Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Höhlen um Zugarramurdi, Navarra, Spanien


Im Westen der Pyrenäen, dort wo sie beim Golf von Biskaya enden und in das Kantabrische Gebirge übergehen, dort sieht die Landschaft wieder sehr ähnlich zur unsrigen in Oberbayern aus. Vor allem fällt das starke Grün auf, das durch die vielen Regenfälle kommt, die hier niedergehen.

Dort liegt im nördlichsten Teil Navarras das kleine weit bekannte Dorf Zugarramurdi. Berühmt ist es durch ein Ereignis geworden, das nun schon 400 Jahre zurückliegt. 1610, am 7. November wurden 4 Frauen und 2 Männer vor 30.000 Schaulustigen bei lebendigem Leibe auf einem Scheiterhaufen verbrannt. 5 weitere Menschen waren ihren Folterungen im Gefängnis von Logrono schon vorher erlegen.

Das Geschehen von damals bewegt noch heute die Menschen. Und man muß nur einen Blick auf ein paar YouTube-Filme im Internet werfen, dann sieht man was an diesem Ort und auch in der 120 m langen Höhle manchmal los ist. Wenn man nicht dort gewesen ist oder wenigstens ihre mediale Aufarbeitung gesehen hat, der kann das wohl nicht glauben. Es war wohl 1982, daß einige junge Frauen aus dem Dorf, ein paar Männer sollen auch mitgeholfen haben, anfingen, jeweils am 18. August, dem letzten Tag des Patronatsfestes (Johannes der Täufer), ein traditionalles "Zikiro jale" abzuhalten. Das ist ein Festessen, an dem 800 Personen (in einem anderen Bericht heißt es 6.000) teilnehmen. Baskischer Folkrock, gespielt live in der Höhle, auf dem Grill liegt Schaffleisch, Fackellichter. Frauen verkleiden sich als Hexen, die Körper in "wallende Stoffe gehüllt, die Gesichter unter Masken und Spitzhüten verborgen. Getanzt wird bis man umfällt. Zwischendrinn soll dann mal das Licht ausgehen und die Leute rufen laut: "Akelarre, Akelarre!". Das soll ein altes Zauberwort sein, das die Mächte des Jenseits beschwöre. Das Wort stammt aus dem Baskischen und bezeichnet die Versammlung der Hexen und des großen Ziegenbocks. Damit soll wiederbelebt werden, was über Jahrhunderte hinweg bei vielen verdrängt, weggeschoben, verboten war.

Gemeint ist das, was ziemlich unscharf, aber angesichts der wissenschaftlich nicht gegebenen Faßbarkeit des Phänomens, bei uns "Hexenkult" heißt. Einen guten Beitrag dazu, mehr darüber zu erfahren, liefert das 2007 eröffnete "Musée des Sorcières" nur 200 m vom Eingang in die Höhlen entfernt. Auf 3 Etagen wird einem das Thema, museumsdidaktisch sehr gut nahe gebracht. In Parterre ist ein Filmsaal, in dem man über die Gegend und die besonderen Ereignisse in einem Film vieles mitbekommt, sofern man französisch, spanisch oder baskisch kann. Ansonsten kann man sich halt von der Bildern verzaubern lassen.

