Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

 Das Höhlengebiet um Bellamar / Matanzas / Kuba


"Er begehrte von der Wildnis nichts als Raum, um zu atmen und weiter vorzudringen. Er hatte das Bedürfnis, zu leben und unter den größtmöglichen Gefahren, den höchsten Entbehrungen vorwärtszukommen." Joseph Conrad, Das Herz der Finsternis


Die Cuevas de Bellamar gehört zu den bekanntesten Schauhöhlen Kubas, ja sie wird als "Älteste Touristenattraktion Kubas" bezeichnet. 1861 wurde sie entdeckt und schnell für den Tourismus erschlossen. 1936 erschien bereits eine Briefmarke mit einem Motiv aus der Höhle (Ist es die früheste Höhlenbriefmarke der Welt?):

 Im Lonely Planet Führer über Kuba heißt es, daß man in eine gepflegte, gut beleuchtete Höhle käme, die es leicht mache, auch Kindern die eindrucksvolle Geologie nahe zubringen. Man würde einen 12 m hohen Stalagmiten sehen und einen unterirdischen Bachlauf. Die Höhlenwände würden von glitzernden Kristallen überzogen sein. Das war es dann auch schon wieder, was man da von der Höhle berichtet.
Mehr Raum nimmt da schon der Informationsteil rund um die Höhle ein: Man würde die Höhle durch ein kleines Museum betreten, es gäbe zwei Restaurants draußen und einen Spielplatz. Um dorthin zu kommen, müsse man der 16er, den 17er oder den 20er Bus ostwärts Richtung Canimar nehmen und dem Busfahrer klarmachen, daß man in der Nähe der Calle 226 das Gefährt wieder verlassen wolle. Von dort sei es dann eine 30minütige Wanderung hügelaufwärts. CUC$ 8 betrage der Eintritt, 5 weitere Rechnungseinheiten müßte man für das Fotographieren abdrücken. Auch hier kennt man also die Unsitte des Fotographenabzockens. Dies ist das Bild der Höhle für die Öffentlichkeit.

Die Kalkschichten des Plateaus, in dem sich die Bellamarhöhle und weitere große Systeme (Gato Jibaro, Santa Catalina) befinden, wurden im Miozän abgelagert. Maximal 52 m Höhe über dem Meer erreicht es. Der Kalk wurde gefaltet und es entstand eine große Verwerfungszone, die parallel der Küstenlinie einer 28° Nordrichtung folgt . Entlang dieser haben sich die Höhlensysteme entwickelt, die oft Röhrencharakter haben.

In den Höhlen ist es oft saunamäßig warm bis heiß. Zwischen 19 und 30 Grad schwankt die Temperatur je nach Jahreszeit. Deshalb besucht man die Höhlen oft nur in Jeans und im Hemd. Dazu kommt, daß wegen der Histoplasmosegefahr in einigen Höhlen auch noch ständig ein Mundschutz getragen werden muß. Histoplasmose wird durch einen Pilz verursacht, der meist im Guano der Fledermäuse vorkommt. Bekommt man ihn in die Lunge, dann führt das selten zum Tode, aber mehrwöchiges starkes Unwohlsein ist mindestens die Folge.

Eine wissenschaftliche These lautet, daß all die vielen großen und kleineren Höhlensysteme einmal zusammengehört haben und daß sie nur durch spätere geologische Veränderungen wie Einstürze und Zuschlemmungen voneinander abgetrennt wurden. Eine Hoffnung ist, daß man auf einem tieferen Niveau, das vielleicht auch schon unter dem Meeresspiegel liegt, in eine Zone kommt, noch immer befahrbare Verbindungen zwischen allen Höhlen zu entdecken, wenn vielleicht auch nur für Taucher zugänglich. Mit dem Ausdruck vom "Paläosystem Bellamar", formuliert von Estaban Grau und anderen, wollte man diese Sichtweise verdeutlichen. Gelänge es, das gesamte System zusammenzuhängen, dann wäre man in einer Größenordnung von 100 km Gesamtganglänge und mehr.

