Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

Calypso the cave nymph and her cave on Malta


Calypso's Cave, Gozo

Wer, wie ich und meine Kinder 1999, einmal die Republik Malta besucht, und dort sich alle Sehenswürdigkeiten anschaut, der wird auch auf die Calypsogrotte an der Ramlabay auf Gozo stoßen.
Kein Reiseführer läßt diese Exkursion aus. Im COLLINS Traveller "Malta and GOZO" heißt es etwa: "MARSALFORM .. Climb up the hill out of the town and follow the road to Calypso's Cave. This roadside site is easily missed but is the legendary place where Calypso (a nymph) kept Odysseus enchanted for seven years. On your own you can see very little but there may well be some enterprising 'guides' who will take you into the cave holding wax candles. As long as you're not clausstrophobic it's worth the effort. Your hosts will of course expect a tip. From here there is a marvellous view down onto Ramla Bay." p. 33

Vielleicht ist es besser für die Phantasie, das angebliche Liebesnest von Odysseus und der Nymphe, nicht dort zu besuchen. Denn es nimmt viel von dem Phantasiebild weg, das wir uns alle machen, wenn wir diese uralte Geschichte aus dem ersten Gesang von Homers Odyssee mit ihrem "mouthwatering character" lesen.

Da heißt es:

"Als er zur Insel gelangte, der ferne gelegnen,
Trat vom veilchenfarbenen Meer er über aufs Festland,
Ging und gelangte zur großen Grotte, in welcher die Nymphe
Wohnte, mit schönen Flechten, und traf sie gerade darinnen.
Feuer loderte auf dem Herd, und über die Insel
Zog weithin der Duft der Scheite von Zeder und Harzbaum,
die da brannten; sie sang im Hause mit lieblicher Stimme,
Hin und her am Webstuhl ging sie mit goldenem Schiffchen.
Draußen war grünender Wald rings um die Grotte gewachsen,
Erlenbäume und Pappeln und duftende, dunkle Zypressen.
In ihren Zweigen nisteten flügelbreitende Vögel,
Käuzchen sowohl als Falken und zungenreckende Krähen,
Wasservögel, die immer ihr Werk am Meere verrichteten.
Dort rankte sich um die gewölbte Grotte ein Weinstock,
jugendlich frisch, mit prangendem Laub und strotzend von Trauben.
Und vier Quellen sprudelten dort mit schimmerndem Wasser
Nebeneinander hervor und rannen dann hierhin und dorthin.
Ringsum blühten da üppige Wiesen mit Veilchen und Eppich.
Ja, das würde auch ein Unsterblicher, käm er des Weges,
Voller Staunen betrachten und Freude empfinden im Herzen..."

Wo liegt dieser zauberhafte Ort? Wo die Quellen sprudeln, der frische Weinstock sich rankt und die dunklen, duftenden Zypressen stehen. Alles das ist nicht am Rande der Ramlabay zu finden. Es ist alles in den Touristenrummel einbezogen, Parkplatz, Klophäuschen, Verkaufsstände, geteerter Zugangsweg. nur wenige Meter unterhalb haben sich 2 Malteser ihre Villen hingebaut und alles mit großen Mauern und Betretungsverbotsschildern versehen. Vom Aussichtspunkt kann man allenfalls nach unten auf eine Gipscalypso blicken. Die Höhle ist gerade so groß, daß man sich gerade umdrehen und aufrechtstehen kann. Hier hat sich wohl nicht diese schöne Geschichte abgespielt. Denn Platz für ein schönes Lotterbett ist da schon allemal nicht, da ja auch noch ein "Herd" und der "Webstuhl" irgendwo untergebracht werden muß. Es war wohl doch wo anders.

Abstieg zu Calypso's Cave, Malta, unten wartet bereits ein junger Einheimischer, der einem weiße Kerzen gegen ein bißchen Geld anbietet
Blick auf die Eingangsfelsen mit der Calypso Cave, links schweift der Blick über die Ramla Bay auf Gozo
Michael in der Calypsogrotte
   
Hier ließ sich der Gestalter der Fassade für ein Restaurant in Lagos / Portugal wohl von der Calpsogeschichte inspirieren

August 1987

Das "Setting" dieser Geschichte war schon immer Anregung für Künstler. Ein paar ihrer Gemälde finden wir heute auch schon im Internet.

Im Kunstmuseum Basel gibt es eine Version Arnold Böcklin aus dem Jahre 1882, das die ganze Tragik der Geschichte vollendet künstlich widergibt (Besprechung dieses Bildes in dem Ausstellungskatalog zum Böckling-Ausstellung, Edition Braus, Heidelberg 2001, Auszug: "Der Künstler visualisiert den Beziehungskonflikt zwischen Odysseus und Kalypso, indem er das stumme Heimweh des Helden mit der aufreizenden Sinnlichkeit der göttlichen Nymphe konfrontiert. Die seelische Spannung zwischen Mann und Frau im Augenblick der inneren Loslösung bildet das tragische Grundthema." H.H.).

Durs Grünbein hat ein Gedicht über "Kalypso" geschrieben und veröffenlticht: In ihm heißt es ua.:

..Sieben Jahre: Er wollte nur gehn.
Er hatte die Insel wie ihren Körper - zuendeentdeckt.
Es half ihr nichts, daß sie ihn pflegte, ihn in die Beinschere nahm,
Ihren Grottentaucher, zottelbärtigen Schwimmer, den Flottenbesten.."


1864 Preller der Ältere
Schackgallery, Munich
https://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/Y0GRl2YxRX

Literatur:

Brison, David N. Höhlen in der Odyssee, Stalaktite 56, 1, 2006, S. 18ff.
Grünbein, Durs Kalypso, veröffentlicht in Süddeutsche Zeitung Nr. 248, 24. Oktober 2008, S. 16

Links:

Johann Heinrich Tischbein d. Ä. (1722–1789), Das Gastmahl der Kalypso, 1756 - Museumslandschaft Hessen Kassel

Höhle-Religion-Psyche

 


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