Im ersten Stock wird die historische Situation aus der Sicht der Kirche gezeigt, sieht man die Akteure auf Bildern, werden Folterwerkzeuge gezeigt und auch die Schreibstuben mit den vielen Büchern, wo die Wissensbeamten ihre Vorstellungen herbezogen. Der damalige Ankläger, ein Don Juan del Valle Alvarado, ein Vertreter der Inquisition, ritt 1610 nach Zugarramundi und blieb dort mehrere Monate. Er sammelte Hinweise aus der Bevölkerung und bezichtigte am Ende 300 Erwachsene und etliche Kinder der Hexerei. Alles mögliche wurde den Leuten in die Schuhe geschoben, Pferde seien auf unverklärliche Weise in den Bergen abgestürzt, Saat sei zugrundegegangen, ein Kind sei plötzlich gestorben. Bei Südwind seien sie unterwegs gewesen, um giftes Pulver auszustreuen, das sie aus zerschnittenen Kröten und zerteilten Kinderherzen gemischt hätten usw.. Den Gipfel der Unheimlichkeit bildete wohl die Vorstellung des "Hexensabbaths". Die Hexen seien durch die Luft zu ihren schwarzen Messen geflogen, der Teufel sei dort in Gestalt eines Bocks auf einem vergoldeten Stuhl gesessen und sein Penis, so Verfasser des "Taböeai de ö'inconstance des mauvais anges et démons", Pierre de Lancre, sei wie ein Fisch mit Schuppen besetzt. Dazu paßt die "Aussage" der 26jährigen Iannette von Abadia aus dem Dorf Siboro, was sie erlebt hätte: Sie sei vom Teufel am lichten Tag aus ihrem Hause weggeführt worden, als sie noch schlief. Sie haben sich auf dem Sabbath "offtermal mit dem Teufel gekoppelt, der saamen des Teufels sey kalt" und sie habe "sich hundert mahl mit andere Männer auff den Sabbath vermischt". Soll das die "Wahrheit" gewesen sein? Die Aussagen kamen oft unter unglaublichen Prozeduren zustande. So unterzog man Verdächtige einer brutalen Körperinspektion, bei der der ganze Körper Zentimeter für Zentimeter nach Nadelstichen, die Zeichen dafür sein sollten, daß der Teufel in ihnen stecken würde, abgesucht wurde. Floss an einer Stelle auch dem Nachstechen kein Blut, sah man das als Beweis an und der "Schuldige" landete auf dem Scheiterhaufen. Nach der großen Auto de Fe (auch Autodafe geschrieben) mit der Menschenverbrennung kehrte keineswegs Ruhe in dem Gebiet ein, sondern es breitete sich große Unruhe in der ganzen Region aus. Die Menschen bekamen Panik, begannen in der Kirchen zu schlafen, um jeglichem Verdacht auf Kontakt mit "Hexen" auszuweichen, Lynchjustiz wurde praktiziert, wenn irgend jemand unter Verdacht kam - die Inquistion mußte zurückkommen und schickte in Gestalt von Alonso de Salazar, einen Mann der die aller Kontrolle entgleitende Situation schließlich wieder beruhigen konnte. Allein 1.800 Kinder beschuldigten sich selbst, sie seien Hexen, und 3.000 Menschen wurden von ihren Nachbarn und Mitmenschen "verraten". In vierjähriger Arbeit bearbeitete er 11.000 Schriftstücke und an Ende wurde 5.000 Menschen vergeben.

Im zweiten Stock wird die "Hexerei" aus einer ganz anderen Perspektive gesehen: Hexenkunst als Ausdruck von Weisheit, von Kenntnis der Natur und Verbindung mit den Glaubenssystemen, den Ritualen und den Tradionen unserer Ahnen. Bezogen auf das Baskenland hieß das, man mußte zum Überleben in Übereinstimmung mit den natürlichen Rhythmen leben, also den Mondzyklen, dem Wetter, den Jahreszeiten. Die Hauptgöttin in der baskischen Mythologie ist Mari, die die Verkörperung der Natur darstellte und gesehen wurde als Führerin von 4 Königreichen. Sie soll sogar in Höhlen gelebt haben und besonders freundlich oder auch fürchterlich gegenüber Menschen gewesen sein. Sie hatte auch mehrere Helfer wie Basajaun, der Gott der Wälder, Tartalo, der Kyklops ähnelt, Herensuge, dem Drachen und lamiak, einer Art Nymphe, die in der Nähe der Bäche lebte. Dies und noch viel mehr erfährt man in dieser Abteilung und bekommt damit wichtige Hintergrundinformationen, die einen das, was man ja ohnehin sieht, noch in einem besseren Licht sehen läßt.

