Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Höhlen am Monte Kronio, Sizilien, I


Dampfwolken im Gegenlicht aus dem Berg


Im Monto Kronio, einem 382 m hohen Kalkberg in der Umgebung von Sciacca im Südwesten Siziliens, gibt es ein Phänomen, das schon Jahrtausende bekannt ist und schon zu vielen Spekulationen Anlaß gegeben hat: Am Fuße eines Berges verschwindet mesit kalte Luft in Erdöffnungen und oben kommt heiße wieder heraus. Woher kommt das?

Alle möglichen Erklärungen wurden schon geliefert: der Teufel sei es, Dädalus habe eine Höhle am Meeresstrand bei Selinunt geschaffen, in der der Dampf, der dem Feuer innen entweiche, die Körper heile. Später hat dann die christliche Kirche diesen Ort für sich in Beschlag genommen, in dem dort der "heilige Calogero" dorthin sich zurückzog und die schon wieder verfallenen Anlagen wiederbelebte, womit eben wieder Menschen kuriert wurden. Moderne Geologen haben ganz nüchterne Erklärungen für den Heißluftstrom geliefert, ohne letztlich alles erklärt zu haben.

Die geologischen Verhältnisse sind sehr kompliziert. Während die Kirche noch auf Nummulithenkalk (Eozän sup-Oligozän inf) steht, sind die Höhlen nur wenige Meter daneben in einem Gemisch von Kalken unterschiedlichster Provenienz mit Marmorbeimengungen (Neocomiano-Luteziano). Es geht dann weiter mit gelb-rötlicher Marmoren und so weiter. Unterhalb des Gipfels öffnen sich 4 Höhlen, die in (Stufe di S. Calogero, Grotta Cucchiara, Grotta del Lebbroso, Grotta di Gallo) das unterirdische Luftsystem einbezogen sind. 100 m tiefer und bis in eine Entfernung von 3 km befinden sich ungefähr 10 Quellen und hunderte kleiner Schächte, in denen Thermal- und Mineralwasser zu Tage tritt mit einer Temperatur, die zwischen 31 und 56 Grund schwankt. Einige dieser Wässer werden heute zu Kurzwecken genützt.

Das Gesamtsystem der Höhlen ist ein wenig länger als 1 km, ohne daß es eine physisch befahrbare Verbindung dazwischen gäbe. Die längste Höhle ist die "Stufe die San Calogero" mit 555 m Länge und einem maximalen Höhenunterschied von 56 m. Sie ist seit Urzeiten bekannt, weil die austretenden Dämpfe schon von weitem sichtbar sind. Eine große Überraschung war, als Höhlenforscher in den 60er Jahren erstmals tiefer in die wegen ihre heißen Dämpfe nur schwierig zu begehenden Räume eindrangen, daß sie darin große Keramikgefäße und menschliche Skelette entdeckten. Sie waren wieder einmal nicht die ersten! In einem italienischen Bericht darüber heißt es schamhaft: "Il ritrovamento ha posto agli archeologi grossi problemi di interpretazione." Jedenfalls das Alter hat sich bestimmen lassen, wie sie dorthin kamen und warum, und warum später dann auf einmal Schluß mit dem Besuch dieser Räume war, das wissen wir alles nicht. In der Zeit zwischen 4000 und 2000 v. Chr. haben Menschen die Höhle immer wieder aufgesucht für unterschiedlichste Zwecke, wohl auch schon zu Heilungsversuchen, aber eben auch zu Begräbniszwecken. Dann war auf einmal Schluß damit. Haben sich da plötzlich die klimatischen Verhältnisse so geändert, daß man die Höhlen kaum mehr aufsuchen konnte? Erst wieder mit der Ankunft der Griechen, später der Römer, wurden die Höhlen wieder aufgesucht, nachgewiesen durch die Auffindung von kleinen Kultfiguren, Vasen, Münzen. Dann scheint der Ort wieder in Vergessenheit geraten zu sein, erst mit dem Eremten Calogero scheint wieder die Aufmerksamkeit auf den Ort verstärkt gefallen zu sein. Im Mittelalter scheint der Zugang zu den heißen Höhlen streng geregelt gewesen und sein und das iefert uns heute ein krasses Beispiel für frühere Wertestrukturen: "Treue", wohl "verheiratete" und "untreue", wohl unverheiratete Frauen waren streng getrennt, die Juden durften nur am Freitag hinein und die "unehrlichen" (oneste) Frauen, wohl besser die unverheirateten, am Samstag.

Heute wird ein an Höhlen wenig Interessierter Besucher diese seit Jahrtausenden bekannte und letztlich sehr berühmte Höhle, über die in alter Literatur immer berichtet wurde, so schon 1678 von Athanius Kircher in seinem Mundus subterraneus, praktisch nicht finden. Wenn er sehr aufmerksam ist, dann besucht er die Kirche auf dem Gipfel, genießt die herrliche Aussicht in die Umgebung, die bei guten Wetterverhältnissen sogar den Blick bis nach Afrika erlaubt, und geht auf der Südseite den kleinen Weg hinunter, der bis zum Badegebäude führt. Dort ist auf der linken Seite der Eingang in die mit einem Gitter versehene alte Kulthöhle des Calogero mit einem kleinen Altar. Noch etwas weiter kommt ein Weg auf das Dach des Badegebäudes, dessen Eingang auf der anderen Seite liegt. Aus Deckenkuppeln und zwei innnen ganz schwarzen gemauerten Öffnungen tritt der heiße Dampf aus und läßt ahnen, was unter einem vor sich geht.

