Franz Lindenmayr / Mensch und Höhle

CUMAE - am Eingang zur Unterwelt


30 km nördlich von Neapel liegt Cumae, heute Cuma. Ein Berg war früher das Zentrum, gekrönt von einer Akropolis.

 

Ein Tunnel durchsticht diesen Felsklotz.

Von ihm zweigt ein Gang ab, der noch heute den Besucher sehr beeindrucken kann und als "Sybillengrotte" oder auch "Orakelhöhle der Cumäischen Sybille" bezeichnet wird.

Damit hat es etwas Besonderes auf sich. Am bekanntesten ist eine Stelle aus Vergils Buch VI der Aeneis, wo Äneas von der Sybille von Cumae geholfen wird. Er will zu seinem Vater, der in der Unterwelt schon weilt, hinabsteigen. Das entscheidende Hilfsmittel dafür, den Goldenen Zweig, bekommt er über sie. Er trifft auf die Weissagerin in ihrer Wohnstätte, worüber es in der deutschen Übersetzung heißt: "Ausgehöhlt ist Cumaes Fels zur riesigen Grotte, breit ziehen hundert Schächte hinab, der Mündungen hundert, hundertfältigen Lauts dröhnt auf der Spruch der Sybille....".

Barockfächer Aeneas' Abstieg in die Unterwelt, Salzburger Museum Carolinum

Geht man selber an diesen Ort, der bis in unser Jahrhundert wieder verschüttet war, und erst 1932 unter des Leitung des italienischen Archäologieprofessor Amedeo Maiun wieder ausgegraben worden ist, dann werden aus den "hundert Schächten" schon viel weniger und der "hundertfältige Laut" wird auch viel weniger, aber beeindruckend bleibt die Örtlichkeit. Besonders, wenn man sich noch mehr mit den Geschichten rundherum um diesen Ort weiter beschäftigt. Als die Sybille ihre Sprüche für Äneas getan habe, da sei sie schon 700 Jahre alt gewesen, ein Alter das man normalerweise nicht erreicht, es sei denn, man ließe sich schon mit einem Gott ein. Apollo sei es gewesen, der habe die Sybille als Geliebte haben wollen. Sie ging darauf ein, aber nur unter der Bedingung, daß sie so alt werden dürfe, wie ein Kehrrichthaufen Staubkörner enthalte. Das waren gerade 1000 und so hatte sie, zu Äneas Zeiten gerade 70 % ihrer Zeit hinter sich. Ihr Ende wird als ziemlich häßlich beschrieben. Am Ende sei sie, völlig eingeschrumpft in einer von der Höhlendecke hängenden Flasche dahinvegetiert und ihr einziger Wunsch sei nur noch gewesen, zu sterben.

Von Turner gibt es 2 Fassungen dieser Szene, wo Aneneas und Sibylle am Averner See zusammentreffen und eine dritte, "Der goldene Zweig", in dem wieder dieses Grundmotiv auftaucht. (> Wajsbrod 213f.)

Es gibt noch mehr Geschichten um die Gestalt der "Sybille" - darüber kann man unter den Links noch mehr finden. Bemerkenswert ist auf jeden Fall, daß das Grundmotiv, daß da eine Frau alleine im Inneren der Erde lebt und Weissagungen über die Zukunft macht, die auf die Menschen starke Wirkungen ausüben, auch von einigen anderen Orten der Welt zu finden sind. Zwei Beispiele: die Sibyllenhöhle auf der Schwäbischen Alb und die Mother Shipton's Cave in Yorkshire. Diese Thema verdient noch mehr Beachtung....



Literatur:

Heudorf, Frank Der Hades in Kampanien, Der Erdstall 46-2020, S. 24ff.
Hülsen, Hans von Funde in der Magna Graecia, Musterschmid-Verlag, Göttingen 1962
Maiuri, Amedeo Die Altertümer der Phlegräischen Felder, Istituto Poligraifico dello Stato, 3. Auflage, Rom 1958
Matt, Peter von Wörterleuchten, Hanser, München 2009
Pagano, Mario Considerazioni i sull'antro della Sibilla a Cuma, in: Rendiconti dell'Accademia di Archeologia, Lettere e Belle Artidi, Napoli, L'Arte tipographica, vol. 60, 1985-1986, p. 69-94
Pagano, Mario Una nova interpretazione del cosidetto "Antro della Sibilla" a Cuma, in: Puteooli, vol. 9-10, 1985-1986, p. 83-120
Safranski, Rüdiger Romantik - eine deutsche Affaire, Hanser, München 2007
Wajsbrod, Cécile, übersetzt von Anne Weber Nevermore, Wallstein, Göttingen 2021

Links:

https://web.de/magazine/wissen/mystery/mystery-cumae-zuverlaessigste-orakel-antike-32410360

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