Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle
Riesen und Höhlen
Eine ganz moderne Variation des Themas: durch
den Kopf des "Riesen" in die Kristallwelten André
Hellers in Wattens/Tirol
"Wenn du einen Riesen siehst, so frage dich zuerst, ob es sich nicht um den
Schatten eines Zwerges handelt."
Werner, Markus, Am Hang
Ein prima Thema für ein künftiges HÖREPSY....
und ein Motiv, das im neuesten HARRY POTTER-Roman vorkommt.
Hagrid bei den Riesen......
Sie schlafen und verstecken sich in den Höhlen. Man muß das
schon selber lesen.....möglichst in der englischen Version
Riesen, mythische Gestalten, haben reiche Bezüge zum
Höhlenthema. Eine kleine Übersicht von Örtlichkeiten:
- Von der Tischoferhöhle (1312/001) im Kaisertal in
Tirol heißt es, daß man im Jahre 1667 den Knochen eines
"Riesen" gefunden habe, der umgehend als
Merkwürdigkeit dem Landesfürsten geschickt worden sei
(Kuntscher)
- Das Bayerkönigloch (1311/017) in den Felsen der
Kleinen Halt (Kaisergebirge/Tirol) soll seinen Namen nach
dem Kufsteiner Sagensammler Anton Karg von einem Wache
haltenden Riesen bekommen haben, der "am Eingang zu
des Kaisers Hallen" diesen Dienst versah.
(Kuntscher)
- Auf der Schwäbischen Alb wird von der Heimensteinhöhle
eine Sage mit Riesenbezug erzählt. In ihr habe der Riese
Heim gewohnt, der eines Tages, um es den Menschen
gleichzutun, für sich auf der anderen Talseite das
Schloß Reußenstein erbauen ließ. Bei der endgültigen
Bauabnahme habe der Riese entdeckt, daß am obersten
Fensterladen ein "Kloben" fehlte. Heim wollte
nicht eher zahlen, bevor nicht dieser "Mangel"
behoben worden sei. Niemand traute sich's zuerst zu, dann
entschloß ein verzweifelt verliebter Schlossergeselle
die kühne Tat zu. Der Riese selbst half nun dem Mutigen,
überhäufte ihn am Ende noch mit wertvollen Geschenken,
wodurch er zum gemachten Mann geworden war und um seine
Geliebte freien konnte. (Binder)
Die Riesenburg im Aufseßtal in
der Fränkischen Schweiz hieß früher
"Gaiskirche", was darauf hindeutet, daß sie
früher sicherlich von diesen Tieren als Unterstand
benützt worden ist. Vermutlich fällt ihre Umbenennung
in die Zeit der Romantik, als man die bloßen
Naturerscheinungen und ihre profanen Nutzungen mehr
"vergeistigte". Heute kann die große
Höhlenruine auf einem sicheren Steiglein erklommen
werden. Man durchquert zuerst einen Einbruchskessel und
kommt dann in eine 18 m lange, steil ansteigende Höhle.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde diese Höhle von vielen
Persönlichkeiten und Künstlern aufgesucht und in
Zeichnungen und Stichen dargestellt. Eine zeitlang war
sie sogar als Schauhöhle geführt worden. Ein bißchen
von dieser alten Faszination kommt noch in der
Beschreibung von Josef Heller vor: "Die Riesenburg
gehört unter die schönsten Felsenparthien der dortigen
Gegend, und hat mit Recht den Namen Riesenburg erhalten.
Ihre Ansicht vom Thale aus ist eben so überraschend und
entzückend, als die Aussicht von dieser natürlichen
Burg in das Thal. Sie hat etwas Schauderhaftes. In ihr
Inneres gelangt man durch ein majestätisches Felsenthor.
Geht man noch einige Schritte abwärts, so kommt man in
das eigentlich große Felsenportal. Daselbst hat man zwei
Felsenthore vor sich, welchen Triumphbögen gleich, durch
die man in das Thal hinab sieht. Auf einem dieser Bögen
kann man zum andern hinüber gehen, und auf dieser
Felsenbrücke hat man wieder eine schöne Aussicht in das
Thal..."
- Die Ogre's Church bei Hudiksvall in Mittelschweden
ist eine typische schwedische Höhle, entstanden durch
tektonische und eiszeitliche Vorgänge. Sie trägt auch
den Namen Räuberhöhle, wurde von den Bewohnern der
Umgebung in Kriegszeiten als Versteck benutzt und vor
hundert Jahren versteckt man mal das Kirchensilber darin.
Aber sie hat eben auch den Namen
"Riesenkirche".
