Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Landschaft und Höhlen an der Ostküste von Mallorca


Auf meine Frage, wo es denn in Mallorca die meisten Höhlen geben würde, bekam ich von Angel Gines, einem der führenden mallorquinischen Höhlenforscher, eine überraschende Antwort: "Bei der Cala Varques". Auf den meisten normalen Landkarten ist die nicht einmal eingezeichnet. Und selbst wenn man selber dorthin findet, was gar nicht so leicht ist, weil kein Wegweiser hinleitet und man sich schon ein bißchen auskennen muß, um den Weg auszumachen, dann könnte man leicht enttäuscht sein. Alles, was man im Grunde mitbekommt ist ein ziemlich naturbelassenes Stück Felsküste, maximal 20 m hoch an einer Seite und ansonsten eine große, mal kahle, mal leicht bewachsene Ebene. Das "eben" bezieht sich aber nur auf die Großstruktur, denn im Kleinen, da ist der Fels schier unglaublich perforiert. Unendlich viele kleine Löcher sind in den Fels gefressen und machen die Fortbewegung schon recht mühsam. Ein schmaler Pfad, erkennbar an den braunen Verfärbungen, schlängelt sich hindurch und erleichtert so die Orientierung. In den Steilabbrüchen sind viele Brandungshöhlen oder auch Mischungen mit richtigen Karsthöhlen und es sind einzelne kleinere Höhlenöffnungen auch an Land da. Die führen aber alle nicht weiter. Schon bald steht man da an Seen und Siphonen. Das wahre unterirdische Reich hier ist den Tauchern vorbehalten, die in den letzten Jahren gewaltige Systeme hier gefunden haben.

Für denjenigen, der nur mal eine Höhle besuchen will, ohne gleich mit Tauchermaske und Atemgerät anrücken zu wollen, der kann in Richtung Cala Estany spazieren und wird dort auf die spektakuläre Cova de Pont stoßen. Ein großes Felsdach ist inzwischen eingebrochen und man kann rundherum nun wandern und durch die offenen Naturbrücken hinaus aufs blaue Meer schauen. Geht man noch weiter, dann ist in der Cala Falco schon von weitem auf Meeresniveau der Eingang zur Cova Falco zu sehen. Sie ist leicht zu erreichen. Drinnen kommt erst einmal ein großer Müllhaufen und dann weitet sich der Raum zur Halle. Nach links sinkt die Höhle bis zu einem See ab, der für Vollbadwillige auch nach weiter hinten begangen werden kann. Folgt man der Küstenlinie noch weiter, dann kann man in den überhängenden Felsen unterhalb immer wieder vom Menschen mit Steinmauern versehene Ställe und Unterständen ausmachen.


Wenn man noch weiter Richtung Norden der dramatischen Felsküste folgenden würde, dann käme man nach Porto Christo. Dort liegt ja direkt am Meer der Speläotouristenmagnet Nr. 1, die Cova del Drac. Sie schreiben allen Besuchern "natürlich" vor, daß man keine Fotos drinnen machen darf. Darum seht Ihr hier auch keine. Geht selber rein, oder auch nicht. Spart lieber das Geld, geht gut essen. Schlecht beleuchtet (vielleicht wegen der "Lampenflora", vielleicht auch wegen so etwas "Häßlichem" wie der "shareholder's value", die den Geschmack negativ beeinflußt oder ungute Dinge auslöst, die man nicht mehr kontrollieren kann....), aber man ist halt gut "beschallt".
Immerhin wurde sie schon 1880 von dem deutschen Entomologen Friedrich WIll erstmals vermessen und von ihm ein Plan gezeichnet. Edouard Martel bezeichnete ihn etwas später immerhin als "suffisament correct".

