Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Cueva del Pindal und Umgebung, Asturien
Von der großen Straße entlang des Küste des Golfs von Biskaya, der N-634, die gerade als Autobahn neu ausgebaut wird (2011), muß man bei der Ortschaft El Peral abzweigen auf die die RD-1 in Richtung Pimiango, um zur bekannten Höhle von Pindal zu kommen. Ein schmales Sträßlein führt erst bergauf, dann durch das Dorf mit der dort unvermeidlichen "Sideria", dem Apfelweinhersteller und -ausschank, hinauf auf einen Aussichtspunkt mit kunstloser Betonkonstruktion, von wo aus man einen herrlichen Blick auf die Küste hat.
Wer genau hinschaut, der sieht auch ein schwarzes längliches Loch in der grünen Wiesenlandschaft, die als "San Emeterio Headland" bezeichnet wird. Ein bezeichneter Wanderweg führt sogar in diese Richtung, ist allerdings nicht einfach zu begehen. Scheinbar wird er so selten begangen, daß er im Juni 2011 richtig zugewachsen war. Da steht man in einem 2,5 m hohen Farndickicht und kommt einfach nicht mehr weiter. Wie im Dschungel! Die ganze Orientierung geht verloren. Es galt, sich einfach einen Weg durch die auch noch mit widerstandsfähigen Brombeerranken durchsetzte Wildnis einfach zu treten. Irgendwann waren wir wieder draußen und fanden tatsächlich wieder die Trittspur. Zurück wählten wir einen anderen, weiteren Weg, und wollten einfach nicht mehr wieder durch diese Folterstrecke. Der Ausflug lohnt trotzdem. Ein kleines Karstgebiet liegt dort, eine nackte Karrenlandschaft ist zu durchqueren, ein tiefer Schacht tut sich auf, auf dessen Grund das Meer tobt. Grandios. Nicht weit davon entfernt ist eine kleinere Schachthöhle. In den Blick kommt auch eine große, ansehnliche Naturbrücke.
Sehr beeindruckend an der Höhle von Pindal ist schon einmal ihre Lage. Von einem Parkplatz mit 2 Gebäuden, die pädagogischen und musealen Zwecken dienen, wandert man 50 m Richtung Meer. Dann wird das Geräusch des Meeres unüberhörbar. Steil geht es auf vielen Steinstufen hinab auf eine große Plattform vor der Höhle, die mit einem massiven Gitter bündig abgeschlossen ist. Meerwärts wendet sich der Blick zu einer Art Schlucht, die direkt ins Meer abfällt. In der Ferne ist ein markanter, isoliert im Wasser stehender Felsklotz eine Art Markenzeichen, mit kleiner Höhlenöffnung drinnen.
Vor dem Höhleneingang steht ein kleines Holzhäuschen für den Führer, auf dem alle notwenigen Informationen für den Besuch ablesbar sind. Wenn es einem aber so geht wie uns, dann nützt das alles nichts. Wir kamen gegen Abend hier vorbei und alles war schon verwaist. Wir suchten uns an der noch sehr befahrenen Hauptstraße ein Nachtquartier, was kein Problem darstellte. Gäste gibt es offenbar genug, schließlich führt hier auch der Jakobsweg vorbei und läßt auch so manchen müden Wanderer in den Betten niedersinken. Am nächsten Morgen zogen wir wohlgemut wieder los und dachten, daß bei dem regnerischen Wetter schon in der Frühe wohl nur wenige sich auf den Weg zur Höhle machen würden. Weit gefehlt. Es wurlte geradezu vor Menschen, lauter Schüler, Lehrer und Betreuer waren das gerade unterwegs. Das muß ein großes pädagogisches Projekt gewesen sein, alle waren uniform gekleidet, gut drauf und ganz aktiv. Eine Gruppe kam aus der Höhle irgendwann mal aus der Höhle heraus, da war auch schon die nächste dran. Als wir fragten, ob wir drei uns nicht einfach anschließen könnten, da wurde wir negativ beschieden. Es sei immer nur eine Gruppe von maximal 20 Personen erlaubt, da würde keine Ausnahme gemacht. Hoffentlich halten jetzt die Bilder 3 Jahre länger! Irgendwann werden sie auf jeden Fall mal vergangen sein. Wir haben sie jedenfalls nicht gesehen im Original.