Verblüffend ist, daß unter der vollkommen ebenen Oberfläche teils nur wenige Zentimeter darunter schon große horizontale Ganglabyrinthe in mehreren Etagen liegen. Nicht nur die Länge ist eindrucksvoll. Vor allem bedeutsam ist der Höhleninhalt. Eine Kristallwelt, die keinen Vergleich auf der Erde scheuen muß, breitet sich darin aus. Deshalb ist es auch sehr wichtig, daß nicht nur die Höhle selbst geschützt wird, Befahrungsgenehmigungen gibt es sehr selten, meistens nur im Zusammenhang mit Forschungsprojekten, sondern auch die Oberfläche darüber.

Viele Jahre hindurch nutzte das Militär das Gelände, ein Teil davon wird noch immer von ihm verwaltet´, dann hatte man eine Geflügelfarm dort errichtet. Von ihr gibt es heute nur noch letzte traurige Reste in Form von abblätternden Betonsäulen und rostigen Eisenstangen. Jahrelang ist hier wohl nichts passiert. Jetzt versucht man einen umweltverträglichen Weg und läßt das Gelände über den Höhlen in Form einer Permakultur landwirtschaftlich nutzen. So finden über 20 Bauernfamilien eine Lebensgrundlage, in dem sie Gemüse anbauen und das Obst von den Bäumen nutzen. Freiwillige aus verschiedenen Ländern kommen hierher und helfen, das Gelände der Wildnis wieder abzuringen und es zu kultivieren.

Ein Teil des Projektes "Jardines Bellamar" ist es, ein einfaches Bildungszentrum dort zu errichten, wo Schulklassen untergebracht werden können, die dann dort zelten, einen Aufenthaltsort haben, Toiletten und Duschen finden und eine Küche zur Verfügung steht. Das Geld dafür kommt zum Teil aus den Einnahmen des Schauhöhlenbetriebs. Und je mehr der Tourismus dort zunimmt, desto mehr Förderung steht damit zur Verfügung. Die Attraktivität der Höhle ist nicht mehr hoch, nichtzuletzt weil vieles schon beschädigt oder gar zerstört worden ist. An den neuen Maßnahmen hat sich auch das Projecto Bellamar beteiligt, in dem es z.B. eine faszinierende 3-D-Diashow über die Höhlenwelt Kubas erstellt und der Schauhöhle zur Verfügung gestellt hat. Die Höhlenbesucher werden vorher im Schauhöhlengebäude in einen speziellen Raum geführt, bekommen die 3-D-Brillen und verlassen den Raum überwältigt von den Bildern. Es soll bereits einen meßbaren Anstieg der Besucherzahlen geben, weil sich herumgesprochen hat, daß es hier etwas gibt, was keine andere Schauhöhle zu bieten hat.
Ein weiteres Projekt ist die Errichtung eines Höhlenlaboratoriums in einem abseits gelegenen Höhlenteil, in dem dann den Besuchern die geologischen und biologischen Phänomene besonders gut gezeigt werden können.  Solche "Laboratorien" hat es schon in vielen anderen Ländern gegeben, in Postojna zum Beispiel. Das sind inzwischen nur noch historisch aufzeichnenswerte Phänomene, weil sich all die Hoffnungen, die sich daran geknüpft hatten, auf spannende Ergebnisse und Erlebnisse, in der Praxis nicht bestätigt haben.

Höhlen zu Erlebnisräumen zu machen, das ist ja längst schon versucht worden. Da hat man früher auch schon in der Bellamarhöhle Musikaufführungen und wohl auch Tanzveranstaltungen abgehalten. Heute strahlt der Raum nur noch neutrales Nichts  ab. Und an den Wänden und Tropfsteinen sind unzählige Inschriften heute noch zu sehen, wo genauso drauf steht, daß genau das verboten sei.

