Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Höhlen bei Archidona, Provinz Napo. Ecuador
Der Eingang zu einer bekanntesten Höhlen Ecuadors - der Jumandyhöhle 2014
Archidona wurde 1560 gegründet als Missionsstation, als die Spanier begannen Teile des Landes unter ihre Herrschaft zu bringen. Ganz soll das nie gelungen zu sein, denn etliche Indianerstämme, die zurückgezogen in dem von Bergen und Schluchten überwucherten Urwald lebten, wurden wohl nie erreicht. Die Entwicklung, wie sie das nahe Tena erlebt hat, hat sich hier nie vollkommen. Beschaulich geht es noch heute zu.
Im Untergrund ist viel Kalkstein aus der Kreidezeit vorhanden.
Das ist der Grund dafür, daß es hier jede Menge Höhlen gibt. Die am besten
erschlossene sind die direkt an der Hauptstraße Archidona - Baeza liegenden 1,9
km langen Cuevas de Jumandi. Von ihnen wird erzählt, daß sich Jumandy zeitweise
in die Höhle mit einem Schatz geflüchtet habe im Jahre 1578, ehe er dann einen
Angriff gegen die Spanier anführte, gefangen genommen und später hingerichtet
wurde.
Will man die Höhlen besuchen, so wird einem das Tragen von Badebekleidung
empfohlen und die Mitnahme eigener Lampen. 2 Dollar muß man für den Besuch
bezahlen.
In der Umgebung gibt es noch eine Menge weiterer Höhlen, das hier die geologischen Gegebenheiten gegeben sind - ein Band aus Kalkstein aus der Kreidezeit zieht sich von Nord nach Süd. Eine davon haben wir im März 2014 aufgesucht: die nur sehr schwer zu findenden Cueva de Mariposa Négra, also die Höhle des Schwarzen Schmetterlings. Sie wurde schon in den 80er Jahren von einer französischen Gruppe erforscht und vermessen. Allerdings sind die Daten nicht mehr dem Stand der Zeit entsprechend und es steht wohl eine Neuerfassung an.
Wir wurden von Michel, einen Franzosen, der in der Gegend lebt
und sich auch sehr für die Höhlen interessiert, in ein kleines "Nest" gebracht,
Dorf wäre da schon zu viel gesagt. Ortsschild gibt es auch keines, so daß die
Angabe eines Namens nicht möglich ist. Es bleibt nur das Durchfragen, sofern man
dazu in der Lage ist, selbst mit Englisch geht da praktisch nichts. Und dann muß
man hoffen, daß die richtigen Leute da sind. Wir unternahmen einen ersten
Versuch, zogen mit 3 Einheimischen los, die uns von der Fahrstraße aus in das
kultivierte Gelände führten, das einstmals Urwald war und heute nur noch von ein
paar einzelstehenden Palmen und wenig Grünzeug am Boden geprägt wird. Geplant
war, in eine höher gelegene Höhlenöffnung einzusteigen und bei einem weiteren
Eingang in "Dorfnähe" wieder herauszukommen. Mehrere Stunden waren dafür
eingerechnet. Anfangs ging es zügig voran, wir querten auch ein
trockengefallenes Bachbett mit einem reinrassigen Karrenboden, und liefen am
Ende in einem Kakaobaumgelände herum. Sobald man in den richtigen Dschungel
kommt, ist es vorbei mit der Gemütlichkeit. Entweder man kennt den Weg oder man
hat keine Chance. Keiner unserer Führer hatte eine wirkliche Ahnung. Sie suchten
und suchten und am Ende war alles vergebens. Wir stampften zurück zur
Hauptstraße, unser Kleinbus kam und holte uns erschöpft wieder ab.
Auch hier zeigt sich ein Problem moderner Höhlenforschung: Was sind die ganzen
ermittelten Daten eigentlich wert, wenn man z.B. andere nicht in Lage versetzen
kann, sie wieder nachzuprüfen, sprich in diesem Falle, die Höhle überhaupt
wieder zu finden? Da wurde ein richtiger Schritt in die Zukunft getan, seitdem
es das GPS-System gibt. Aber seither haben wir damit neue Sorgen. Was passiert
mit solch sensiblen Daten? Darf man sie einfach veröffentlichen? Dann kann ja
jeder, der so ein Gerät besitzt, eine bestimmte Höhle erreichen. Manche will man
lieber nicht dort haben, z.B. die, die Höhlen nur als Orte sehen, wo man sich
persönlich bereichern kann, z.B. in dem man die Tropfsteine abschlägt und sie
auf einem Markt verhökert.