Man könnte auf Grund der heutigen dramatischen Lage der Höhle das Gefühl bekommen, sie hätte irgendwie die Malereien in der Höhle beeinflußt. Schließlich hat man dort auch die Zeichnung eines Fisches gefunden, was ziemlich selten vorkommt. Tatsächlich haben die Wissenschaftler festgestellt, daß zur Zeit der Entstehung der Bilder eine vollkommen andere Situation geherrscht hat. Die Küstenlinie war damals mehrere Kilometer weiter nördlich, die sich jedoch wegen starken Zurückverlegung des Küsten während der letzten Eiszeit heute ganz anders zeigt. Damals war hier einfach eine wellige Hügellandschaft und das Meer war weit weg.
Die Höhle ist 360 m lang und hat keine Abzweigungen. Der Gang stellt den ehemaligen Lauf eines unterirdischen Flusses dar. Ein kleines Bächlein fließt noch immer im tiefsten Teil der Höhle bei nassem Wetter.
Als Entdecker der Malereien gilt H. Alcalde del Rio, der dort 1908 die ersten Höhlenmalereien Asturiens fand. Weder die Qualität noch der Erhaltungszustand der Malereien sei besonders bemerkenswert, bemerkt Leroi-Gourhan, sondern es seien andere Faktoren. 120 m vom Eingang entfernt sieht man eine erste rotfarbige Pferdeabbildung. Ihr Alter wird auf ein Alter zwischen 21.000 und 16.500 v. Chr. geschätzt. Noch einmal so weit in der Höhle befindet sich das große Panel, auf dem fast die gesamten Malereien der Höhle vereinigt sind. Etwa 50 Figuren und Symbole sind es. Sehr ungewöhnlich ist der elephas antiquus, manche sagen einfach "Mammut". So eine Zeichnung gibt nur Rätsel auf. Woher kannten die Maler dieses Tier? Angeblich war es zu der Zeit der Entstehung der Malereien schon ausgestorben. Haben die das auch schon "kopiert"?
Warum es die paläontolithische Höhlenkunst gibt, darauf gibt es bis heute keine schlüssige Antwort. Auch die vielen sich "wissenschaftlich" nennenden Versuche einer Klärung haben doch im Grunde nichts zu Tage gefördert, was wirklich überzeugend ist. Von Jagdmagie war da die Rede und es wurde von den Interpreten daran geglaubt (das läßt sich noch rührend in dem Buch von Eppel nachlesen), dann u.a. auch eine "Strukturalistische Erklärung", die Welt war zweigeteilt, in Gute und Böse, in Oben und Unten usw.. Im Falle der Höhlen bedeutete das, daß man nach Zuordnungen von Männlich/Bison - Weiblich/Pferd usw. suchte. So viel man auch hin- und her verglich zwischen den vielen Höhlen, irgendwann wurde deutlich, das führt zu nichts. Dann kam die "Schamanenthese", was auch immer damit wirklich bezeichnet werden soll. Lewis-Williams mit seinem Buch "The Mind in the Cave" greift sie ja auch auf, bemüht die Neurobiologie, unterscheidet verschiedene Bewußtseinszustände, bringt die Unterschiede zwischen den Neandertalern und den Cro Magnon-Menschen ins Spiel - aber was bleibt am Ende? Das Rätsel besteht weiter. Und ein paar Menschen leben weiter davon, Daten zu sammeln.
Literatur:
Eppel, Franz | Stationen der ältesten Kunst - Im Land der Steinzeithöhlen, Wien München 1963 |
Leroi-Gourhan, André | Prähistorische Kunst - Die Ursprünge der Kunst in Europa, Herder-Verlag, Freiburg 1982 5. Auflage |
Breuil, Abbé H. | Quatre Cents Siècles d'Art Pariétal, Editions Max Fourny, Paris 1985 |
Alcalde del Rio, Breuil H., Sierra L. | Les cavernes de la region Cantabrique. Imp. A. Chene, Monaco 1911 |
Lewis-Williams, David | The Mind in the Cave, Thames & Hudson, London 2009 |
Links:
Principado de Asturias - Yacimientos
Asturien, Landschaft und Höhlen
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