 Auf dem (Fuß)weg zur Bellamarhöhle  
Das Schauhöhlengebäude
Der heutige Höhleneingang
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Ein Blick auf das "Jardines Bellamar"-Projekt:

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ein Morgeneindruck
Caving cuban-style
Die botanische Begleitung eines mit Worten für mich nur vollkommen unzulänglich beschreibbaren Naturerlebnissen - ein neuer Tag beginnt
Ein Labyrinth auf den weichen Mergelkalkstein gezeichnet - ich habe nirgends einen Hinweis auf ein Labyrinth auf Kuba gefunden. Sollte das die erste Erscheinungsform dieser wunderbaren Lebensform in diesem Raum sein?
Frühstück in den "Jardines Bellamar"

- was da passiert ist, das wurde auch so beschrieben: "So erging es uns essensmäßig noch nie auf Kuba".

Die andere Seite der Frühstücksgruppe - der Zweiten Welle

In der näheren und weiteren Umgebung von Bellamar sind es ganze Reihe weiterer Höhlen inzwischen erforscht worden. 20 km östlich von Matanzas liegt nicht weit von der Straße nach Varadero eine schon seit Urzeiten bekannte, die Cueva Grande de Santa Catalina. Beleg dafür sich Zeichnungen in schwarzer Farbe an einigen Tropfsteinen, die noch von den Ureinwohnern stammen dürften. Es heißt, daß auch Alexander von Humboldt die Höhle besucht hätte, aber eine kurze Recherche von mir, ob das auch stimmt und und sich das schriftlich belegen läßt, hat das nicht bestätigt. Jedenfalls gibt es schon Ansätze, in Zukunft mehr Touristen dorthin zu führen. Alleine darf man da nicht hingehen, da es sich um ein Monumeno Nacional seit 1996 handelt.

Die Höhle ist ohne genaueste Hinweise praktisch nicht zu finden. Aus dem Landschaftsprofil kann man gar nichts schließen, denn es handelt sich einfach um vollkommen flaches Land, das allmählich wieder zuwildert. Irgendwo zweigt ein unbezeichneter einfacher Fahrweg von der Hauptstraße ab und führt mitten hinein in das fast undurchdringliche Strauchwerk auf dem karstigen Felsboden. Irgendwo muß man dann das Fahrzeug stehen lassen und zu Fuß weitergehen. Ein ganz kleine Erhebung geht es hinan, und schon kommen überall im Erdboden Öffnungen zum Vorschein. Die Höhle erstreckt über viele Kilometer, die Angaben schwanken erheblich - von 11 km bei ECU-RED bis zu 30 und mehr Kilometern in Erzählungen von Höhlenforschern. Leider gibt es bislang keine kompetente wissenschaftliche Veröffentlichung über die Höhle.

Der Besuch der Höhle gestaltet sich denkbar einfach. Nicht einmal einen Meter unter der Erdoberfläche hängt die Höhlendecke über einem. Auf einem ausgetretenden Parcours geht es immer leicht aufwärts und abwärts. An einigen Stellen erleichtern auch schon Leitern und Stiegen den Weg. Die große Besonderheit der Höhle sind die pilzförmigen Gebilde, die in den Räumen stehen. Die große wissenschaftliche Frage ist, wie solche Gebilde entstehen können und schlüssige wissenschaftliche Antworten sind noch nicht gefunden. Es gibt jetzt ein Forschungsvorhaben der ETH in Zürich. Mal sehen, was dabei herauskommt.


Die Malspuren der Ureinwohner an der Höhlenwand
Ein Stock wilder Bienen
Ein Versteinerung - am Weg gefunden
Ein ungewöhnlicher Deckentropfstein

In diesen großen Karstgebiet werden immer wieder neue Entdeckungen gemacht. 2011 wurde von Italienern in einer Steilwanddoline ein wenig gegraben und man fand an beiden gegenüberliegenden Seiten bedeutende Fortsetzungen. Sie haben ihr einen entsprechenden Namen gegeben, um ihre Verbindung damit zu dokumentieren: Garibaldi und die Teile heißen uno und due. Je mehr dort geforscht wird, desto deutlicher wird, daß es gerade hier viele Aspekte gibt, die es einem verleiden können, in die Höhle zu gehen.

Gleich bei der Abkletterstelle zum Schachtboden haben wilder Bienen ihr Nest und man sollte sich schnellstens aus deren Bereich wieder entfernen, um sie nicht zu reizen. Der Kontakt mit ihnen kann richtig gefährlich werden.