- Höhle der Riesen im Ungerköpfle, A
- Frauenhöhle im Stubenberg, A
- Entrische
Kirche im Gasteiner Tal, A
- Aus der Innsbrucker Gegend stammt die Sagen vom Riesen
Haimon. 4 Meter hoch steht er da, in der Kirchen von
Wilten mit seiner Drachenzunge in der Hand. Er soll sie
einem Drachen aus der Sillschlucht entnommen haben,
nachdem er ihn in ein Felsloch getrieben habe und dann
dort erschlagen.
-http://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/tirol/innsbruck/heimo_thuerse.htm
-http://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/tirol/innsbruck/drachen.htm
- Hünenpforte in Hohenlimburg/Westfalen, D.
"Die Hünenpforte ist ein riesiges Kalktor, das, der
Sage nach den Eingang zum
dahinterliegendem Schlossbezirk der Riesen darstellte.
Direkt hinter der
Hünenpforte findet sich eine kleine Höhle und etwas
weiter wurden bei
Ausgrabungen tatsächlich Reste einer Burganlage
gefunden." (Hinweis Jan Wagner)
- Im Südwesten Sardiniens gibt eine sehr große Höhle,
die Su
Mannau. Übersetzt heißt dieses Wort "Höhle
des Riesen". Die Eingangsregion war schon immer
bekannt und war wohl ein Quellheiligtum.
Eine kleine Einführung in Sagen und Geschichten, in denen
Riesen und Höhlen vorkommen:
- Auf seinen Irrfahrten erkundet Odysseus eine
unbekannte Insel, von der sie vermuten, weil sie dort an
verschiedenen Stellen Rauch aufsteigen sehen, daß sie
bewohnt ist. Es zeigen sich aber nirgends irgendwelche
Ortschaften, keine Felder, nur üppiges Weideland, klare
Bäche und Wald. Sie stoßen auf eine Höhle und treten
vorsichtig ein. Schafe gibt dort, Gefäße mit geronnener
Milch, Geräte zur Käsezubereitung und große
Käselaibe. Eines fällt ihnen gleich auf, deren
außergewöhliche Größe, der Schmutz am Boden und die
fehlende Glattheit der Wände. "So lebte kein Mensch
- es war gewiß die Höhle eines Riesen!" Während
die Begleiter von Odysseus schon mit dem Mitnehmen von
ein paar Käselaiben zufrieden gewesen wären, wollte
Odysseus mehr, "er wollte wissen, wer dieser riesige
Hirte war!" Der kam auch bald, der Eingang
"verdunkelte sich plötzlich", und, gefolgt von
einer Herde, die er tagsüber geweidet hatte, tappte ein
furchterregender Riese herein, zottig und wild, nur mit
Fellen bekleidet; ein einziges kreisrundes Auge glänzte
an seiner Stirn." Die Griechen flüchteten in den
hintersten Winkel der Höhle. Da der Riese einen
"riesigen Felsblock", den auch 20
Pferdegespanne nicht von der Stelle bewegen konnten, vor
den Eingang schob, waren sie nun gefangen. Es widmete
sich erst einmal seinen Tieren, ehe er die Griechen nach
Namen und deren Herkunft befragte. Odysseus entwortete
ihm ganz ehrlich und wollte sich und seine Begleiter
unter das Gastrecht stellen, worüber der nur
"höhnisch lachte". Die Kyklopen würden die
Götter nicht fürchten und zeigte den Griechen gleich,
was er von ihnen hielt. Je einen packte er mit einer Hand
und "zerschmetterete die Köpfe der Unglücklichen
an der Wand, riß ihnen die Glieder aus und begann, sie
roh hinunterzuschlingen, dazu trank er Milch aus einem
Bottich."
Odysseus wollte am liebsten gleich den Riesen für die
Untat erschlagen, aber dann wären sie nicht mehr in der
Lage gewesen, die Höhle zu verlassen, der Stein lag ja
vor dem Eingang. Am Morgen verließ der Kyklop die Höhle
mit der Herde und verschloß sie wieder sorgfältig. Am
Abend kam er wieder zurück, es vollzog sich das gleiche
Schauspiel, zwei Griechen wurden gefressen. Der
griechische Held griff nun zu einer List. Er schlug dem
Riesen vor, statt Milch zum Kannibalenmal zu trinken,
lieber den Wein von Ismaros zu probieren. Tatsächlich
ließ sich der Einäugige darauf ein, "leckte seine
Lippen und forderte noch mehr Wein." Es entwickelt
sich ein Gespräch, wobei die beiden ihre Namen
austauschen. Der Riese stellt sich als
"Polyphemos" vor, der Sohn des Meerbeherrschers
Poseidon, und Odysseus nennt sich "Niemand".