Die Höhle liegt 400 m westlich von Zugarramurrdi an der Straße nach Saré neben der Berroskoberro- oder Akelarrewiese. In diesem Grasland plötzlich so eine großräumige Höhle zu sehen, das ist schon überraschend. Der Infernuko erreka, der Höllenbach, hat sich tief ins Gestein eingefressen und einen großräumigen Tunnel mit bis zu 15 m und 20 m Breite geschaffen. An den Seiten noch Seitengänge zu besichtigen, die auch alle gut ausgeleuchtet sind und sogar einige Durchschlupferlebnisse ermöglichen. Der Sinterschmuck ist natürlich längst vollkommen zerschlagen wegen des hohen Besucheraufkommens. Das macht es unnötig, einen Führer mitzuschicken, der dann darauf schauen müßte, daß nichts berührt wird, daß die Leute auf den Wegen bleiben oder daß einer vielleicht ein Foto macht. An verschiedenen Stellen sind Informationstafeln angebracht, wo man mehr über die Höhle erfahren kann, sofern man der verwendeten Sprachen mächtig ist, baskisch, französisch, spanisch. Deutsche und Engländer scheinen nicht so viele zu kommen. Da gibts dann was zur Vegetation, dem Schmuggel, der Höhlenentstehung und den Sabbathen. Im großen Eingangsraum steht noch ein alter Kalkofen, mehrere Podeste sind vorhanden und zwei Belvédère gibt in der Höhle gibts auch noch.

Goya soll die Höhle schon gemalt haben und von Picasso ist überliefert, daß er sie mal besucht hat.

Prädikat: empfehlenswert.

Cuevas de Urdax
  Gedenkstein an prähistorische Kunst in einer
kleinen Höhle in der Nähe
   
Ponorhöhle beim Höhlenrestaurant
von Urdax
   
In der Schauhöhle von Urdax
 
     

Folgt man der Straße von Zugarramurdi Richtung Biarritz dann zweigt kurz nach dem Ort nach rechts eine Straße Richtung Urdazubi-Urdax ab. Schaut man sich das Wiesengelände links und rechts des Wegs genauer an, dann fallen die schüsselförmigen Vertiefungen auf, die Dolinen. In ihnen verschwinden immer wieder Bäche, die dann kurze Zeit später wieder auftauchen. Das ist das Gebiet den Höhlen von Alberdi, in der man prähistorische Ritzungen gefunden hat, und der grotte de Berroberia, die auch schon in der Magdaleniènzeit nachweislich aufgesucht worden ist. Kurz vor dem kleinen Hotel mit Restaurant von Ikaburua sieht man links der Straße in einer Wiese, die heute als Pferdekoppel genutzt wird, einen Bach, dem Urtxuma, der unter einer breiten niederen Felsöffnung verschwindet. Dies ist der Originaleingang in die Cuevas de Urdax oder auch Cuevas de Ikaburu. Funde von Silexwerkzeugen zeigen, daß auch sie schon seit mindestens 14.000 Jahren dem Menschen bekannt ist. Eine zweite Entdeckung erfolgte 1808 durch den Ortspfarrer. Als Versteck diente die Höhle während des Spanischen Unabhängigkeitskrieges und auch in anderen kriegerischen Zeiten.

Eine kleine Legende gibt es über die Höhle auch. In ihr würden die Laminas leben, nixenartige Fabelwesen, halb Fisch, halb Frau. Gesehen haben wir keine, das mal was Besonderes gewesen. Alles andere hatten wir auch schon vorher mal in anderen Höhlen schon gesehen, Stalaktiten, Stalagmiten und den ganzen anderen unterirdischen Formenschatz. Um den Besuch etwas abwechslungsreicher zu gestalten, haben sich die Betreiber der Schauhöhle, die Gemeinde, schon einiges einfallen lassen, setzen Musik und farbige Lichter ein und präsentieren auch noch eine Diashow, doch so richtig aufregend war in der Höhle eigentlich nichts. Immerhin haben sie Verständnis für die Fotographen und haben nur das Photographieren mit Blitzlicht verboten. So kann man mit Digitaltechnik immer noch ganz ordentlich was aufnehmen, z.b. einen lila angestrahlten Felsen, der wie eine Art subterranes Minimatterhorn aussieht.

 

Umgebung
 
  Abendstimmung
 
 
 
 
 
 
 
 

 

Literatur:

 

 

Videos aus YouTube:

http://www.youtube.com/watch?v=1CyyWQDOmdw

http://www.youtube.com/watch?v=5FMq1TBMHkY&feature=related

http://www.youtube.com/watch?v=AVmrJYCNKY4&feature=related

http://www.youtube.com/watch?v=avv3RLe047Y&feature=related

Links:


[ Index ] [ Englisch version ] [ Höhlen und Höhlengebiete ] [ Kunst ]
[ HöRePsy ] [ Höhlenschutz ] [ VHM ] [ Veranstaltungen ] [ Links ]