Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Die Tunnels von Cu Chi, Vietnam


"There is no winner in a war." Dieser Satz unseres vietnamesischen Führers hat sich eingebrannt in mein Gedächtnis. Wir waren gerade mit einer Touristenführung unterwegs in Cu Chi, einem Ort, dessen Bedeutung heute noch kaum abschätzbar ist für die Zukunft auf unsrem kleingewordenen Planeten. Dort spielten sich während des "American War", bei uns meist "Vietnamkrieg" genannt, der zwischen 1955 und 1975 heute datiert wird, wohl Dinge ab, die man sich kaum vorzustellen vermag und die doch so gewesen sind.

Heute sind die Cu Chi-Tunnel ein gefragtes Touristenziel, das manche Anbieter, z.B. Vietnam Adventure Tours, gleich zweimal am Tag von Saigon aus anbieten, morgens von 8 Uhr bis 14.30 vormittags, von 12.45 bis 19 Uhr nachmittags. Man wird vom Hotel abgeholt mit kleinen Bussen und auch wieder zurückgebracht. Außerdem macht man noch Halt bei einer Werkstatt für Behinderte, wo man handgefertigte Lackarbeiten erwerben kann.

Es ist heute kaum mehr vorstellbar, was sich dort vor nicht einmal 50 Jahren wohl abgespielt hat. Die Region war eine "Free Target Zone", anfangs noch ein Dschungel, später ein von tiefen Kratern durchzogener Landstrich, verwüstet von großen Bomben, verbrannt vom Napalm.. 

Bereits in den späten 1940er Jahren während des Unabhängigkeitskriegs gegen die Franzosen hatten die Aufständischen Tunnels unter den bewaldeten Regionen gebaut, deren Bau dann von den Vietcong perfektioniert wurde. Die raffinierten Bautechniken werden den Besuchern auch gezeigt, wenn sie eine der beiden Zonen, die zu Erinnerungsstätten an den Krieg von der vietnamesischen Regierung erklärt worden sind, Ben Dinh und Ben Duoc, besuchen. Man hat einige der Tunnel rekonstruiert, teilweise erweitert und beleuchtet, so daß die Besucher, sofern sie sich das zumuten wollen, selber einmal hinabsteigen können in die doch ziemlich unheimliche Welt der künstlichen Tunnels, deren Gesamtlänge auf über 200 km geschätzt wird. Meist waren die Eingänge dazu raffiniert verborgen, sehr schmal und mit Deckeln versehen auf denen Laub lag, so daß sie fast unsichtbar waren. 

Die Gänge bildeten ein unterirdisches System, wo es ganze Untergrunddörfer gab, die Wohnräume, Küchen, Werkstätten, Hospitäler und Bunker hatten. Sogar ein Theater und einen Musiksaal hat es einmal gegeben, um für Unterhaltung während der langen Aufenthalte in dieser tristen Umgebung zu sorgen. Luft, Wasser und Nahrung waren oft knapp, man mußte sich mit Ameisen, giftigen Tausendfüßlern, Schlangen, Skorpionen und unangenehmen Kleingetier herumschlagen. Meistens verbrachte man den Tag in der Dunkelheit der Gänge, nachts kam man heraus, um seine Felder zu bestellen, sich irgendwo Nahrung "zu besorgen" oder einen  Angriff gegen den Feind zu starten. Die Leute waren fast alle krank, besonders viele litten an Malaria, die die zweigrößte Todesursache nach Kriegsverletzungen bildete. Alle hatten Parasiten in ihren Verdauungstrakten. Und dann kam auch noch die Gefahr durch die Bombardierungen dazu oder daß man aufgespürt wurde in einer der Großaktionen, wo 8.000 bzw. 30.000 Soldaten nach ihnen fahndeten. Man schenkte sich nichts. Wurde eine Tunnelöffnung aufgespürt, wurde Gas hineingesprüht, Wasser zum Überfluten verwendet oder gar heißer Teer hineingegossen. 

Beim Besuch des Geländes, das man schon durch einen langen Tunnel betritt, bekommt man einen umfassenden Überblick. Da gibt es die schmalen Eingangslöcher zu sehen, die tödlichen Menschenfallen im Wald, einen verrosteten Panzer und einige abgetakelte Kampfbomber, man bekommt ein Stück der Hauptnahrung der unfreiwilligen Untergrundbewohner angeboten, ein Stück Maniokwurzel, kann je nach Gusto länger oder kürzer durch einen "Probetunnel" im Untergrund herumkriechen und, wer es ganz "realistisch" haben will, auch mal selber mit einem AK-47-Gewehr schießen und sowohl körperlich als auch akustisch miterleben, was es heißt, wenn nicht Frieden sondern Krieg herrscht.

Ein Artikel von Karl Schwarzfischer aus dem Jahre 1968, ein Zusammenfassung des Buches von John Penycate und Tom Mangold, gibt einen guten Einblick in viele Details dieses Ganglabyrinths, vor allem unter dem Blickwinkel, was man für die Interpretetion der "Erdställe" daraus lernen könnte. Höchst lesenswert!

Ein als Ameisenhügel betarntes Luftloch
Darstellung des Aufenthalts in einem dieser Tunnel

im Kunstmuseum in Saigon

 


Literatur:

Lindenmayr, Franz (2024): Die Tunnel von Cu Chi in Vietnam, Der Erdstall 50 (2024), S. 137-141
Penycate & Mangold (1980): Les tunnels de Cu Chi, Albin Michel, Paris
Pfeifer, David (2025): Die langen Schatten des Sieges, SZ Nr. 99, 30.04/010.05.2025, S. 2
Ray, Nick, Dragicevich, Peter, St. Louis, Regis (2007): Vietnam, lonely planet, Ostfildern, 1. Ausgabe, 2007
Triolet, Jerôme, Triolet, Laurent (2022): Quand l'armee americaine forme ses soldats aux combats souterrains: tunnel destruction, Subterranea n°193, p 145-150
Schwarzfischer, Karl (1988): Die Tunnels von CU CHI, DER ERDSTALL, Heft 14, Roding 1988
Xudong (1965): Tunnel Warfare, Collection Red Movies - The Classic Chinese WAr Movies

Links:

https://vietnamadventuretour.com.vn/tours/private-cu-chi-tunnels-tour-half-day/

https://www.history.com/topics/vietnam-war/cu-chi-tunnels

https://www.roughguides.com/vietnam/ho-chi-minh-city-and-around/the-cu-chi-tunnels/

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