Als Gegengabe für den Wein, soll Odysseus als letzter
gefressen werden. Vom schweren Wein wird der Riese
betrunken und schläft ein. Auf diesen Moment hat der
Grieche gewartet. Ein großer Pfahl wird noch einmal ins
Feuer gesteckt und dann unter Mithilfe aller Gefährten
dem Riesen ins einzige Auge gestoßen. "Der Unhold
heulte auf und tobte fürchterlich durch die
Höhle." Das Geschrei alarmierte die anderen Riesen,
die gleich kamen und zu sehen was los war. Die Antwort
des Polyphems, daß "niemand ihn überfallen
hätte", und daß "niemand ihn ein Auge
ausgestoßen habe", ließ die anderen Kyklopen am
Verstand ihres Gefährten zweifeln und sie gingen wieder.
Am Morgen drängten die Schafe ins Freie und der nun
blinde Polyphem ließ sie hinaus. Er kontrollierte zwar
die Schafe, aber die hingen unterhalb der Leiber und
entkamen auf diese listige Weise.
- Als sie in sicherer Entfernung auf den Schiffen waren, da
konnte es sich Odysseus nicht mehr verkneifen und klärte
den Einäugigen auf, wer ihn geblendet hätte, er, Sohn
des Laertes, des Königs von Ithaka. Polyphem war dieses
Ereignis ja längst vorausgesagt worden, aber er hatte
jemand anderen erwartet, hatte gedacht, Odyssesseus sei
ein anderer Riese, ein noch stärkerer, kein
"schwacher Mensch". Im Zorn warf er ihnen einen
riesigen Felsblock nach, der aber sein Ziel verfehlte.
Zuletzt verfluchte er den Odysseus, daß er nie in seine
Heimat zurückkehren solle, und falls es ihm wirklich
gelinge, daß ihn dort in seinem Hause lauter Feinde
antreffen solle. (nacherzählt nach Schreiber)
Es gibt mehrere Höhlen in Griechenland, die mit dieser
alten Geschichte in Verbindung gebracht worden sind, und
die der Schauplatz des Geschehens gesehen wurden. Eine
davon ist die "Kyklopenhöhle
des Polyphem" bei Maronia im Norden des Landes.
Ausgrabungen haben ergeben, daß sie über Jahrtausende
als Wohn- und Kultplatz gedient hat. Im Zentrum des
Eingangsraums steht ein großer Stalagmit, dem man den
Namen "Verschlußstein des Polyphem" gegeben
hat, und nicht weit davon ist dann der "Raum der
Riesen". (Petrocheilou)
- Im Märchen vom Tapferen Schneiderlein
spielen Riesen eine entscheidende Rolle.
- In der wunderschönen Geschichte von Roald Dahl "Sophiechen
und der Riese", in der eben diese Gestalt,
die "nämlich viermal so groß wie der allergrößte
Mensch, den es gibt", ist der "GuRie" der
Protagonist. Er ist der "Gute Riese", ganz im
Gegensatz zu seinen "Mitriesen". Die sind der
"Fleischfetzenfresser", der
"Knochenknacker", der
"Menschenpresser", der "Kinderkauer",
der Mädchenmanscher" usw.. Man erfährt einige
Geheimnisse über die Riesenzunft darin.
- Riesen haben keine Mutter.
- Es heißt doch "der Riese". "Die
Riese" gibt es nicht.
- Riesinnen hat es noch nie gegeben und wird es auch nie
geben.
- Riesen sind immer Männer.
- Riesen werden nicht geboren.
- Riesen gehen auf. Sie gehen einfach auf, wie die Sonne
aufgeht oder die Sterne.
- Kohle beschreibt die Rolle der Riesen in den sauerländischen Höhlen
als Gestalten, die in den einzelnen Höhlen ihren Wohnsitz hätten und
ihren Braukessell an die Bevölkerung ausleihen würden. Kohle, Der
Sagerkreis um die sauerländischen Höhlen, in: Lotze, Prof. Dr. Franz,
Schriftleiter, Karst und Höhlen in Westfalen und im Bergischen Land,
Jahreshefte für Karst- und Höhlenkunde, 2. Heft 1961, S. 294
Es lohnt sich einfach, dieses Buch weiterzulesen.
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Ein moderner Riese: ein Kunstwerk auf der Biennale 2001 in
Venedig
"Was meint die Symbolik des Riesen?
