Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Der Erdstall von Kühried


"Überraschung unter Tage: Zwei Schlupfe, zwei Gänge bei Kühried, Gemeinde Teunz, wurde ein Erdstall entdeckt / "Loch" in der Wiese - Attraktion beim Sonntagsspaziergang"

Von Monika Löffelmann / veröffentlicht in der Mittelbayerischen Zeitung

KÜHRIED. Ein vermeintlicher Dachsbau entpuppte sich als Erdstall. Am Donnerstag hatte ein Landwirt beim Odelausfahren auf einer Wiese nahe Kühried ein Loch im Boden entdeckt. Fachkundige des Arbeitskreises Erdstallforschung identifizierten die Erdhöhle am Sonntag nun als Schratzelloch. Weitere Erdställe in der Umgebung sind aus Oberviechtach, Nabburg, Schwarzach sowie dem Landkreis Cham bekannt. Besitzer und Gemeinde wollen das jahrhundertealte Bodendenkmal nun sichern und zugänglich erhalten. Bei der Entdeckung des Erdstalles in Kühried lief alles so, wie es sich Erdstallforscher, Heimatkundler oder Denkmalschützer nur wünschen können. Erst entdeckt ein Bauer beim Odelausfahren ein Loch in der Wiese, hinter dem er zunächst einen Dachbau vermutete, er sah nach, entdeckte eine Öffnung und an deren Ende ein regelmäßig geformtes weiteres Loch nach unten: eindeutig kein Dachsbau. Der Landwirt informierte den Wiesenbesitzer Hans Thanner, beide wandten sich angesichts der geheimnisvollen Höhle an die beiden Hobbyarchäologen des Ortes, die auch Ausgrabungen am Wildstein im Auftrag des Denkmalamtes ausführen: Bernhard Klier und Herbert Schaller. Beide erkannten das Besondere des Fundes, konnten es aber auch nicht identifizieren und holten beim Kreisheimatpfleger Ernst Thomann Rat. Der hatte dann den richtigen Verdacht und benachrichtigte Regine Glatthaar, Vorsitzende des Arbeitskreises für Erdstallforschung. Am Sonntag bereits rückte sie mit einer Helfercrew teils aus dem Raum München, aus Regensburg, Roding und Schwandorf an, um die Höhle zu begutachten und gegebenenfalls zu vermessen und zu dokumentieren. Schnell war klar, dass es sich hier um einen echten Erdstall handelte. Während Mitglieder des Arbeitskreises fotographierten, vermaßen und Erde, die beim Versturz in den Erdstall gefallen war, ausräumten, verfolgten viele Interessierte aus dem Dorf das Geschehen. Einige Mutige, darunter auch Kinder, waren selbst in die Höhle durch den Schlupf gekrochen, um zu sehen, wie so ein Schratzelloch aussieht. Als erste überhaupt war Maria, die Tochter von Berhard Thanner durch das enge Loch geschlüpft, das senkrecht nach unten in einen weiteren Quergang mit Trockenmauer und kleiner Schlusskammer führt. Die Hoffnung der Erdstallforscher vor Ort erfüllte sich am späten Sonntag nachmittag. Als Erdreich bei Seite geräumt war, kam ein weiterer Schlupf nach unten zum Vorschein. Er führte zu einem Gang, der jedoch nach einigen Metern erneut verstürzt war. Vor Ort wurde von den Erdstallkennern vermutet, dass es sich um den ursprünglichen Einstiegsgang handeln könnte. Am späteren Sonntagnachmittag besuchte auch der Bürgermeister der Gemeinde den Fundort und ließ es sich nicht nehmen, den Erdstall kriechend in Augenschein zu nehmen. Er zeigte sich sehr beeindruckt und sicherte spontan die Unterstützung der Gemeinde bei Sicherungsarbeiten zu. Auch sehe er mit großem Interesse der Datierung eines gefundenen Holzkohlenstückchens entgegen. Hiervon könne man sich Hinweise auf die Zeit der letzten Nutzung des Kührieder Erdstalls erhoffen. Die Vorsitzende des Arbeitskreises Erdstallforschung hatte sich bei allen Beteiligten für ihr vorbildliches Vorgehen bedankt. Jeder habe dazu beigetragen, dass man nun in einer Gegend, in der viele Überlieferungen auf das Vorhandensein von Erdställen hindeuten, endlichen einen entdeckt habe. Zudem handele es sich hier um ein schönes Exemplar. Besonders interessant sei der begonnene und nicht fertiggestellte Schlupf direkt unter dem Einsturzloch. Der Untergrund, recht harter Granit-Grus sei hier den Erdstallerbauern vermutlich zu undurchdringlich geworden, so dass sie an dem Schlupf nicht weitergearbeitet hatten. Sie hoffte, dass das Beispiel dieses Erdstalles dazu beitragen könne, dass auch andere entdeckte Löcher im Boden nicht ungeprüft verschüttet würden, wie es allzu oft geschehe. In diesem Zusammenhang bedankte sie sich besonders beim Besitzer Hans Thanner für sein Interesse und Verständis. Die Erdstallfroscher freuen sich besonders, wenn dieses Schraztelloch im nördlichen Landkreis Schwandorf erhalten und für Interessierte zugänglich bleiben könne."