Wir kamen am nächsten Tag wieder und versuchten es erneut. Schließlich ist der
"Schwarze Schmetterling" eine Höhle mit immerhin 1.592 m vermessener Länge bei
einem Gesamthöhenunterschied von - 35 m. Die Leute aus dem Dorf waren diesmal
schon vorbereitet. Das Oberhaupt des Gebiets war da. Früher hießen diese
Menschen Kaziken, die "Anführer", "Häuptlinge". Er erzählte uns erst
einmal viel über das Gebiet und seine Gebräuche. Ohne solche Erzählungen hätte
man keine Ahnung davon, was hier als schon los war und ist. Für uns war am
wichtigsten, daß man nichts dagegen habe, daß wir die Höhle besuchen würden. Nur
eine Bedingung mußten wir erfüllen: Ehe wir in die Höhle gingen, müßten wir uns
das Einverständnis der "Geister" dadurch sichern, daß sich jeder die Hände und
das Gesicht mit dem Wasser der Höhle reinigen sollte. (Später erfuhren wir, daß
der Kazike am Tag vorher schon ein Ritual vollzogen hätte, das uns
sicherstellte, daß wir alle sicher die Höhle betreten könnten, auch die, die
dieses Eingangsritual nicht durchführten, weil sie es z.B. vergessen hatten).
Die Indianer des Gebiets öffnen sich allmählich immer mehr für die modernen
Kulturen. Wir erfuhren, daß immer wieder westliche Wissenschaftler von
renommierten Universitäten kämen, die von dem alten Heilwissen der Ureinwohner
lernen wollten. Dazu paßte natürlich, daß der Kazike gerade aus Quito
zurückgekommen war, wo er Tage vorher, gerade sein erstes Buch über indianische
Heilkunst vorgestellt hatte.
Irgendwann ging es tatsächlich los, wobei wir von 3
Einheimischen geführt wurden. Einen typischen Schlammpfad ging es erst einmal zu
einer kleinen, von nirgends außen sichtbaren Ansiedlung. Pfahlbauten standen da
um eine grüne Wiese. Wir bekamen einen heißen Tee vorgesetzt, der aus den
Blättern des Baumes gekocht war, der keine 30 m von uns in den Himmel ragte.
Dann wurde es ernst. Pfadspuren durchzogen den Dschungel und wir konnten uns
einfach nur auf den örtlichen Orientierungssinn unserer Führer verlassen.
Tatsächlich, sie fanden den Eingang zu einer großen Wasserhöhle. Massiv schoß
das Wasser aus dem Eingang. Unsere englischen Höhlenforscherkameraden kennen so
etwas bestens, die waren nicht abgeschreckt. Aber der Rest? Es hieß, 10 Minuten
von hier gäbe es einen zweiten Eingang, von da gäbe es nur noch große Gänge mit
ein wenig Wasser am Boden. Der Eingang wurde dann gesucht, ich glaube, es
vergingen mindestens 2 Stunden, und der Eingang war immer noch nicht da. Eine
richtige harte Dschungeltour wurde das. Wo der Weg weg war, da galt es, sich
flach auf den Boden zu legen und unter den harten Zweigen der Büsche auf der
braunen, weich-feuchten Erde sich zu bewegen. Das war ein Schlufkurs unter
freiem Himmel. Der Boden war perforiert von Löchern, auf die man von all den
sich mütterlich um einen sorgenden Voreinemgeher dauernd gewarnt wurde. Wir
mußte alle unsere Augen schon selber offen halten, um durchzukommen! Als ob wir
Blinde wären, die ein schwarzes Loch nicht selber von seinem grünen Rand
unterscheiden könnten!
Irgendwann landeten wir auf einer Kakaoplantage, wo der unbekannte Steig auch
noch mit roten Pfeilen ausgestattet war. Was sollten die bedeuten? Führten die
zum Loch oder davon weg? Unsere Führer schienen sich selber nicht ganz klar
darüber zu sein. Krisenstimmung. 3 Stunden schon im Urwald herumgestapft und
nicht viel erreicht - außer, daß wir irgendwo auf dieser Erde standen, das Ziel,
die Höhle, nicht gefunden hatten, und langsam nicht mehr wußten, wie wir da
wieder herauskommen sollten.
Dann passierte das "Wunder". Es hieß, der Höhleneingang sei nur noch wenige
Meter entfernt. Tatsächlich, ein Steinloch im Boden. Wir rutschten hinunter,
standen in einem Bachlauf, der nach unten weiterführte. Wir waren einen Schritt
weiter.