Zunächst stellt er das übriggebliebene heidnische Element dar,
das unterdrückt worden war und sich daher in den Felsen
festgesetzt hatte. In der germanischen Mythologie sind Riesen
besonders durch ihre enorme Kraft und meist eine hervorstechende
Dummheit gekennzeichnet. Es gibt eine Anzahl von Geschichte, in
denen Riesen von kleinen oder schwachen Menschen zum Narren
gehalten werden, weil in ihren Körpern zuviel und ihren Gehirnen
zu wenig Kraft zugekommen ist. In der älteren, vorchristlichen
nordischen Mythologie sind Riesen auch sehr klug, sie wurden also
hauptsächlich verdummt als Inhalte, die seit der
Christianisierung unterdrückt wurden. Meist sind Riesen
verantwortlich fürs Wetter. Sie machen Nebel, und oft sagt man
ihnen auch nach, daß Donner daher rührt, daß sie in den
himmlischen Regionen Kegel stoßen. Es gibt Donner-Riesen,
Blitz-Riesen und Riesen, die für Erdbeben und Felsstürze
verantwortlich sind. Wenn Riesinnen ihren großen Waschtag haben,
dann ist das ganze Land in Nebel eingehüllt. Aus diesen
Assoziationen läßt sich leicht erkennen, daß Riesen die rohe,
ungezähmte Naturkraft repräsentieren, eine psychologische
Dynamik hauptsächlich emotionalen Charakters, die stärker ist
als der Mensch. Wir könnten sie also mit überwältigenden
emotionalen Impulsen vergleichen, die die Menschlichkeit des
Menschen überrollen." (von Franz, S. 225)
"Dem Kinde waren sie Wesen aus Fabelland. Sie lebten gewiss
nicht in Zimmern, sondern in Höhlen und hatten ein mächtigen König, dem sie
die Feinde erschlagen mußten.....Von denen, die zurückkamen, sind ein paar in
die Fremde gegangen...die anderen wollen nicht mehr in Höhlen wohnen und
hinausgeschmissen werden, wen sie den Knacks weghaben. Nicht die Riesen, das
ganze Volk, das schleppt und zieht und trägt, brummelt unwillig..." aus:
DIE RIESEN, Polgar, Das grosse Lesebuch, S. 147
Literatur:
Binder, Hans |
Höhlenführer Schwäbische Alb, Stuttgart und Aalen
1977, S. 90 |
Dahl, Roald |
Sophiechen und der Riese, rororo, reinbeck bei
Hamburg 1990 |
Franz, Marie Louise von |
Der Schatten und das Böse im Märchen, Knaur-Verlag,
München, Taschenbuchausgabe 1991 |
Heller, Joseph |
Muggendorf und seine Umgebungen oder die fränkische
Schweiz, Nachdruck der 1. Auflage aus dem Jahre 1829,
Palm und Enke, Erlangen 1979 |
Kohle, Franz-Josef |
Der Sagenkreis um die sauerländischen Höhlen, in:
Lotze, Prof. Dr. Franz, Schriftleiter, Karst und Höhlen in Westfalen
und im Bergischen Land, Jahreshefte für Karst- und Höhlenkunde, 2.
Heft 1961, S. 291ff. |
Kraus, Franz |
Höhlenkunde, Wien 1894 |
Kuntscher, Dr. H. |
Kult-, Sagen- und Versteckhöhlen in Tirol,
Mitteilungen des Landesvereins für Höhlenkunde in
Tirol, Vereinsjahr 2001, S. 4ff. |
Kuntscher, Dr. Herbert |
Höhlennamen in Nordtirol, Mitteilungen des
Landesvereins für Höhlenkunde in Tirol, Vereinsjahr
2000, S. 10ff. |
Lang, Stefan |
Höhlen in Franken, Verlag Hans Carl, Nürnberg 2000 |
ohne Verfasserangabe |
Aus dem Sagenschatz der Alpen, alpinwelt 4/2018, S. 37 |
Petrocheilou, Anna |
Die Höhlen Griechenlands, Athen 1984 |
Polgar, Alfred |
Das grosse Lesebuch, kein & aber, Zürich, 3.
Auflage, 2003 |
Schreiber, Hermann und Georg |
Die schönsten Heldensagen der Welt, Gondrom Verlag
Bayreuth, Sonderausgabe 1975 |
Tell, Leander |
Fifty Typical Swedish Caves, Norköpping 1976 |
Werner, Markus |
Am Hang, Fischer-Verlag, Frankfurt a.M. 2006 |
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