Es gibt nachmittags Zeiten, wo die "Stufe" zugänglich sind. Ein Reiseführer schreibt, daß man nur ärztlicher Genehmigung die Höhlen besuchen dürfte. Nun, man muß sich dadurch nicht abschrecken lassen. Für uns, Doris, mich und Willi, war das schon zweimal kein Grund, nicht hineinzugehen im Juni 2006, weil den Arzt, Willi, nämlich, ja gleich dabei hatten, und der war ja selber sehr gespannt, was da auf uns zukommen würde. Willi machte den small talk und wenige Minuten später kam der Mann vom Empfang mit uns in die Höhlen. Es war nur minimaler Betrieb und er hatte glücklicherweise Zeit. Die Atmosphäre einer Kuranstalt herrscht hier. Lauter Ruheräume neben den Korridoren. Alles gefließt. Sauber. Daß da eine Karsthöhle ist, das erlebt man erst im letzten Moment. Dann, wenn der Führer eine Türe öffnet. Auf einmal dampft es dick aus der Erde. Wir standen in einer echten Sudkammer der Erde. 40 Grad Celsius und 100 Grad Luftfeuchtigkeit. Das vertragen viele Leute überhaupt nicht, manche ein wenig, jedenfalls darf man nur wenige Minuten hinein in die natürlich Schwitzkammer mit ganz niedrigen Fortsetzungen in den Berg, die grade noch was für fast unbekleidete Höhlenforscher sind. Kleine in den Felsen gearbeitete Felsbänke werden wohl von den ernsthaften Anwendern dieser Natursauna beim Aufenthalt benutzt. Fotographieren ist fast unmöglich, weil natürlich sofort alle Linsen beschlagen. Der Führer lotste uns auch schnell wieder heraus und öffnete auch noch die zweite Höhlenkammer für uns. Die war ein wenig niedriger als die erste, aber auch dort herrschten "höllische" Temperaturen. Auf Plastikstühlen sitzen da drinnen die Patienten für wenige Minuten, eh sie dann in den Ruheräumen für längere Zeit sich von den Strapazen der Hitzeaussetzung sich wieder erholen. Großartiges ist in diesen kleinen Erdkammern nicht zu sehen, aber der Erlebniswert ist erheblich. Nur wenige Meter weiter ist die Erde himmlich-mediterran heiter, da ist chtonische Roh- und Wildheit.

Die "Stufe" sind nur eine von mehreren Höhlen, die im Grunde zusammenhören, weil durch sie die heiße Luft durch den Berg streicht - nicht immer in einer Richtung, aber meistens. In die Grotta Cucchiaa und die Grotta di Gallo wird kalter Luft eingesaugt und oben tritt sie, meist, wieder aus. Was verursacht diesen Strom? Inzwischen konnte man in Cucchiarahöhle, die heute immerhin 560 m mißt in dem gewaltigen Pozzo Trieste, der 20x30 m Durchmesser hat, 104 m absteigen. Das Ergebnis war, daß der heiße Luftstrom nicht vom Grund kommt, sondern aus einer Öffnung unterwegs im Schacht. Auch da hat man schon weitergeforscht. Bemerkenswerterweise haben die Forscher bei der Erstbefahrung eine Begegnung mit einer Schlange gehabt, die vor ihnen in den Spalt verschwunden ist. Verblüfft waren die Forscher auch, daß sie am Grund den Schachts das vollständig erhaltene Skelett eines Menschen entdeckten.

Wer wenigstens einen kleinen Eindruck vom spannenden Innenleben des Monte Kronio bekommen will, der sollte einfach zum Kurhaus am Berg fahren und seine Hand in eine der schwarzen Öffnungen halten, die in der Felswand klaffen. Er wird sofort spüren, daß dort starke Erdkräft walten, stärkere als all unsere "menschlichen". Dagegen sind wir nur kleine "Zauberlehrlinge".

Von der Promenade in Sciacco

ein Blick auf den Monte Kronio

Blick auf den Karstberg
von Süden
Die Kirche auf der Gipfel

Die Höhlenkapelle des
"Stufe" - was ist das?
Das hat damit zu tun!

Schwarze Öffnungen, aus denen

Dampf austritt

Das Kurhotel am Berg
Eine Hand

in eine Bergöffnung gehalten

aus der heiß herausdampft

Eine "heiße Öffnung"

Weitere heiße Öffnungen
Vor den heißen Kammern

- hinter den Türen herrschen 41 Grad!

Das sieht man im ersten Moment!
 
Alte Darstellungen der Höhle
 


Für alles gibt es heute Ratschläge!

Literatur:

Guidi, Pino Il fenomeno carsico termale del Monte Kronio,Speleologia 12, 2000, p
Diqual, Augusto SCIACC 1979 or EXPLORATIONS IN THE ST. CALOGERO; LEPROUS and BREATHING CAVE SYSTEMS (Sicily), The British Caver
Guidi, Pino THE LEGEND OF THE GROTTOS OF SCIACCA, The British Caver 80-1981, p 10ff.
Perotti, Giulio Il fenomeno carsico termale del Monte Kronio, esiste ancora qualche piccolo dubbio, Speleologia 50, p 84f.
Guidi, P. SCIACCA 1986, Speleologia 17, 1987, p 49
Perotti, Giulio Kronio. Le Stufe di san Calogero, il fenomeno geotermico e la frequentazione umana. Tip. Mosetti, Triest 2006
Bellitti, Antonio Silvestro Delle Stufe e de Bagni di Sciacca, 1783
Perotti, Giulio All'inseguimento di un sogno. Cronache e storie di uomini e vapori nelle Stufe di San Calogero nel monte Kronio di Sciacca, Trieste 2008

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