Auf Sardinien habe ich das auch einmal mitgemacht. Wir waren im Laneittutal im Supromontemassiv und begannen in der Nähe der Sa Oche-Höhle mit dem Aufstieg ins Plateau. Ein schmaler Hirtenpfad ermöglichte den Anstieg. Nur selten wird hier jemand heraufkommen außer den Hirten, die hier ihre Herden haben. Touristen haben anderes im Kopf, so bleiben wenigstens einige Regionen verschont von dem rat-race nach dem Geld.

Irgendwann war die notwendige Höhe erreicht. Wir wanderten auf einem kleinen Karstplateau südwärts und konnten langsam den Lauf eines kleinen Bächleins, das sich leicht eingefräst hatte in das Gestein wahrnehmen. Dann kam der entscheidende Punkt. Eine Kante wurde erreicht. Ab hier gings es senkrecht in die Tiefe. Die Route ist bei Canyonisten bekannt. Entsprechend waren die Möglichkeiten für das Abseilen. Seil eingebaut, Sitzgeschirr angelegt, Petzl eingehängt und runter bis zu einem Zwischenstand. Wir waren zu dritt. Reinhard, Alexander und ich. Nun kam der "heikle" Moment. Das Seil wurde heruntergezogen, kam uns über einen Überhang entgegen geflogen. Da wieder rauf? Das würden wir nicht packen. Es galt nun, alles daranzusetzen, tiefer zu kommen. Die Schluchtwände näherten sich an. Der beste Weg war entweder am Grund der Schlucht oder entlang der Wände. Passieren darf hier nichts, gar nichts, aber das gilt schließlich auch an vielen andern Orten in der Natur und anderswo. Kilometerweit ging es so. Da lag eine tote Ziege im Wasser, der Hirte vermißt sie wohl, ab keiner würde sie da herausholen können. Immer neue Abseilstrecken, dann wieder Laufstrecken. Daß hier nur sehr selten ein Mensch vorbei gekommen ist, das ist einfach spürbar. Natur pur.

Und noch ein seltsames Gefühl. Die Schlucht überquert einen großen Ast der vielleicht 100 m unterhalb verlaufenden Su Ventu-Höhle ohne daß an der Oberfläche irgend etwas davon zu merken wären. Englische Höhlenforscher hatten schon mal in den 80er Jahren versucht, von außen und damit von oben in diese Teile vorzudringen, allein, sie fanden nichts, wohl weil es auch keine Durchlässe nach unten gibt. So entwickeln sich Oberfläche und Untergrund teilweise nach ganz eigenen Regeln und haben nur geringe Berührungsflächen.

Stunden später kamen wir erschöpft und glücklich wieder beim Auto im Tal an. Ein großes Erlebnis lag hinter uns. Glücklicherweise ist alles gut gegangen. Selbstverständlich ist das nicht. Ein einziger Tritt auf einen wackligen Stein würde genügen, um einen von hier ins Jenseits zu befördern. Eine einzige Unachtsamkeit beim Einhängen des Petzls ins Seil könnte tödlich sein bei Tiefen, die mit 8stöckigen Hochhäusern zu vergleichen sind. Ich bin kein Canyoningfan geworden, war aber fasziniert von der Wildheit der Gegend, die ja ansonsten vollkommen unzugänglich für den Menschen ist..

Auf dem Weg zur Schlucht

Eine Hintenhütte, ein Ovile, am Weg

Abseilen entlang schräger Schluchtflächen

Der x-te Abseiler

In der Schlucht

In nüchternen Zahlen: Es sind 13 Abstiege, von den der höchste 25 m lang ist. Für das Unternehmen sollten etwa 7 Stunden angesetzt werden.

 

 

Literatur:

   

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