Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft und Höhlen im Südwesten Sardinien, I
Besucht man den Südwesten Sardiniens, dann wird man gebirgige Landschaften sehen, Orte, die ihre beste Zeit schon hinter sich zu haben scheinen, schließlich eine mal felsige Küste, mal einen eher flachen Ausklang Richtung Mittelmeer. Geographisch gesehen handelt es sich um das Inglesiente und Sulcus.
Im Untergrund steckt noch viel mehr, bzw. steckte. Diese Ecke der Insel besteht auch aus den ältestesten Gesteinsarten, die man weit und breit finden kann. 500 Millionenn Jahre Erdgeschichte bis zurück ins Paläozoikum sind dort vor uns. Wissenschaftler haben herausgefunden, daß das Gestein mindestens 5 komplette Karstzyklen durchlaufen hat, also von der Gesteinsbildung bis zur Verkarstung mit Höhlen- und Sinterbildung, dann ein Wiedereintauchen ins Meer, neue Kalksteinbildung, Wiederauffüllung der alten Höhlen mit Kalk, Erzen (Blei und Zink z.B.) usw., neue Höhlen- und Sinterbildung und so weiter. Nur so sind manche der komplexen Raumformen und Karstfüllungen zu erklären. Außergewöhnlich sind die vielen Höhlen, die keinen natürlichen Zugang haben, sondern erst über den Bergbau angefahren wurden. Bis in eine Tiefe von - 888 m unter dem heutigen Meeresspiegel hat man diese Hohlräume schon nachweisen können. Bedeutende Höhle liegen auch an den Gesteinsgrenzen, etwa zwischen Kalk und Quarzit.
Die Region ist eine der höhlenreichsten ganz Italiens und damit natürlich auch der Welt. Im kleinsten Umkreis kennt man heute 1000 Höhlen, die zusammen genommen es auf eine Gesamtganglänge von 100 km bringen würden. Die längste Höhle der Region und eine der ältesten wohl der Erde ist die Höhle von Su Mannau. Ihre Länge wird mit 8 km angegeben bei einem Gesamthöhenunterschied von 50 m. Ein kleiner Teil von ihr ist heute als Schauhöhle erschlossen. Weiter innen liegende Gänge können in Touren begangen werden, die von Höhlenführern begleitet werden. Der Eingangsteil war schon immer bekannt und man hat festgestellt, daß es rund um die Wasserstelle dort ein Kultplatz aus der Nuraghenzeit lag.
Weitere bedeutsame Höhlenysteme sind die von San Giovanni, die man auch mit dem Auto durchqueren kann. der complesso di Cuccuru Tiria, die 1952 entdeckte grotta di S. Barbara in einem Bergwerk und in etwas weiterer Entfernung die heute als Schauhöhlen geführten Höhlen von Is Zuddas und Pirosu, die eine sehr bedeutende Grabhöhle aus dem 8. bis 6. Jahrhundert vor Christus darstellt.
Über die Höhlen im Südwesten Sardiniens gibt
es leider auch sehr Trauriges zu berichten. So manche einmalige
und einstmals wunderbare Höhle ist heute geplündert und ihr
einstiger Inhalt ist auf den Marktplätzen der Erde verhökert
worden für mehr oder weniger Moneten. Besonders unrühmlich trat
eine Firma mit dem Namen Collectione Sardegna auf, die jahrelang
mit einem Stand auf der Mineralienbörse in München vertreten
war. Die atemberaubenden Stücke stammten aus neugefundenen
Höhlen meist aus dem Inglesiente. In einem Interview mit der
Süddeutschen Zeitung, abgedruckt in einem SZ-Magazin 2006 gab
mal der auch schon zum "Hohepriester des Markts"
hochgejubelte Milton Friedman von sich: "Wir Ökonomen
kümmern uns nur darum, wie die Leute ihr Leben organisieren und
wie sie ihre Ressourcen einsetzen, um ihre Bedürfnisse zu
erfüllen. Wir beurteilen diese Bedürfnisse jedoch nicht. Sie
können individuell sehr unterschiedlich sein, von Hass, Liebe
oder sonst einem Gefühl gesteuert." Ein bißchen vorher
erwähnte er auch noch die "Gier".
"Ökonomen" seiner Couleur halten sich da zurück, die
Zerstörung einer Naturlandschaft, auch einer unterirdischen, zu
"beurteilen". Sie verdienen sich ja ihren
Lebensunterhalt nicht zuletzt damit, daß sie dieses System
"theoretisch" an den Hochschulen rechtfertigen und
hochhalten. . "Reichtum" in den Tresoren,
"Armut" in den natürlichen Hohlräumen - wen stört es
denn wirklich?.
Ein Ergebnis solcher Aktionen ist, daß mit Informationen über
Höhlen immer restriktiver umgegangen wird. Man muß das einfach,
wenn man dem großen Gier- und Geizsystem, das heute die Welt
bestimmt, wenigstens auf kleinen Inseln begegnen will.
Im Grunde ist die Welt so schön, auf und unter der Erde. Bis die Raffer und Räumer, die Abräumer, kommen. Man siehts danach. Die menschlichen Heuschrecken.
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Sant'Antioco |
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Am Monte Sirai | |
Montessu - bedeutendste Felskammern- |
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In Buggeru |
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Beim Pan di Zucchero |
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Bergwerksgebiet |
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In einer Bergwerkshöhle | |
Der Berg. in dem die Is Zuddas liegt Der Eingang |
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Literatur:
Pauli, Rainer | Sardinien - Geschichte, Kultur, Landschaft, DuMont Kunst-Reiseführer, 7. Auflage, Köln 1990 |
Forti, P., Perna, G. | Le cavità naturali dell'Iglesiente. Mem2 s.2 Ist. Ital. Speleol., Bologna: 1-229 |
Perna, Giuliano | Il carsismo messiniano nell'area del Mediterraneo, Speleologia 34, 1996, p 5ff. |
Deubner, Christian | Die Westküste von Sardinien beim Pan di Zucchero, DER SCHLAZ 27,1979, S. 24ff. |
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