Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Grotta dell'Orso im
Triester Karst, I



Typisches Landschaftsbild in der Nähe der Höhle


Nicht weit von Gabrovizza, schon außerhalb des Dunstkreises von Triest, aber noch in der Lärmzone der Autostrada, liegt eine altbekannte Höhle. Sie bekam ihren Namen von einem Archäologen namens Marchesetti, der dort einen gut erhaltenen Bärenschädel 1884 dort entdeckt hatte. Neben vielem anderem Gebein, vom Löwen, von Hyänen, von Pferden, Wölfen usw.. 

Bekannt war diese Höhle dem Menschen wohl schon immer, seit sie von den frühesten Wesen gefunden wurde. Spuren haben sie auch hinterlassen, mehr oder weniger. Die konnten dann von den Archäologen wieder ausgegraben werden. Z.B. die lange Mauer, 13 m lang, bis zu 2 m hoch aus großen Felsblöcken, die die Basis für eine Plattform gebildet hat, genau an der Übergangszone vom Tageslicht in die Schwärze des t-förmig dazu verlaufenden Tunnels in die Tiefe. Sie kann aus der Eisenzeit stammen, von den Römern, im Mittelalter errichtet worden sein. Wer weiß es. 

Am 14. März 2003 nachmittags versuchte ich zum zweiten Male dorthin zu kommen. Nicht ganz einfach. Im "Atlante stradale d'Italia" des TCI ist sie zwar eingezeichnet, aber nicht genau. So suchte ich herum und kam erst einmal in Regionen, die hätte ich eigentlich nie aufgesucht, wenn ich wirklich gewußt hätte, wo es lang ging. Aber wie so oft im Leben, das Drumherum ist oft mindestens genauso spannend, wie der Kern. 

So war es auch hier. Ich ließ mich täuschen durch eine deutlich sichtbare rot-weiße Markierung, folgte ihr und kam sonst wohin. Ein wunderbarer Wanderweg war das. Wildnis wanderbar gemacht. Da ein Loch im Boden, dort eine uneinsehbare Doline. Spannend das alles. Nur, wo war die Grotta dell'Orso? 

Mir kam es immer Spanischer vor. Und so beschloß ich einfach vom offiziellen Weg mich loszueisen und einfach einem mir vollkommen unbekannten, aber, den schmutzigbraunen Trittspuren nach, häufig begangenen Steig zu folgen. Auf einmal stand ich vor einem schwarzen Loch. Unglaublich. Glatte Kalkplatte. Loch drin. Gähnende Schwärze auf mehrere Quadratmeter. "Bellshaped" war das unter mir - also nach unten hin sich ausweitend. Kein Geländer herum oder wenigstens ein Zäunchen oder Mäuerchen. "Hard facts". Ein Blinder bekäme überhaupt nichts mit von der plötzlichen Veränderung der Erdoberfläche. In den Kalkfels davor war ein Zeichen eingeritzt, ein Kreuz, ein A und ein Omega. Eingeritzt war auch noch die Katasternummer. Das alte Zeichen hat mich mehr beeindruckt. Leben und Tod - nur einen Schritt voneinander entfernt - hier ist es fühlbar.

Es war nur eine Frage des Spürsinns. Wohin gingen die meisten Trittspuren. Sie führten zu einem Schotterweg. Abgesteckte "Claims" links und rechts. Mauern, Zäune, Hunde. Dann wieder Freiland. Ein schmaler Weg. Auf einmal, unerwartet, ein schwarzes Loch in der Ferne. 

Hundebellen aus der Tiefe. Zerberos? Das "Herrchen" saß links davon, beschwichtigte das Halbroß mit seinen Worten. Ließ mich die Schwelle des Eingangs passieren. In der "twilight zone" an der Wand ein Vorrat ein Bier. Davor leere Flaschen. Ich rutschte in den Ledersandalen auf dem lehmigen Boden schräg abwärts. Erreichen der Dunkelzone. An der Wand eine Inschrift. HADES. War die "echt"? Höhleneinwärts hätte ich richtige Ausrüstung gebraucht. So "schlich" ich wandaufwärts und schaute auf alles, was der "Mensch" alles zurückläßt, wenn er sich dort aufgehalten hat. Z.B. ein Riesenherz an der Wand, wo er seiner Liebe für die Angebetete festhalten wollte, Faschingskonfetti in Massen, eine malträtierte Türe auf dem Boden neben einer Feuerstelle. Was hat es hier nicht schon alles zu hören gegeben?

Beim Hinausgehen lag er hier noch immer. Der "Herr" des Hundes, auf einer Decke liegend und in einem Buch lesend. Die Kühle des Orts nutzend.

 
Ein Blick auf den Boden
Reste der letzten Bierparty

2009 Alles war noch ein wenig "Schlimmer". Die Höhle war der Aufenthaltsort einiger Triester "Outcasts". Den ersten Kontakt bekam ich schon an der Straße, wo mehrere andere Autos geparkt waren. Ein Mann kam des Weges, blutverschmiert im Gesicht, so als wenn er einen Kampf oder einen Kontakt mit einer kaputten Glasflasche gehabt hätte. Eine junge Frau kam nach in einem zerschlissenen Wollpullover voller Löcher und ein anderer junger Mann. Es dauerte nicht lange und die Sanitäter kamen in ihrem Auto hier vorbei und holten den Verletzten Mann ab. Auf dem Weg zur Höhle standen Bierflaschen und einige Kerzen auf dem Weg. Aus dem großen Dolinenloch quoll sichtbarer Rauch empor. Auf dem Weg zum Höhleneingang stand ein altes Zelt, vor dem ein menschliches Wesen sich unter einen dünnen Schlafsack drückte und sich nicht rührte, als ich vorbei kam.
In der Höhle brannte ein richtiges Lagerfeuer neben dem 3 Menschen standen. Auf einem langen Biertisch daneben standen Dutzende von Flaschen, was auch immer in den mal gewesen ist. Die Sicht war durch den Rauch sehr schlecht und war schon richtig nebelartig. Noch tiefer in der Höhle lagen an zwei Stellen noch zwei Leute, die offenbar schliefen. Einer davon schnarchte so lauthals, daß es in der ganzen Höhle zu hören war. Ein Wunder, daß er es da aushielt, da es ziemlich kalt in der Höhle war und der Boden ziemlich matschig und lehmig. Er war grad eben durch eine dünne Plastikfolie vor dem Darunter geschützt. Ich habe keinen Kontakt zu diesen modernen Höhlenmenschen gesucht und sie haben mir keinen aufgedrängt. Für mich haben sie einfach einen Fluchtort gesucht, wo sie sich ungestört wenigstens ein wenig aufhalten konnten, ohne von all den modernen "Errungenschaften" unseres Daseins noch viel mitbekommen zu müssen bzw. ja vielleicht auch zu dürfen.

 
   
   

 

 

 


 

 


Literatur:


Gherlizza, Moreno
Tra le Rocce, Triest 1989
Gobetti, Andrea L'Italia in Grotta, Gremese Editore, Rom 1991

Links:

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