Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Landschaft und Höhlen im Karst bei Monfalcone, Friaul, I
Timavoquelle, Februar 2010
Der westlichste Abschnitt des Karstes liegt nördlich von Monfalcone in Italien und reicht hinauf bis zu den Ufern des Isonzo bei Görz/Goriza. Wir finden auch hier jede Menge Karsterscheinungen und Höhlen, allerdings keine mit wirklich großen Längen und Tiefen. Ein Blick auf eine höhlenkundliche Karte aus unseren Tagen zeigt, daß das Gelände geradezu perforiert erscheint durch Öffnungen in die Unterwelt.
Die Besonderheit dieser Gegend ist, daß es neben den natürlichen Hohlräumen in der Erde auch viele vom Menschen geschaffene gibt. Den Höhepunkt dieser traurigen Berühmtheit erreichte diese Gegend in der Zeit des 1. Weltkriegs, wo dort ein Teil der berüchtigten Isonzoschlachten stattgefunden hat. Es ging um die Vorherrschaft in dieser Region, die jahrhundertelang unter der Vorherrschaft der Habsburger zur Österreichisch-Ungarische Donaumonarchie gehörte und die von den Italienern in Frage gestellt wurde.
Gleich beim Bahnhof von Monfalcone liegt eine
bedeutende Erinnerungsstätte an diese Zeit, die mit Mitteln aus
Fördertöpfen der Europäischen Union wieder hergerichtet wurde
und heute uns noch einen kleinen Eindruck an den ungeheuerlichen
Geschehnissen von damals vermitteln kann. Man folgt dem System
der Schützengraben bergauf, der "linea Joffre", im
Gedenken an den französischen Befehlshaber, der damals die
Isonzofront besuchte, und stößt unmittelbar in einem auf den
Eingang in eine Naturhöhle, die Caverna Vergine. Ein Gitter ist
dort angebracht, war aber im Februar 2010 unverschlossen.
Irgendwie macht ja ein Verschluß gar keinen Sinn, denn was
möchte man da eigentlich noch "schützen"? Eine
örtliche Höhlenforschergruppe hat sich dem Objekt angenommen
und es wieder hergerichtet. Ein Baugerüst aus Eisenstangen und
Holzbrettern stand noch in der Höhle. Außerdem lag da noch ein
alter abgenutzter Schleifsack, benutzt wohl in einer
Reinigungsaktion.
In Laufe der Kampfhandlungen im 1. Weltkrieg wurde diese Region
im Juni 1915 von den italienischen Truppen erobert und gesichert.
Die Höhle baute man zu einem Schutzunterstand aus. Viel ist da
heute nicht mehr zu sehen, ein paar Treppen, eine Betonplattform,
ein unterer natürlicher Raum, der über ein wenig Bücken leicht
erreichbar ist. Insgesamt haben die Höhlenforscher 68 m Länge
ermittelt, bei einem Gesamthöhenunterschied von 17.70 m. An
einer Wand findet sich eine Inschrift: "Questa Caverna
Vergine La Luce Vide P...Volta La.. T ria".
In den Unterlagen über die Höhle, aufbewahrt von der Societa
Alpina delle Giulie, finden sich Aufzeichnungen über ein
seltsames Ereignis: Ein österreichisch-ungarischer Deserteur war
in den Höhle eingeschlossen worden und wartete dort auf seine
Aburteilung. Während der Nacht sei bei ihm ein Ungeheuer in Form
einer Schlange aufgetaucht, die irgendwo aus der Erde gekommen
sei. Am folgenden Morgen hätten die Wachen nur noch den Körper
des Gefangenen gefunden, der vollkommen zerfleischt gewesen
sei...
Nur wenige Meter weiter ist eine weitere für Kriegszwecke
genutzte Höhle, die Grotta presso la Stazione ferroviaria di
Monfalcone, 224 VG, auch Grotta dei Pipistrelli genannt.
Grotta Vergine 1063 VG |
Nicht weit von der Straße Monfalcone - Doberdo
del Lago entfernt liegt etwas verborgen vom allmählich
zuwachsenden Weg, der noch mit roten Punkten gekennzeichnet ist,
der Eingang in die Caverna Generale Ricordi, 1064 VG. Über dem
Eingang ist noch heute deutlich lesbar "Grotte
Fillinger" eingraviert. Das ist der Name eines
österreichisch-ungarischen Befehlshabers. Die Höhle hat auf
beiden Seiten der Kriegsparteien zu entsprechenden Zwecken
gedient. Die Italiener eroberten sie im Zuge der 10.