Es folgten hunderte von Metern klassischer Höhlenstrecken in einer Wasserhöhle.
Technisch war keine Schwierigkeit vorhanden. Kleine Stufen, bauchtiefe
Wasserbecken, Bückstellen, unterwegs Highlights für Geologen und Biologen und
für die Photographen. Dann kam auf einmal Tageslicht von oben - ein Ausgang.
Sollten wir hier die Befahrung beenden? Theo, unser momentaner Overhead, war
nirgends zu sehen. War er hinausgegangen oder weiter dem unterirdischen Canyon
gefolgt? Jeder mußte für sich die Entscheidung treffen, wie es weitergehen
sollte/konnte. Da ich keine Schreckensschreie aus der Ferne vernahm, zwängte
auch ich mich durch eine kleine Felsengstelle oberhalb des Wasserspiegels, kam
durch und mußte dann einfach weiter. Da wieder rückwärts hindurch, das war auch
nicht aufheiternd.
Alle anderen waren nicht da. Entweder voran oder hinterher. So legte ich die
folgenden Hunderte von Höhlenmetern alleine zurück. Je weiter ich vordrang,
desto unangenehmer wurde die Situation. Was würde passieren, wenn es draußen ein
Gewitter gäbe. Keine unbekannte Situation in den Tropen. Wenn durch diese kleine
Gänge auf einmal ein großer Wasserschwall käme, es gäbe keinen Ausweg. Der Gang
war großartig. Von Wasserbecken zu Wasserbecken ging es, Feuersteinbänke, oft
tief durchlöchert, ragten in den Höhlengang hinein. Das Höhlenwasser floß
entweder auf dem Höhlenboden oder schon eine oder zwei Etagen darunter. Von
wegen großer Gang, den man aufrecht begehen konnte. Ich hatte mein Photozeug
dabei, offen in einem gelben Petzlsack steckend, jeden Moment konnte es
passieren, daß ich ausrutschte und wieder einmal 1.000 Euro den Ganges
hinuntergingen. Irgendwann tauchte tatsächlich das Tageslicht wieder auf, ein
Führer und Frank, ein Mitglied unserer Höhlenforschergruppe, saßen da und
warteten. Ich schloß mich dieser Wartegruppe an, denn nach uns kamen ja noch
einige. Ob sie überhaupt kommen würden? Sie kamen, tatsächlich. True cavers.
Ein erfolgreiches Ergebnis war noch nicht wirklich erreicht, weil es noch galt,
den Rückweg zurückzulegen.
Mitten im Dschungel, wo man keinerlei Orientierung hat, ist das schwierig bis
unmöglich. Ich erspare mir die Feinheiten, wir kamen tatsächlich auf der
Teerstraße an und standen dann im tropischen Regenschauer. Ein kleines Dacherl
aus Palmblättern schützte uns gegen wettergöttliche Gemeinheiten. Der Kleinbus,
gefüllt mit den restlichen Teilnehmern unserer Tour, fand uns und brachte uns am
Ende heil in das Quartier. Keiner ging verloren oder verletzte sich schwer
unterwegs. Kleine Ungereimtheiten gab es, aber die zählen am Ende nicht.
Am Ende sahen wir uns mit einer massiven Entlohnungsforderung unser Führer konfroniert. Hatten sie wirklich das geliefert, was wir gewollt hatten? Das stundenlange Herumgeirre im tropischen Urwald, wo von "10 Minuten" die Rede war? Am Ende lieferte jeder seine 10 Dollar ab und das "Geschäft" war beendet. Ist so ein Erlebnis wirklich mit Dollars abgeltbar? An einem Ort, wo doch die "Ortsgeistlichen" selber die Meinung vertreten, daß alles zusammenhängt? Die Natur auf der Erdoberfläche und die unter. Der Mensch außen und innen. Der Gedanke an "Gastfreundschaft" kommt da gar nicht mehr auf - a thing of the past. Selbst wenn man sich an die äußersten Außenränder begibt.
Literatur:
Balazs, D. | The Jumandi Caves of Ecuador, El Guacharo 1-1974, p 50ff. |
Brown, P., Hanson, P.D. | The Jumandi Cave of Ecuador, p 26ff. |
Gilbert, Alain | Equatoriales 83, Spéléolgie Dossiers 18, p 47ff |
Kuncic, Srecko | Slovenska Jamarska Odprava v Ekvador, Nase jame, 38, 1996, S. 198f. |
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