Wenige Meter danach legt man schon die Atemschutzmasken an und sollte sie besser im restlichen System tragen, um wenigstens einen moralischen Schutz vor der Histoplasmose zu haben, deren Vorkommen hier recht wahrscheinlich ist. Es handelt sich um einen Pilz, der, wenn er in die Lunge kommt, große Beschwerden hervorrufen kann. Er kommt gerne an Stellen in den Höhlen vor, in denen Fledermäuse an der Decke hängen und die die Ursache für den Guano auf dem Boden sind, dem Nährboden für den Pilz. Tatsächlich ist bei einigen Teilnehmern der 1. Gruppe der Expedition die Krankheit ausgebrochen. Ein relativ sicherer Schutz soll sein, mindestens immer 1 m über dem Boden der Höhle zu bleiben. Aber die gibt halt durch ihre Form die Grenzen vor und wenn die einzige Fortsetzung, wie es hier der Fall ist, nur in Bodennähe über mehrere Meter durch den Fels geht, dann bleibt einem keine Wahl. Die Maske führt auch dazu, daß man sich besonders im Gesichtsbereich sehr aufheizt, was dann bei Brillenträgern dazu führt, daß man wegen des Dampfs auf den Gläsern bald kaum mehr was sieht.

Nächster wichtiger Aspekt ist große Hitze in der Höhle, die je weiter man vordringt auch noch zunimmt. Genau gemessen wurde die Temperatur von uns nicht, aber sie ging dann schon bis auf geschätzte 30 Grad hoch. Ein Dauersaunaklima ist das, was dazu führt, daß man am liebsten ganz wenig Kleidung nur noch am Körper hätte. Die Hitze macht durstig und entsprechend viel Flüssigkeit ist mitzunehmen. Ein Weg, mit diesem Umstand einigermaßen zurecht zu kommen, ist, die Zeit in der Höhle zu begrenzen. Der ersten Gruppen beschränkten sich auf maximal 4 Stunden in der Höhle, spätere Gruppe trieben den Aufenthaltswert einiges nach oben, zumal halt auch die Zugänge zu den Forschungszonen immer länger wurden.

Ein besonderes Kapitel sind die Tiere. Von den Bienen war schon die Rede und von den Fledermäusen. Die dienen anderen Lebewesen wiederum als Nahrung - Boas zum Beispiel. Beim zweiten Besuch der dritten Gruppe wurde ein meterlangen Exemplar gesichtet, das noch einige Auswölbungen an ihrem Körper hatte, die von ihren verschluckten Opfern stammten. Beim Übergang in die Eingangsdoline wurde eine lange schwarze Schlange gesichtet, die man keinen Art zuordnen konnte - eine richtige Schlangengrube ist das offenbar - und ich habe mich da im Eingangsbereich stundenlang aufgehalten. Bei der Schlüsselstelle in das System dahinter hatte ich verweigert, angestachelt von Bemerkungen anderen, die vor mir dort waren und auch etwas beleibter sind. Die jungen fitten Höhlendynamiker hatten keine Probleme, aber es gibt halt auch noch gereiftere Exemplare des homo speleo. Dafür habe ich mich dann ausführlich dem Tropfsteinschmuck in der Eingangszone gewidmet.

 
 

 


Literatur:

Núnez, Jimenez A. Cuevas y carsos. Ed. Cientififico-Tecnica, Ciudad de La Habana 1984
Panos, Vladimir A Contribution to Geomorphol of the Canas-Anticline (Province of Matanzas, Cuba), Acta Universitatis Palackianae Olomi Facultaas Rerum Naturalium - Tom  38 / 1971, S. 125 ff.
Slagmolen, Christiane und André Cuba - dessins rupestres et karst tropical, REGARDS 3-1988, S. 3ff.
Vina, Nicasio Cuevas de Cuba, Santiago de Cuba, Editorial Oriente, 1980
Vento Canosa, Dr. Ercilio Le système karstique de Bellamar, Matanzas, SPELUNCA 22-1986, S. 17ff.

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