Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Unterirdische Gänge im Burgberg von Julbach


"Julbach" - einen Hinweis auf diesen kleinen Ort an der Strecke München - Passau findet sich an der Straße zwischen Neuötting und Simbach a. Inn. Linkerhand gibt es eine Geländestufe am Rand des Inntals und genau dort liegt auch der 

Die Ortschaft Julbach ist erstmals 1078 urkundlich erwähnt worden, die Anfänge der Burganlage auf dem Schloßberg werden auf des 12. Jahrhundert datiert. Davon ist heute nur noch wenig übrig. 1504 war so ein Schicksalsjahr. Der wurde die Burg im niederbayerischen Erbfolgekrieg zerstört und ab da lieferte sie hauptsächlich Baumaterial für die Menschen der Umgebung. Um 1930 begannen Bemühungen, die Burganlage zu erforschen und zu rekonstruieren. Dabei öffnete man wieder einmal die unterirdischen Gänge unter der Burg, die längst schon bekannt waren, vielfach beschrieben wurden, und immer wieder zufielen. 2002 wurden sie wieder angeschnitten, was die Gelegenheit bot, eine Neuvermessung und Dokumentation der ganzen Anlage durch den Arbeitskreis für Erdstallforschung zu vermöglichen. Der Eingangsbereich wurde in vorbildlicherweise mit Mauern gesichert und eine Tür angebracht. Zwei Informationstafeln, eine direkt beim Objekt, eine im Ort beim Rathaus, liefern mit Text und Bild alles, was man darüber wissen kann. Den Schlüssel zur Anlage gibt es nach Anfrage im Rathaus.

Im Jahre 1858 soll der k. Forstwart Pezold "durch eine von ihm veranstaltete Nachgrabung nicht unbedeutende Gänge in dem Hügel, welcher ehemals das Schloss Julbach trug" (Hartmann 2) gefunden haben. Der spätere k. Hauptzollamtsverwalter in Memmingen, Jakob Gross, habe dann den Fund beschrieben.

Am Parkplatz beim Rathaus ließen wir das Auto zurück, holten rechtzeitig vor Schließung des Rathauses den Schlüssel beim Einwohnermeldeamt, wo meine Name registriert wurde und wo ich später am Briefkasten den Schlüssel wieder retournierte. Dann hieß es die 60 m steil hinaufsteigen, erst auf einer schmalen Teerstraße, dann auf dem Feldweg. Unterwegs gibt es sogar eine Sitzbank zur Erholung. Oben verzweigt sich der Weg. Wer keine Lust auf Umwege hat, der gehe nach rechts und kommt gleich beim nicht zu übersehenden Eingang in die unterirdische Anlage vorbei. Daß keiner herunterfällt, hat man auf drei Seiten den Platz gleich noch mit Zäunen abgesichert. Das Schloss geöffnet, dann kann bei beiden Eisenstangen auseinanderschieben, die das Tor zuhalten.  

Dahinter liegt der 2,4 m lange gemauerte Stollen, dann steht man im unterirdischen Gang. Er führt als ein 35 m langer (lt. Beilner, Forster), spitzgewölbter Hauptstollen von meist 60 cm Breite und ursprünglich 1,90 m Höhe ziemlich geradeaus in den Berg. Von ihm führen nach links 4 mehr oder weniger verzweigte Seitenstollen ab, nach rechts ist es einer und eine kleine Seitenkammer. Wie groß die Anlage ursprünglich war, das läßt sich nicht mit Bestimmtheit mehr sagen, weil sie immer wieder auch verändert worden ist. Auffallend sind auch die Lichtnischen, teilweise wohl ursprünglich, teilweise nachgearbeitet, die in den Wänden noch zu sehen sind.

Hat diese unterirdische Anlage je einen Zweck erfüllt? Wie alt ist sie? Wer hat sie erbaut? Das sind lauter Fragen, auf die bis heute keiner wirklich eine Antwort hat. In den frühen Texten ist immer nur von "Künstlichen Höhlen" die Rede, was ja recht umfassend ist und alles einschließt, was vom Menschen erbaut worden ist. Seit der Arbeit von Georg Hock 1934 wurde auf einmal der Ausdruck "Erdstall" populär und überall wurden nun nach "Erdställen" gefahndet, ein Ausdruck, der ja ursprünglich auf den niederösterreichischen Raum beschränkt war. Ins Heutige gewendet stellt sich nun die Frage, handelt es sich hier um einen Erdstall oder nicht? 

Beilner und Forster sind der Frage sehr gründlich nachgegangen und haben das Pro und Contra abgewogen. Die Struktur des Ganges, die scheinbare Sinnlosigkeit der Anlage der Gänge, die Lichtnischen - sehr starke Argumente dafür, aber das Fehlen eines Schlupfes, des Nagelprobensbeweises, dagegen. Keiner weiß es wirklich. Trotzdem - die Anlage ist einen Besuch wert und sie bleibt hoffentlich noch lange in dem Zustand, wie sie heute ist, allen erhalten. Gerade das Rätseln ist ja das Wertvolle, nicht das Finden der definitiven Antwort, die es vielleicht gar nicht gibt.

  Blick vom Rathaus in Julbach auf den Burgberg

Eingang in die Gänge

 

Literatur:

Beilner, Thomas Die unterirdischen Gänge von Julbach, Ldkr. Rottal-Inn, in: Der Erdstall 31-2005, S. 5-13
Gross, Jakob,  Die unterirdischen Gänge im Schloßberge Julbach, in: Verhandlungen des Historischen Vereins in Niederbayern Bd. 6 (1858) S. 28-32
Hartmann, Dr. August Unterirdische Gänge, Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns, 7. Bd., München 1887

Links:

http://www.burgfreundejulbach.de/Historie/Archaeologie/Gangsystem/

https://www.julbach.de/gemeinde-julbach/freizeit-und-sport/sehenswuerdigkeiten/

http://www.vhm-muenchen.de/index.php/2095-von-der-sagenwelt-bis-hin-zu-den-unterirdischen-gaengen-unter-dem-schlossberg-bei-julbach

https://www.inixmedia.de/fileadmin/Content/Referenzen/Julbach/Bu__rgerinfo_Julbach.pdf

https://sketchfab.com/3d-models/schlossberg-bei-julbach-erdstall-3d-6b39c9994a7643fcb0d31ef2be570186

Erdställe / Schrazellöcher / "künstliche Höhlen" / souterrains aménagés


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