Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Valkenburg, NL
- beim Weihnachtsmann daheim
Zu Gast beim Weihnachtsmann! Valkenburg, eine kleine Stadt im Süden der Niederlande, verkauft sich heute richtig als "Weihnachtsstadt". Ein Marketinggag. Natürlich. Aber wirksam. Die Leute kommen in Strömen. Gerade im Dezember. Seit 20 Jahren. Ausprobiert habe ich das selber einmal Anfang Dezember 2005, zusammen mit Jasmin Thesen.
Rundherum winterliche Ruhe. Auf einmal Busse, Leute, Gedränge, rote Zipfelmützen zuhauf. Seltsam. Und doch erklärbar. In Valkenburg gibt es eine große Burg und der Baustoff dazu kam aus dem Innern der Erde. Er wurde in unterirdischen Steinbrüchen gewonnen, die es heute noch gibt. Die künstlich entstandenen Hohlräume sind heute Touristenattraktion - und der Höhepunkt des Jahres sind die Tage im Advent. Die Leute stehen richtig an, wenn es soweit ist.
Vor dem Eingang zur "Gemeentegrot" gibt es sogar eine Krippe mit lebensgroßen Figuren. Steht man in der Warteschlange, dann scheppert hinter einem lautstärkst eine Drehorgel irgendwelche Melodien, angereichert vom Brummen der Reisebusse und dem Scheppern der Motorräder, ziehen die Düfte von Bratwurstständen an einem vorüber. Langsam schiebt sich die Warteschlange in den Berg. An der Wänden sieht der Besucher kindergroße goldene Engel mit Trompeten zuhauf, Lichtergirlanden vor den Schrämmspuren der Sandsteinwände, menschengroße Weihnachtsmänner aus Plastik halten ihre Weihnachtsglocken zum Schlag bereit. Der Zugang zu den "besonderen" Räumen im Innern des Weihnachtsparadieses will erwartet werden. Schließlich ist man am Drehkreuz mit dem Kartenabreißer angekommen, der nimmt das Papierschnitzel an sich, das ja vorher schon ein paar Euro überhaupt gekostet hat - und dann ist der Weg frei. In der "Traumlandschaft" des unterirdischen Steinbruchs gibts alles, fast alles, was es draußen auch gibt. Alle Arten von Kopfbedeckungen für den zünftigen Besucher dieses Events. Bloße rot-weiße Mützen für 2 , Sombrerohütte für 5 , Spiralspringfederkonstruktionen für 3 - es ist wie ein unterirdisches weihnachtliches Oktoberfest. Es gibt, fast, alles: Kerzen, CDs, BHs (rot und schwarz), Nudelsiebe, Sparschäler, Wärmepumpen, lustige Emailschilder, Socken, Käse, Würste...... Die Nischen, die nicht an Händler verkauft werden konnten, sind mit Weichnachtsmännern und Rentieren gefüllt. Kleine Springbrunnen sollen Atmosphäre verbreiten, Nadelbaumteile zum Palmen verknotet, liefern "Stimmung".
Der Höhepunkt ist an einem Gangknick erreicht. Von irgendwo lugen einen Stoffeisbären an, ein Krippenszene ist in einer nach oben führenden Seitengang unübersehbar hineinfabriziert worden. Umspült ist das dann vom Keeboardspieler, der auf einem Balkon sitzt und flotte Rhythmen, die nun überhaupt nichts mehr mit Weihnachten zu tun haben, von sich gibt, thronend über den Gästen an den Tischen, die das irgendein Getränk zu sich nehmen.
Das Ganze ist so schräg, daß es schon wieder gut ist. Ein unterirdische Kaufhalle, die den "Zauber des Unterirdischen" nützen will, um ihre ganz alltäglichen Produkte zu wohl "himmlischen" Preisen wieder loszuwerden.
Ich mußte an Sokrates denken, der schon vor mehr als 2000 Jahren von sich gegeben haben soll, daß ihm beim Gang über den Marktplatz klar geworden ist, was alles er nicht brauche. Das ist heute nicht anders.
Ein paar Meter weiter bergauf von der Gemeentegrot wird auch noch das spirituelle Bedürfnis vieler Menschen befriedigt. Wozu noch nach Lourdes in den Pyrenäen fahre? Wir bieten euch Relisüchtigen doch eine "perfekte" Kopie dieses Ortes hier bei uns! Und da ist sie dann auch, die Kopie in was weiß ich für einem Material, Gips? Wunder zu "Vorzugsbedingungen", kommerzverknüpft.
Literatur:
Lübke, Anton | Geheimnisse des Unterirdischen, Kurt Schroeder Bonn, 1953 |
Links:
http://www.valkenburgkerstmarkt.nl/du/index.php
http://www.kerststadvalkenburg.nl/asp/touroperators.asp?activeitem=touroperators&language=dui
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