Vor- und Rückseite der Eintrittskarte sprechen Bände
Die Eingänge
 

Gar nicht so weit entfernt, etwas ins Landesinnere Richtung Manacor wirbt die Cova del Hams um Besucher. Die muß einfach unter dem gleichen Management sein, weil sie ganz ähnlich verwaltet ist. Riesige Reklametafeln machen auf sie aufmerksam. Ein gigantischer Parkplatz ist da, und die gleichen Verbote wie in der Cova del Drac. Auch das Preis-/Leistungsverhältnis ist außer Rand und Band (aber das gilt auch für die anderen Schauhöhlen auf Mallorca, die ich schon kennengelernt habe. 9 € für einen Eintritt / zur gleichen Zeit hat in Deutschland die Teufelshöhle in der Fränkischen Schweiz 3.50 € für einen Eintritt verlangt! Ein Unverschämtheit ist das im Grunde!) Was man dann zu sehen bekommt, hinter einer dicken Tresortür verschlossen, ist unteres Mittelmaß. Kleine Räume, kleine Tropfsteine, aufgepeppt durch farbige Beleuchtung, am tiefsten Punkt der Höhlensee - auf ihm kam dann erwartungsgemäß ein Kahn daher, Musik hob an, ein Geiger und ein Keyboardspieler gaben populäre Melodien zum besten, ein Kahnlenker steuerte gewissermaßen Charons Nachen durch die freigelassenen Stellen im Fels. Irgendwann kommt der "Höhepunkt", die Kammer, die der Höhle den Namen gegeben hat. Ein niedriger Raum voller wildgewachsener Excentriques, ungewohnt sicherlich für die Schauhöhlenbesucher, die dauernd in "Käfighaltung" durch die Höhle geschleust werden. Der Mensch ist das größte Raubtief dieses Planeten und das bekommt man für viel Geld die ganze Zeit über bewiesen, weil man beständig in einem Gitterkäfig durch die Höhle geleitet wird. Endlich kommt der Ausgang in einer großen Steilwanddoline. Dort habe ich wirklich was Besonderes gesehen. Einen unglaublichen Baum. Der drängt sich aus der Felswand, hatte das Höhlendach unbarmherzig über sich und war dadurch die ersten Jahrzehnte seines Lebens andauernd in seiner "natürlichen" Entwicklung vollkommen gestört. Nach oben ging nichts, da war der Fels. Aber irgendwann war der Fels zu Ende, dann konnte er nach "oben" wachsen und tut das auch. Ein Wunder des Lebens!

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Folgt man der Ostküste weiter Richtung Norden, dann kam man auch zur Schauhöhle von Arta kommen, die ein ganz anderes Management hat. Das ist gleich spürbar, weil viel weniger verboten ist. Die Preis bewegen sich, weil wohl ortsüblich, im gleichen unmöglich möglichst hohen Niveau. Von ihr gibt es hier eine eigene Webseite.

Die Ostkarstküste Mallorcas reicht auch nach Süden. Traumhafte Abschnitte gibt es dort, besonders wenn keine Touristen dort sind, wenn die kleinen Buchten und Fischerhäfen so sind, wie sie halt gerade sind. Die Cala Figuera mal zu erleben an einem Novembertag mit himmelsbedecktem Wetter und fast deutschakzeptfreier Tonkulisse, ein Genuß, der eigentlich unbezahlbar ist.

Auch Höhlen gibt es dort oder auch Reste davon. Is Pontas zum Beispiel bei Santanyi, aber auch eine früher mal für Bewässerungszwecke genutzte Höhle südlich der Cala S'Almonia. Sie ist ohne gute Hinweise kaum zu finden. Mitten in der Botanik sind da unvermittelt zwei Einbrüche. Der eine ist meinem Eisengitter "gesichert", in den anderen kann man über ausgetretene Felsstufen hinuntersteigen. Ein Gitter war aufgebrochen (Nov 2004), ein niedriger Gang, dann höher werdend, auf einmal ein Sichaufmachen. Eine große Felshalle tat sich vor uns auf. Von oben drang Tageslicht herein, wir sahen, wo wir minutenvorher gestanden hatten - auf einer dünnen Felsplatte, die über einem Abgrund hängt. Wie lange hält die noch? Ausgetretene Pfade zeichneten sich auf dem Höhlenboden ab, die in einzelne Abschnitte der Riesenhalle führten. Ein ziemlich rutschiger Abstieg, der immer wieder das Potential für eine "Kleine Katastrophe" in sich barg, weil man nie wirklich sicher sein konnte, daß man nicht tatsächlich ausrutschte und "hinuntersegelte", führte zum tiefsten Punkt der Höhle, einem Höhlensee. Hier stank es ziemlich nach Dieselöl, das wohl durch den Schacht, der vom Menschen geschaffen wurde, um an das kostbare Wasser der Höhle für Bewässerungszwecke oben, zu kommen, geschaffen worden war. Dieses Projekt ist inzwischen längst schon wieder aufgegeben worden. Die alten Anlagen verkommen, der Beton bröckelt, die Maschinen rosten, was da mal gewesen ist, wird längst wieder vergessen.

 

Literatur:

Ginés, Angel & Joaquin CARACTERISTICAS ESPELEOLOGICAS DEL KARST DE MALLORCA; ENDINS n°13, 1987, S. 3ff.
Oedl, Friedrich sen. Höhlen und Höhlenerschließung auf Mallorca (Balearen) Höhlenfahrten auf den Balearen, Die Höhle
Ginés, Ángel EL CONOCIMIENTO ESPELEO-TOPOGRÁFICO DE LAS CAVIDADES BALEARES; ENDINS, n° 19, 1993, S. 55ff
Gracia, Francesc, Clamor, Bernat, Lavergne, Joan Josep Les Coves de Cala Varques, ENDINS n° 23, 2000, S. 41ff.

Links:


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