In der Woche vom 19. Mai bis Anfang Juni 2002 wurde nun dieser Erdstall wissenschaftlich und mit dem "Segen" des Kreisheimatpflegers ausgegraben. Einige Mitglieder des Erdstallarbeitskreises, Interessierte aus dem Ort und der Archäologe Herbert Schaller, Mitarbeiter beim Denkmalamt, widmeten sich dieser Aufgabe. Erstmals konnte der Bauschacht eines Erdstalls vollständig ausräumt werden und auf seinem Grunde eine paar Stückchen Holzkohle geborgen werden. Dieser Fund ist besonders wertvoll, weil er ziemlich objektive Ergebnisse für die Datierung des Erdstalles erwarten läßt. Im Aushubmaterial wurden einige wichtige Funde gemacht, z.B. fand man ein mittelalterliches Messer, 2 Hufeisen, viel Keramik und einen richtigen Schlüssel. Neben dem Bauschacht wurde auch am anderen Teil des Erdstalls in die Tiefe gegraben, um zu erkunden, ob er sich dort noch fortsetzt und ob dort der eigentliche Eingang in den Erdstall einmal gewesen ist. Es wurden Spuren früherer Besiedlung dort entdeckt, vielleicht war da mal ein Keller, ein Haus dazu? Dazu müßte noch viel mehr ausgegraben werden, was aber nicht Ziel der Erdstallforscher war. Der Zugang zum Erdstall ist heute durch einen Betondeckel gesichert, die übrigen Gruben wurden wieder aufgefüllt und alles wieder, so gut es geht, in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. In dieser Zeit machte auch ich mal einen kleinen Ausflug dorthin und besuchte die Örtlichkeit. Dabei entstanden die folgenden Bilder:

 


Auf der 2002er Tagung des Arbeitskreises für Erdstallforschung in Roding standen sowohl ein Vortrag über den Erdstall von Kühried von Peter Forster und Harald Schaller auf dem Programm als auch eine Exkursion dorthin. Inzwischen ist die Ausgrabung beendet, der "Bauhilfsschacht" wieder aufgefüllt und ein zweiter Zugang zum Erdstall mit einem Betondeckel versehen, so daß heute ein schönes Durchgang möglich ist. Nach der Tagung wurde das Gelände wieder aufgefüllt und jetzt wächst im wahrsten Sinne des Wortes wieder Gras dort. Nur noch für außergewöhnliche Gelegenheiten wird man eigens den Erdstall wieder ausgraben und damit wieder gegehen können. Eine Stellung unter Denkmalschutz ist beabsichtigt. Die Datierung der Holzkohle aus dem Schacht sowie einem zweiten Stück, das offen am Boden lag, ist nun gelungen. Die Zeitperiode ist das Mittelalter, was mit dem Ergebnis der Analyse der Keramik- und Eisenfundstücke korrespondiert. Wer mehr darüber erfahren will, der sollte Monikas Bericht vom 2002er Treffen des Arbeitskreises für Erdstallforschung lesen. Dort gibt es die "Details". Eine archäologische Fachpublikation ist in Vorbereitung.


Ein Besuch des Erdstallgeländes im Juli 2010: Nichts ist mehr zu sehen - oberirdisch

 

 

 


Literatur:

Beilner, Thomas, Schaller, Harald, Forster, Peter Der Erdstall Höcherlmühle, Gemeinde Teunz, Landkreis Schwandorf, in: DER ERDSTALL 30, Roding 2004, S. 5ff.
Schaller, Harald Der Erdstall "Höcherlmühle" und das imaginäre Haus darüber, in: DER ERDSTALL 42 2016, S. 83ff.

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