Isonzoschlacht. Danach wurde sie von General Ricordi als
Kommandozentrale genutzt. Es wird berichtet, daß er ganz in der
Nähe der Höhle ums Leben gekommen sei.
Eine Begehung der 120 m langen Höhle, die eine Tiefe von 31 m
erreicht, bereitet heute keinerlei Schwierigkeiten. Man kann
immer schräg abwärts aufrecht gehen, nur immer unterbrochen von
den Türöffnungen in den Mauern, die unterwegs den Weg
unterbrechen. Sie wurden von der Universität in Triest nach dem
Krieg dort eingebaut, als man in der Höhle eine Station
aufgebaut hatte, in der seismische Messungen vorgenommen worden
waren. Einmal ist im Gang noch ein richtiger Tropfstein zu sehen,
an einer anderen Stelle ist in einer natürlichen Seitenkammer
noch der Rest einer schwer beschädigten Sinterfigur zu
bestaunen. Die Ausbaumaßnahmen enden im geräumigsten Raum der
Höhle, wo ein Betonboden das Bild bestimmt, in dem ein
Mittelkanal wohl das Wasser abführen sollte. Danach geht es
unausgebaut noch einige Meter weiter hinunter.
Direkt an der Staatsstraße n. 55 in der Gemeinde Doberdo del Lago liegen die beiden Eingäne in die Caverna di Infermeria, 1065 VG. Infermeria heißt Hospital, und in dieser Funktion wurde die Höhle während des 1. Weltkriegs genutzt. Davon sieht man heute nichts mehr. Man kann nur noch im Eingangsbereich geräumige Höhlengänge durchstreifen, die für menschliche Zwecke überarbeitet worden waren. Heutiger (Februar 2010) Verwendungszweck ist die Ablagerung alter Gummireifen.
Je nach Frontverlauf hat die Höhle beiden Parteien als Lazarett gedient, mal den Österreicher-Ungarn, mal den Italienern und dann ging die Nutzungsmöglich wieder zurück zu ersteren in der Zeit zwischen 1915 und 1918. Insgesamt 77,50 m ist die Höhle lang bei einem Höhenunterschied von 10,50m. In hinteren Teil sind dann noch einige Sinterformen zu besichtigen, die alle schwer beschädigt sind, aber auch schon wieder niederwachsen.
Die Eingänge |
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Menschenwerk | ||
Naturwerk |
Am "Goljak", Meereshöhe 93 m Kriegsstollen |
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Bei San Martino del Carso
Auf dem Weg zur Grotta due piani | |||||
Bei der Grotta Regina del Carso, 4760 VG | |||||
Die Höhle mit dem verrosteten Blechnapf am Monte San Michele Herbst 2001 |
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Lochsteindenkmal an die "Opfer" des 1. Weltkriegs in Brestovizza |
Um die meist nur in italienischer Sprache vorhandene Literatur verstehen zu können, braucht man ein spezielles Vokabular. Ein paar Übersetzungshilfen:
trincea | Schützengraben |
scopo bellico | Kriegszwecke |
posto di osservazione | Beobachtungsposten |
postazione difensiva | Verteidungsstellung |
osservatorio | Beobachtungsposten |
mitragliatrice | Maschinengewehr |
mimetizzare | tarnen |
deposito per le munizioni | Munitionslager |
ciglio | Rand |
ricovero | Luftschutzkeller, Unterstand |
opere in muratura | Mauerwerk |
galleria artificale | Künstlicher Gang |
Literatur:
Gherlizza, Franco, Radacich, Maurizio | Grotte della Grande Guerra, Trieste 2005 |
Gruppo Speleo "L.V. Bertarelli" | 30 GROTTE DEL CARSO GORIZIANO; Gorizia 1991 |
Guglia, Paolo, Luchesi, Piero, Restaino | Il Timavo - il fiume dai mille segreti, Speleologia 74, 2016, 23-28 |
Links:
http://www.kraskikrti.net/public/lang/en/index.php?file=grotte/grotta_alex.htm
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